„Es geht längst nicht mehr nur um Bäume“tun & lassen

Eva und Murat sind die HeldInnen von Margareten

Seit 6. Jänner hat eine ansässige Bürgerinitiative den Bacherpark im 5. Bezirk besetzt. Sie will den Bau einer so genannten „Volksgarage“ unter dem Park verhindern, zu deren Errichtung die AnrainerInnen nie befragt worden sind. Wer bei beträchtlichen Minusgraden für seine Überzeugung in Zelten ausharrt, sorgt sogar bei einem selbstüberzeugten Bezirksvorsteher für Irritation.Murat war erst seit drei Monaten in die Wohnung am Bacherplatz gezogen, als ein Flugblatt der Grünen ins Haus flatterte. Darin hieß es, dass unter dem Bacherpark eine Tiefgarage geplant sei und die Partei lud zu einem Informations- und Diskussionsabend ein. Murat, der sich selbst als eher unpolitischen Menschen bezeichnet, folgte diesem Aufruf und, ehe er es sich versah, war er schon Teil der „Bürgerinitiative für Bacherpark ohne Volksgarage“. „Ich weiß wirklich nicht, was mich damals bewegt hat. Wenn alles einmal vorbei ist, werde ich darüber nachdenken“, lacht Murat. Zunächst einmal mussten 1500 Unterschriften zur Gründung einer Bürgerinitiative gesammelt werden. „Das war anstrengend, aber es war erst der Anfang“, erzählt er. In den darauf folgenden zwei Jahren schöpfte die Bürgerinitiative alle rechtlichen Mittel aus, so ist unter anderem eine Klage beim Verfassungsgerichtshof anhängig, ob die Flächenumwidmung des Platzes überhaupt rechtmäßig ist. Eigenartigerweise gab es trotzdem einen positiven Baubescheid.

Besonders verärgert war die Bürgerinitiative darüber, dass der Bezirksrat beschlossen hat, im Falle der Bacherpark-Garage keine AnrainerInnenbefragung durchzuführen, vorrangig aus Angst, sie könnte negativ ausgehen. Eine Äußerung von Planungsstadtrat Rudolf Sticker untermauert diese These: „Wir werden die Anrainer dort, wo die Statistik einfach nachweist, dass der Stellplatzmangel besteht, doch nicht fragen, denn das würde ja nur zu einer Patt-Situation führen.“ Genau jene Statistiken wurden von Untersuchungen der Technischen Universität Wien nachhaltig in Frage gestellt. Und dennoch wirft der zuständige Bezirksvorsteher Kurt Wimmer der Bürgerinitiative aufgrund des Bezirksrats-Beschlusses vor, demokratische Entscheidungen nicht zu akzeptieren.

Murat, der mit seiner damaligen Frau vor 17 Jahren nach Österreich gekommen ist und seit fünf Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, fragt sich bei solchen Gelegenheiten dann gerne scherzhaft, in welches Land es ihn da eigentlich verschlagen hat. Sein Geld verdient Murat als Physiker an der Technischen Universität und als Programmierer. Das eine sieht er als Herausforderung, das andere bringt Geld, wie er meint.

Kein zweites Hainburg

Der 14. Dezember letzten Jahres sollte dann Ereignisse mit sich bringen, die Murat in Folge einige seiner Urlaubstage kosten würden. Im Winter und vormittags wurden im Bacherpark unter dem Schutz der Spielplatzzäune zwei große Pappeln gefällt. Schnell wurden die Baumreste abtransportiert, so dass viele AnrainerInnen die Aktion vorerst gar nicht bemerkten. Dann wurde der Kinderspielplatz abgebaut, und spätestens, als einige Leute mit Plänen über den Platz liefen, war es für die Bürgerinitiative klar, dass es mit dem Baubeginn nun ernst werden würde. Am 15. Dezember appellierten 15 Bürgerinitiativen in einem offenen Brief an Bürgermeister Häupl, der ja bekanntlich in Wien verliebt ist, also hoffentlich auch in den Bacherpark. Nachdem eine Antwort auf das Schreiben ausblieb, beschloss die Bürgerinitiative am 6. Jänner kurzerhand, den Bacherpark zu besetzen.

Eva, Murats Nachbarin, baut normaler Weise Modelle, Bühnen oder Möbel und ist als Bildhauerin tätig. Durch das Camp wurde sie kurzerhand zur Architektin der 14 Objekte umfassenden Zeltstadt auf dem Grund des ehemaligen Spielplatzes. Auf zwei Zelte ist sie ganz besonders stolz: Einerseits auf das Doppelzelt-Tippi, das mit einem kleinen Holzofen auch beheizbar ist und somit das Überleben bei derart eisigen Temperaturen denkbar macht und das Konferenzzentrum, errichtet über der Sandkiste. Vor allem bei diesem Zelt arbeitet sie laufend an Verbesserungen mit diversen Resten aus ihrem Materiallager. „Du musst einmal ihre Wohnung sehen“, witzelt Murat, der seine Nachbarin zuerst wegen einem Rohrbruch in seiner Wohnung kennen gelernt und dann bei der Bürgerinitiative wieder getroffen hat.

