Krimi-Autor O. P. Zier: Entweder du bist Werkzeug oder du bist «Staatsfeind»
Österreich ist eine Korruptionsoase, meinte kürzlich ein OECD-Mitarbeiter. Liest man die Werke des Salzburger Schriftstellers O. P. Zier, entsteht der Eindruck, Österreich wäre auch eine Oase für einen, der es liebt, diese Verhältnisse zu beschreiben. Kürzlich erschien im Residenz Verlag sein neuestes Werk: die «Mordsonate». Ein Krimi, in dem ein Klavierwunderkind verschwindet. Doch der eigentliche Krimi spielt sich auf einer anderen Ebene ab: Intrigen, skrupellose Willkür, politisch motivierter Postenschacher. Selbst der Polizeiapparat wird hier zum Spielball parteipolitischer Interessen. Die Auflösung des Falls geht nur schleppend voran. O. P. Zier im Augustin-Gespräch.In Anbetracht der vielen Skandale der letzten Jahre scheint deine Dichtung mit der Realität ganz nah zusammenzurücken. Wie siehst du dein Verhältnis von Fiktion und Realität in der «Mordsonate»?
Die Geschichte ist natürlich fiktiv, aber sie spielt in einem der Realität angenäherten Österreich von heute. Das gesellschaftlich akzeptierte Umfeld ist im weitesten Sinn genauso kriminell. Das zu zeigen, war meine Absicht.
Chefinspektor Laber lässt sich zusehends durch die Intrigen und die politisch motivierten Hetzkampagnen verunsichern. Zu spät entziffert er die Sprache des Mörders. Ist das Versagen eine Anspielung auf die großen österreichischen Kriminalfälle (Kampusch, Fritzl), wo die Kriminalistik ebenfalls kläglich versagt hat?
Ich glaube, dass auch in der Realität für Kriminalbeamte und Beamte überhaupt, aus unserer engen Verflechtung mit der Parteipolitik ein sehr ungesunder und die eigentliche Arbeit beeinträchtigender Druck entsteht. Den wollte ich auch in meinem Roman zeigen. Er löst den Fall letztlich durch einen Zufall das hat für mich auch einigen Reiz.
Ist unser Polizeiapparat also so sehr mit internen Konflikten beschäftigt, dass er seine eigentliche Arbeit nicht mehr erledigen kann?
Die internen Konflikte sind, glaube ich, in der Realität noch viel größer, als ich sie für eine Romanhandlung darstellen wollte! Einiges, von dem ich Kenntnis erlangte, hat mir gezeigt, dass vor allem im Polizeialltag sehr, sehr viel schief geht. Da läuft sogar in meinem Roman weniger schief, glaube ich. Ein Lehrbeispiel erlebte ich selbst in der Folge eines Einbruches, wo ein Unschuldiger verdächtigt wurde und auch bei uns alle nicht in dieses Muster passenden Spuren (andere Haarfarbe etc.) rundweg negiert wurden. In diesem Fall hat nur die Technik eine DNA-Spur den Unschuldigen vor einer Verurteilung bewahrt. Das hautnah als Einbruchsopfer miterlebt zu haben, war für mich sehr lehrreich.
Literatur muss radikal sein, sonst wird sie Propaganda
Deine Figuren sind ja bis in alle Details ausgearbeitet. Sehr nachvollziehbar wird in der «Mordsonate» etwa, warum eine Sekretärin einen hohen Politiker vor Gefängnis und Gesichtsverlust bewahrt, oder warum ein ehemaliger Autohändler völlig ausflippt, weil ihm aufgrund des Machtverlusts seiner Partei nun die Kündigung von seinem Vorstandsposten droht. Wie kommst du zu deinen Figuren?
Ich bemühe mich schon sehr um eine gewissermaßen klassische Ausstattung Psyche und Umfeld formen die Menschen, bestimmen dann ihr Verhalten, das sich natürlich in Ausnahmesituationen noch extremer verformt, aber mir geht es schon um Plausibilität und Nachvollziehbarkeit, ein arbeitsintensives Verfahren, aber ich bin überzeugt, der Gewinn für die Leserinnen und Leser ist auf diese Weise doch um vieles höher.
