Es geht voranvorstadt

Ein Gespräch über Frauenfußball mit einer prozessorientierten Pragmatikerin

Ines Polly ist im Wiener Frauenfußball an allen Ecken und Enden zu finden. Sei es als Mastermind des aufstrebenden Vereins FC Altera Porta oder in diversen Funktionen beim WFV. Hannes Gaisberger (Interview) und Carolina Frank (Fotos) trafen sie nach dem Auftaktspiel des Nationalteams.Wie haben Sie das erste EM-Spiel des Nationalteams (1:0 gegen die Schweiz, Anm.) verfolgt?

In einem netten Rahmen. Wir haben das Training verschoben und uns das Match am Platz angeschaut. Es scheint, als wäre der Frauenfußball über das Nationalteam in der Welt des österreichischen Sports angekommen. Das merkt man an der erhöhten medialen Aufmerksamkeit. Ich finde das sehr schön, weil es die Arbeit der letzten Jahre würdigt.

Als Kollegin: Wie beurteilen Sie die Arbeit von Nationaltrainer Thalhammer?

Ich hatte im Herbst schon einmal das Vergnügen, bei einem Vortrag von Thalhammer dabei zu sein. Was ich sehr schätze: dass da ein Plan dahinter ist. Man hat in der Vergangenheit sogar manche Spiele verloren, nur um dem Konzept treu zu bleiben und sich weiterzuentwickeln. Sie haben sich kontinuierlich gesteigert und ernten jetzt die Lorbeeren. Deshalb habe ich keine Angst, dass der Frauenfußball nach der EM leistungsmäßig in ein Loch fällt. Denn als Aushängeschild ist das Nationalteam natürlich wichtig.

Braucht es Stars, um Nachwuchs zu mobilisieren?

Die neuen, weiblichen Vorbilder sind positiv für die Mädchen. Wenn man sie nach ihren Idolen fragt, sind das nicht mehr nur Alaba und Arnautović, sondern vielleicht Zadrazil oder Puntigam.

Können Sie kurz aufzählen, welche Aufgaben Sie beim Wiener Verband für den Frauenfußball ausüben?

Vize-Obfrau im Ausschuss des WFV und Klassenobfrau von allen Ligen in Wien. Dazu bin ich Verantwortliche für den Wiener Frauen-Cup.

Der von Ihnen erwähnte Ausschuss trägt den Titel «Frauenfußball und Trendsportarten». Ist das noch zeitgemäß?

Die Trendsportarten sind Futsal. Aber es gibt einen guten Grund für den Namen. Bei der Amtsübernahme des jetzigen Präsidenten Sedlacek wurden die Gremien neu zusammengestellt. Damals war der Frauenfußball in Wien noch nicht so weit, dass wir sagen hätten können: ‹Das wird ein eigener Ausschuss.›

Was macht der WFV für den Frauenfußball in der Stadt?

Im Nachwuchsbereich kommt man den Vereinen entgegen, die Bestimmungen werden flexibler gehandhabt, weil es einfach nicht so viele Mädchen gibt. Dazu gibt es den Mädchenfußballtag und den Girlies Sports Day, das sind zwei Medienevents. Was kommen wird: Auf der Website des WFV wird der Frauenfußball künftig besser positioniert, sichtbarer gemacht. Beim Cup versuchen wir ein größeres Publikum anzusprechen. Und von Verbandsseite wird Training für Torfrauen angeboten, weil das viel nachgefragt wird. Ein langfristiges Konzept gibt es aber nicht.

Kommt es zu Interessenskonflikten, da sie nicht nur Verbands-, sondern auch Vereinsfunktionärin bei Altera Porta sind?


Im Verband versuche ich, eine neutrale Sicht auf alles zu legen. Ich bin eher ein prozessorientierter Mensch und frage mich: Was ist das Beste für die Entwicklung des Wiener Frauenfußballs? Und nicht: Was wäre das Beste für mich oder den Verein? Klar gibt es immer wieder Kommentare, ich würde meine Funktion für den Verein ausnützen. Der einzige Vorteil ist: Ich weiß, worüber geredet wird, ich weiß, was geplant ist.

