„Es gibt nur ein Wir und Ihr“tun & lassen

Themen wie Feminismus und Islam schreien nach cleverem Journalismus

KlischeeIslam.jpgEs macht einen riesigen Unterschied, ob unter der großen Überschrift Islam zum Thema Religion & Kultur oder über soziale Rechte auf Arbeit und Bildung diskutiert wird. Und ob mit dem Schlagwort Kulturen historische gewachsene, soziale Kulturen oder so genannte fremde Kulturen gemeint sind. Vor allem für Frauen und Mädchen.

Im Republikanischen Klub stehen die Teile des berühmten hölzernen Pferdes an die Wand gelehnt. Lauter Journalistinnen sitzen unter den schönen viereckigen Lampen, weißen Kuben, die mit Gold eingefasst sind. Es gibt überall Menschen, die kritikfähig sind, und solche, die es nicht sind, sagt Zeynep Elibol, die Direktorin der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung. Zwangsheirat ist absolut gegen die Menschenrechte. Wir müssen aber mit denen reden, die das machen mit den Vätern oder Brüdern. Es hilft nichts, die von einer hohen theoretischen Ebene herunter zu behandeln. Es ist eben besser, wenn die betroffene junge Frau nicht den hohen Preis der Isolation von ihrer Familie zahlen muss.

Die Veranstaltung des Frauen Netzwerks Medien, dem Journalistinnen unterschiedlichster Zeitungen angehören, im Republikanischen Klub war schon lange überfällig: eine Podiumsdiskussion, bei der offen unter uns Journalistinnen zum Thema Klischeefalle Islam geredet wird und bestimmte Mechanismen der Berichterstattung kritisiert werden. Aus der leider aber auch nicht zitiert werden darf, wie Moderatorin Münire Inam von der Report-Redaktion des ORF gleich anmerkt*. Ich würde mir wünschen, dass muslimische Frauen nicht nur auf ihre Religion reduziert werden. Zusätzlich wird in vielen Medien nur über den Islam berichtet, wenn es um Hetze oder Überfremdung geht mit plakativen Schlagzeilen. Man redet bereits von der Konfessionalisierung der Integration, kritisiert Meryem Citak, die seit 19 Jahren im ORF u. a. auch von Zwangsheirat berichtet und zwar auch von Mädchen, die lange blonde Haare haben und Jeans tragen. Wie leben wir miteinander? Wie gehen wir gemeinsam Probleme an?, diese Fragen würden sie mehr interessieren.

Kritisierte Exotin

Was ist Unterstützung für die Frauen? Was ist Einmischung? Ich erhalte manchmal den Vorwurf des Eurozentrismus, berichtet Elfriede Hammerl, Starkolumnistin des Profil. Als ob ich die Werte des christlichen Patriarchats hochhalten wollen würde. Dabei bin ich kritisch gegenüber meiner eigenen Kultur und Religion und kann das daher auch gegenüber anderen Religionen sein. Hammerl strebt einen weltweiten Feminismus an. Basis dafür wären ungeteilte Menschenrechte, eine Gesellschaft, in der Menschen nicht über ihr Geschlecht definiert werden, und keine Diskriminierung in Bezug auf das Geschlecht. Das Tragen eines Kopftuchs hält sie auch für eine Ungleichmachung der Geschlechter.

In der im November im Profil erschienenen Titelgeschichte Das Frauenbild der Moslems (Hager/Meinhard) mit dem diskriminierenden Titel Menschen zweiter Klasse wurde ein etwas sensationalistischer Überblick über Frauen in verschiedenen muslimischen Ländern mit kleinen Lebensgeschichten von in Österreich lebenden, sich u. a. als Musliminnen definierenden Frauen vermischt. Da stand ich ganz befremdend wie eine Exotin da, kommentiert Elibol, deren Leben im Profil auch kurz vorgestellt wurde, da bin ich selber erschrocken. Es steht in den Medien oft westliche Fortschrittlichkeit versus islamische Rückschrittlichkeit, der Maßstab bleibt Europa. Oft wird der kulturelle Hintergrund mit der Religion vermischt, alles in den gleichen Topf geworfen. Es gibt nur ein Wir und Ihr.

Die Politologin Sieglinde Rosenberger arbeitet seit drei Jahren an einer Studie mit acht Universitäten zur öffentlichen Debatte zum Muslimischen Kopftuch: In Österreich ist die katholische Kirche tief im politischen System verankert, daher hat etwa die ÖVP kein signifikantes Interesse, eine Debatte gegen die Religion im öffentlichen Raum, in diesem Fall gegen den Islam zu führen. In der Tiroler Tageszeitung etwa erschien relativ wenig zur aufgeregten Minaretten-Diskussion. Wenn islamische Symbole, wie Minarette, aber wie derzeit stärker als kulturelle und traditionelle Manifestation gesehen werden, dann könnten auch Parteien wie die ÖVP stärker eine anti-islamische Haltung einnehmen.

In Richtung Selbstbestimmung

Interessant ist, dass in der Diskussion jegliche soziale Frage, wie das Recht auf Arbeit und Bildung, ausgespart wird bzw. nur in Andeutungen vorkommt. Es wird vorrangig auf der Ebene der Religion und der Kultur diskutiert, wobei es selten um politische oder soziale Kulturen geht, aber um Mehrheits- oder Minderheits-Gesellschaften. Man muss auch bedenken, dass MuslimInnen Menschen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund und Bildungsniveau sind. Und wenn sich Frauen von patriarchalen Strukturen befreien wollen, helfen wir ihnen dann, wenn sie als arme Opfer dargestellt werden?, fragt Frau Direktor Elibol, die täglich mit den Mädchen zu tun hat. Maßstab ist der Mann, egal in welche Richtung, ob mit oder ohne Kopftuch. Wenn ich immer höre, ich muss meinen Mann glücklich machen, da hört es sich für mich auf. Und wenn ich dafür bin, dass die Mädchen selbst entscheiden, was sie tun und niemand anderer für sie, stehe ich in meiner Community als Feministin da.

Sie muss sich auch Instrumente und Mechanismen überlegen, um den Kontakt zu den Frauen nicht zu verlieren. Jeder Schritt in Richtung Selbstbestimmung ist wichtig. Was in den Medien an Positivem gebracht wird, ermutigt die jungen Frauen, sich an der Gesellschaft zu beteiligen.

*alle zitierten Frauen haben ihre Erlaubnis gegeben

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