Eva ist als „Bastlerin“ des Camps gar nicht so leicht zu einem Gespräch zu bekommen, immer ist sie unterwegs, richtet und baut. Ihre Idee war es auch, die Bäume mit Statements wie „Ich bin ein Feinstaubsauger“ oder „Ich spende Schatten“ zum Reden zu bringen. „Wir wollen damit ausdrücken, dass auch die sehr artenreichen Bäume dieses Parks tief verwurzelte Margaretner sind“, sagt die Frau, die sichtlich lieber etwas tut, als große Reden zu schwingen. Angst, dass dem Aktionismus einem Flair der österreichischen Ökologiebewegung der 80er-Jahre aufsitzt, hat Eva nicht. „Es geht längst nicht mehr nur um Bäume“, sagt die Künstlerin, und sie ist fest überzeugt, dass die Tatsache, dass hier Menschen bei Minusgraden in der Kälte ausharren, um ihre Meinung zu vertreten, bei vielen Eindruck hinterlässt.

Auch wenn sich nicht jeder und jede als BesetzerIn berufen fühlt, so genießt die Bürgerinitiative doch einen großen Rückhalt bei den AnrainerInnen, freuen sich Eva und Murat, ein Rückhalt, der interessanter Weise erst nach einer überraschend großen medialen Berichterstattung entstanden ist. Die Leute fanden ihren Weg vor die Haustüre über die Zeitungen. Und seit dem können sich die AktivistInnen über Versorgung mit Essen und heißem Tee nicht beklagen. „Es kam sogar eine Frau von der Bürgerinitiative Dornerplatz den weiten Weg hierher, um uns einen wärmenden Wodka zu bringen“, freut sich Eva.

Ein unmoralisches Angebot

Gemessen am Durchschnitts-Nettoeinkommen und am Prozentsatz der Wohnungen der Kategorie C und D ist Margareten sicher einer der ärmsten Bezirke Wiens. Besonders zynisch mutet es daher an, wenn vor dem Bau einer so genannten „Volksgarage“ besagtes „Volk“ nicht einmal gefragt wird, ob es sich ein derartiges Projekt überhaupt leisten will. Das Bauvorhaben wird immerhin mit drei Millionen Euro von der Stadt Wien ohne bemerkenswerte Auflagen gefördert. Ein Garagenplatz kostet 72 Euro monatlich. „Unser Protest richtet sich ganz sicher nicht gegen das Autofahren. Ich habe selber ein Auto und finde immer einen Platz vor meinem Haus. Ganz zu schweigen von anderen Volksgaragen in der Nähe, die bis dato leer stehen“, erklärt Eva. Auch der Rechnungshof hat das Projekt der so genannten „Volksgaragen“ bereits kritisiert.

Kurz vor Redaktionsschluss des Augustin (25. Jänner) ging der mit der Besetzung des Parks sichtlich überforderte Bezirksvorsteher Kurt Wimmer in eine etwas tollpatschige Offensive. In einer Pressekonferenz, aus der er die Pressesprecherin der Bürgerinitiative vor Beginn hinauswerfen ließ, verkündete er, dass er und die Baufirma den BesetzerInnen ein Gesprächsangebot unterbreitet hätten. Mehr als „zwei bis fünf Plätze weniger“ seien dabei aber nicht drin, verkündete im selben Atemzug Planungsstadtrat Rudolf Sticker. Die Sprecherin der Bürgerinitiative, Eva Wessely, beteuerte, nur von Seiten der Baufirma ein Gesprächsangebot bekommen zu haben, und das erst zwei Tage nach der Pressekonferenz. Sie seien jederzeit gesprächsbereit, mit wem auch immer, glauben aber nicht, dass die Baufirma das politische Mandat zur Verfügung eines Baustopps hat, den die Bürgerinitiative erreichen will. Immerhin, Bezirksvorsteher Wimmer sicherte zu, das Camp nicht räumen zu wollen. In seine Aussagen haben die Mitglieder der Bürgerinitiative allerdings verständlicher Weise schon den Glauben verloren. Für sie besteht kein Zweifel, dass sie weiterkämpfen, bis das Projekt endgültig vom Tisch ist. „Was nicht richtig ist, muss man berichtigen, und irgendwer muss das machen“, meint Murat.

Info:

Bürgerinitiative Bacherpark

Bacherplatz 2/12

1050 Wien

Tel.: 0 676 303 97 99 oder 0 699 195 839 38

E-Mail: bi-bacherpark@chello.at

http://www.baeume-statt-garage.psido.at/

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