«Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich» (Teil II). Michael Tojner, 52 Jahre, eckt gerne und häufig an. Er kauft Firmen – manche saniert er, manche verkauft er, manche sperrt er zu. Risikokapital für ihn, wackelnde Jobs für andere. Mittlerweile verwaltet er ein stattliches Industrie- und Immobilienreich. Ein Porträt von David Hell
Foto: Regine Hendrich
Ein Erzengel ist einer, der im Engelsverband eine führende Stellung einnimmt. So eine Top-Positionierung nimmt ein österreichischer Investor gerne für sich in Anspruch. Aber als Engel wollen ihn doch die wenigsten bezeichnen. Er selbst dürfte da anderer Ansicht sein. Wie so oft, wenn es um ihn und seine umstrittenen Projekte geht. Die Rede ist von «Selfmade»-Millionär Michael Tojner. Nur: Was hat dieser Michael mit einem Erzengel zu schaffen – außer denselben Vornamen? Er hat es sich leicht gemacht. Denn er hat vor vier Jahren eine Gesellschaft gegründet, die er «Erzengel Michael Beteiligungsverwaltungs GmbH» nannte. Fast könnte man dem 52-Jährigen Blasphemie unterstellen. Oder eklektischen Größenwahn? Oder Illumination?
Heuschrecke mit Appetit.
Dem Neuen Testament zufolge hat Erzengel Michael den Teufel, in der Gestalt eines Drachens, vom Himmel auf die Erde herabgezogen. So weit zur theologischen Rollenverteilung. Bei Tojner glauben nicht wenige, dass eher er es sei, der den Luzifer im Leibe trüge. Zumindest vermeint das, wer mit ihm schon einmal verhandeln musste. Knallhart sei er, sagen die einen. Sein Zug zum Tor – und damit ist nicht das Beirats-Mandat bei Rapid gemeint – sei beispiellos, schnaufen die anderen. Für die Zeitungen ist er «Immer für eine Erregung gut» (Der Standard) oder gar eine «Heuschrecke mit Appetit» (Oberösterreichische Nachrichten). Tojner selbst weiß, dass er polarisiert. Und er spielt gerne damit. «Auf zwei meiner Freunde kommen acht Feinde», sagte er selbst einmal über sich.
Zur Welt gekommen ist Michael Tojner im oberösterreichischen Steyr, in der niederösterreichischen Stadt Haag wuchs er auf und zog dann nach Wien. Im Alter von 23 Jahren verdiente er sich mit dem emsigen Verkauf von Eis und Ansichtskarten in Schönbrunn bereits die erste Million Schilling. Mit seinem Studienkollegen Manfred Bodner (Bwin-Gründer) zog er einen Versandhandel auf, stand kurz vor der Pleite und verkaufte diesen dann an Neckermann – mit Millionengewinn (wiederum in Schilling). Heute verwaltet Tojner ein breites Beteiligungsgeflecht über seine drei wichtigsten Zwischenholdings. Die Montana Tech Components, 2006 gegründet, erzielte 2017 einen Gesamtumsatz von 849 Millionen Euro. Enthalten sind in diesem Industriekonglomerat etwa der Akku- und Batteriehersteller Varta, UAC, Alu Menziken, Alpine Metal Tech und Asta. 2002 kam die WertInvest ins Unternehmensreich. Sie ist die Immobilienspielwiese für Tojner, über die er etwa das InterContinental besitzt und das Riesenprojekt der umstrittenen Umgestaltung des Heumarkts betreibt. Schon 1998 gründete er gemeinsam mit der Meinl Bank das Unternehmen Global Equity Partners. Rund drei Jahre später übernahm Tojner auch die Meinl-Anteile. Über GEP werden Unternehmen gekauft, ausgebaut und «verwertet».
Tullius Destructivus.
Als Investor hinterlässt Tojner eine Spur an Kalamitäten. Wo der studierte Doppel-Doktor (Rechtswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre) hingreift, wächst kaum Gras nach. Klar. Weil er die Stellen oftmals mit Bauprojekten zubetoniert. Eines davon ist der Heumarkt in Wien. Der Brachialbau hievte ihn erstmals auf die Bühne für eine größere Öffentlichkeit. Auf dem Areal des heutigen Hotel InterContinental und dem Eislaufverein soll ein neues Hotel mit einem 66 Meter hohen Turm entstehen. Mit dem architektonisch fragwürdigen Plan hat Tojner, fast wie «Tullius Destructivus» im Comicband «Streit um Asterix», für viel Zwietracht in Wien gesorgt und gefährdet obendrein auch den Welt-Kultur-Erbe-Status von Wien. Tojner bekümmert das wenig, wie er dem Standard in einem Interview mitteilte: «Weil ich der Meinung bin, dass sich eine Stadt verändern muss.» Ein Vorhaben, das ebenfalls aneckt, ist die aktuelle Übernahme der B&C-Privatstiftung. Sie verwaltet einige der wichtigsten Industriebetriebe unseres Landes, wie etwa den Faserhersteller Lenzing, Semperit und die Austria Metall AG. Die Stiftungsidee ist die, dass kein nagender Eigentümer die Gewinne einstreift, sondern wieder investiert. Das steht naturgemäß der Kaufphilosophie von Tojner entgegen, die da lautet: Cash-Flow-Multiple von fünf. Das heißt: In fünf Jahren muss das investierte Geld wieder zurückfließen. «Aussaugen» könnte man dieses Prinzip auch nennen.