Bei den Entscheidungen im Ausschuss sind vermutlich mehrere Personen beteiligt?

Da sind vier Vereine indirekt vertreten. Und unser Ausschussobmann, der ist sowieso komplett vereinsneutral. Der kommt von den Burschen, nicht vom Mädchen- und Frauenfußball, was ich aber sehr positiv finde. Er hat einen neuen Blick auf die Dinge. Wo es früher manchmal hieß: ‹Nein, das gibt’s nicht!›, sagt er jetzt: ‹Gibt‘s bei den Männern auch.›


Wird es Ihnen umgekehrt im Verein vorgehalten, dass Sie sich zu wenig für Altera Porta einsetzen?

Nein, es wird schon als Vorteil gesehen, immer die aktuellen Infos zu haben. Sicher kommt es vor, dass ich abblocken muss. ‹Ich darf noch nichts sagen, ich will noch nichts sagen, es ist noch nichts Offizielles.›

Bei Altera Porta sind Sie Gründerin, Obfrau und Trainerin der Kampfmannschaft. Ihre aktive Laufbahn haben Sie aber beendet?

Ich habe letzten Sommer nach 15 Jahren mit dem aktiven Fußball aufgehört. Wenn in Reserve aber Not an der Frau ist, helfe ich gerne aus. Der Spaß ist schon noch da. Als Stammspielerin gibt es mich aber sicher nicht mehr.

Vor sieben Jahren haben Sie Altera Porta gegründet, jetzt spielt der Verein erfolgreich in der 2. Liga.

Wir haben bescheidene finanzielle Mittel. Die Trainer arbeiten ehrenamtlich, was in der 2. Liga auch außergewöhnlich ist. Trotzdem waren wir Vierter. Das zeigt, auf dem Niveau der 2. Liga ist es noch immer weniger eine Frage des Geldes, sondern des Engagements.

Welche Ziele setzt man für die nächste Saison?

Unter die ersten drei zu kommen. Da es in der Liga einige B-Mannschaften gibt, wäre es theoretisch möglich, dass wir damit eine Relegation für die Bundesliga spielen. Mit dieser Chance liebäugeln schon manche im Verein. Wenn wir aufsteigen, dann, um oben zu bleiben. Wir bereiten uns kontinuierlich darauf vor, sind medial nicht so schlecht vertreten, von der Spielerinnenqualität vorne mit dabei. Wir haben einen technisch gut ausgebildeten Nachwuchs, der jetzt in den nächsten zwei, drei Jahren in die Kampfmannschaft dazustoßen wird. Die älteren Spielerinnen hatten einfach nicht die technische Ausbildung, sie haben entweder bei den Burschen mitgespielt oder erst mit 14 Jahren begonnen. Also die Bundesliga ist längerfristig ein nettes Ziel, das wir nicht aus den Augen verlieren werden. Aber noch nicht als konkrete Vorgabe für nächstes Jahr. Dafür sind wir personell und strukturell noch nicht so breit und gut aufgestellt.

Wie wird sich das Nationalteam bei der EM weiterhin schlagen?

Ich bin bei so was immer schlecht. Ich glaube, gegen Frankreich ist durchaus eine Überraschung drin (hat sich als richtig herausgestellt, Anm.). Gegen Island wird man zwar kämpfen müssen, aber der Aufstieg ist realistisch, und das hat man sich auch verdient. Das Viertelfinale ist drin, kommt halt auch auf die Gegner an. Aber mir kommt es weniger auf punktuelle Ergebnisse an. Sie sollen gut und attraktiv spielen, zeigen, dass Frauenfußball interessant und spannend ist. Wenn dann im Anschluss an die EM weiter über unseren Sport berichtet wird, wenn es ein fixer Bestandteil bleibt, kann man von einem Erfolg sprechen. Es werden jetzt viele auf Frauenfußball aufmerksam. Ich hoffe, dass sich Leute angesprochen fühlen und sagen, sie wollen mitspielen oder helfen, in welcher Weise auch immer. Wenn wir das schaffen, sind wir einen großen Schritt weiter.