Tojner hebt die B&C-Sache nicht selbst. Er hat Partner bei sich. Und zwar äußerst namhafte: etwa Andritz-Chef Wolfgang Leitner, KTM-Boss Stefan Pierer und Krone-Chef Christoph Dichand. Damit die Dividenden künftig herausfließen können, soll eine Stiftungsnovelle der Regierung in diesem Jahr dienen. Gegen die «feindliche Übernahme» stemmt sich der Stiftungsvorstand Wolfgang Hofer. Dieser hat auch gleich die Kontoverbindung zur Bank Austria gekappt – als Vorsichtsmaßnahme. Das wäre gerade so, als ob man als Volkswagen-Vorstandschef einen Mercedes fahren würde.
Sozialwohnungen für Turbokapitalisten.
Ins Gerede ist Tojner auch beim Kauf von gemeinnützigen oder geförderten Wohnungen gekommen. So etwa bei der Veräußerung der Wohnbauvereinigung WBV-GFW in Wien oder die Genossenschaften «Riedenhof» und «Gesfö» sowie bei «Pannonia» im Burgenland. «In allen drei Fällen laufen die Fäden ebenfalls bei Tojners Firmenimperium zusammen», schreibt der Kurier. Neben den Negativschlagzeilen versucht sich Tojner immer wieder als Unterstützer zu inszenieren – medienwirksam geschickt. So hat er etwa der «Wiener Tafel» ein Lasten-E-Bike geschenkt. Da und dort sieht man ihn Buchprojekte mitfinanzieren, oder er gibt den kunstaffinen Architekturförderer. Auch seine Positionierung als externer Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien dient offenbar mehr der Imagepflege als einem wirklichen Lehr-Interesse. Auch wenn er selbst dieses Engagement als «Hobby und Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit» anführt. Jedenfalls erzielt er damit so etwas wie ein Upgrade. In seinem Club 20, der regelmäßig Veranstaltungen im Hotel InterContinental durchführt, steht unter seinem Namen in Versalien: «Wirtschaftsuniversität Wien».
Insgesamt hat Tojner laut Firmenbuch-Auskunft 68 aktive Positionen inne (Geschäftsführung, Aufsichtsratsmandate, Eigentümerfunktionen): Die GEP wies zuletzt einen Gewinnvortrag von knapp 2,78 Millionen Euro aus. Daneben hält er noch 11,16 Prozent am Dorotheum. Und die Wertinvest Beteiligungsverwaltungs GmbH, seine Immo-Tochter sozusagen, gehört ihm zu 100 Prozent und erzielte im Vorjahr einen Bilanzgewinn von 2,4 Millionen Euro.
Das Netzwerk.
Auch sein Netzwerk ist beachtlich – und förderlich. Dazu zählt jedenfalls Martin Ohneberg. Der Unternehmer und Präsident der Vorarlberger Industriellenvereinigung ist langjähriger Freund und Geschäftspartner von Tojner. Ein riesiges Gewicht in Tojners Netzwerk stellt zudem KTM-Chef Stefan Pierer dar, der beste Kontakte zu Bundeskanzler Sebastian Kurz unterhält. Im Kreis der Tojnerianer befinden sich zudem die Bauunternehmer Hanno und Erwin Soravia, Rapid-Präsident Michael Krammer und Christian Keuschnigg, Co-Autor des jüngst veröffentlichten Tojner-Buches Ist der Euro sicher?. Zudem schöpft er gute Kontakte aus einer engmaschigen Verbindung: Er ist Mitglied (Bruder) der katholischen akademischen Verbindung Bajuvaria (K. a. V. Bajuvaria), einer farbentragenden, nichtschlagenden Wiener Studentenverbindung, die dem Österreichischen Cartellverband angehört. Einer der wichtigsten Buden-Brüder dort ist niemand Geringerer als Claus Raidl, ehemals Böhler-Boss und bis vor kurzem noch Präsident der Österreichischen Nationalbank.
Geschafft, wenn man so will, hat er es also. Tojner stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Die Mutter war Volksschullehrerin, der Vater führte einen kleinen Familienbetrieb im niederösterreichischen Haag. Nach der Matura wollte der junge Michael in die Metropole – nach Wien. Angereist soll er mit einem auf Pump finanzierten Ford Escort sein. Heute öffnet Tojner die Türen zu teuren Luxus-Sportwägen der Marke Aston Martin. Aber die Wurzeln in der Heimat lassen ihn doch irgendwie nicht los. Das neue Haager Fußballstadion sponserte Tojner großzügig. Im Rahmen einer Oldtimer-Rallye veranlasste er extra einen medienwirksamen Boxen-Stopp in der Stadt. 2015 kaufte Tojner in Haag die Liegenschaft Hauptplatz 5 («Haus Froschauer») und ließ sie in eine Wohnanlage mit einem Gasthaus, einer Galerie und einem Lebensmittelgeschäft umbauen.
Drachenlenker.
Dort, in Haag, lösen sich die anfangs unterstellten Allmachtsfantasien in schlichte Frömmigkeit auf. Michael Tojners Vater Otto Tojner deckte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur den Kirchturm der Stadt mit Kupferblech neu ein, er machte ihr auch den Heiligen Michael, der auf dem Kirchturm zu sehen ist, zum Geschenk. Aber es gibt noch eine Parallele. Der sportbegeisterte Manager und sechsfache Vater hat sich ein ungewöhnliches Hobby auserkoren: Kitesurfen. Was das ist? An den Füßen steht man auf einer Art Surfboard und hängt mit Händen an einem Lenkdrachen. Bei ausreichend Wind und züngelnden Wellen schnellt man dabei ordentlich in die Luft und kann in der Luft gleiten. Von unten sieht das aus, als würde man in den Himmel steigen. Der Gegenwind ist dabei nicht der Feind, sondern der Mitspieler, den es auszutricksen gilt. Doch irgendwann fällt der Drachen vom Himmelsritt herab. Und irgendwie erinnert auch das an die Sage des Erzengels Michael. Nur: Wer hat wen vom Himmel geholt?