Die «Mordsonate» spielt in der Stadt Salzburg, alle deine anderen Bücher in und um deine Heimatstadt St. Johann im Pongau. In «Tote Saison» bekommt dein Alter Ego anonyme Anrufe und findet sogar eine geköpfte Katze auf seinem Fußabstreifer, weil er brisante Details recherchiert hatte. Wie reagiert man in deiner Heimat auf deine schonungslose Gesellschaftskritik?
Oh, das wäre eine sehr lange Geschichte! Schon bei «Schonzeit», dem nach realen Lebensgeschichten geschriebenen Roman wurden Lesungen verboten, bei «Himmelfahrt« kündigte ein hoher Landespolitiker einen Prozess an usw. usf. Literatur muss radikal sein, denn sonst wird sie sehr schnell zu Propaganda. Und vor allem in Salzburg wünschen sich Politiker ausschließlich Propaganda wer sich nicht instrumentalisieren lässt, wird schnell zum Staatsfeind. Aber das ist zu überleben.
Warum glaubst du, ist in Österreich Korruption in diesem Ausmaß möglich?
Weil ein Skandal den anderen verdrängt, wenn wir etwa an Kärnten denken, und die Menschen wohl resignieren bei dieser Fülle. Einmal ganz davon abgesehen, dass nur durch Zufall Details auffliegen wohl immer im Dunkeln bleiben wird das, was im Rahmen der Eurofighter-Beschaffung gelaufen sein dürfte, dass Rüstungskäufe ohne Korruption undenkbar sind, wie wir wissen.
Literatur ist gleich Sprachkunst und Widerstand
Du beschreibst in deinen Büchern meist ein engmaschig gestricktes System der Mächtigen und ihrer allerorts sitzenden Handlanger. In «Sturmfrei» wird da beispielsweise einer gekündigt, weil er es gewagt hat, das Konzerngefüge in Frage zu stellen. In «Tote Saison» will einer einen kleinen Kulturverein organisieren und wehrt sich gegen parteipolitische Einflussnahme. Ein selbstbestimmtes Leben wird da unmöglich, so was wie Demokratie scheint es da überhaupt nicht zu geben.
Im weitesten Sinn sind alle diese Bücher so unterschiedlich ihre Sujets sein mögen Widerstandsgeschichten. Bei «Schonzeit» ist es die NS-Zeit, bei den anderen Titeln bildet die Demokratie den Rahmen. Die Feigheit, zu der jeder Mensch klarerweise neigt, ist immer sehr groß. Auch heute noch. Man kann das schon verstehen deshalb ist es umso wichtiger, in der Kunst dagegen zu halten. Denn alles andere ist ja einer Demokratie unwürdig. So gesehen hat Kunst in der Demokratie schon eine nicht unbedeutende Neben-Funktion, denn zuallererst ist die Literatur natürlich Sprachkunst, aber das allein wäre mir zu wenig.
Frank-Peter Hansen schreibt in einer Rezension, dass du in deiner Literatur «permanent klagst ohne anzuklagen» und eine «Atmosphäre tieftraurigen Gelächters» wie in Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften» herstellst.
Wie findest du diesen satirischen Ton?
Das dürfte Veranlagung sein. Bestimmte Wahrnehmungen lösen in meiner künstlerischen Arbeit dann so einen Ton aus, wenn ich in entsprechender Stimmung bin.
Wie beurteilst du die Literaturförderung in Österreich? Bist du von Preisen und Stipendien abhängig, oder lebst du von den Veröffentlichungen?
Gelegentlich ein Stipendium zu ergattern oder einen Preis zu erhalten, ist schon sehr wichtig aber inzwischen habe ich den Eindruck, dass die Gelder nur noch innerhalb von einigen Netzwerken kursieren. Als so Außenstehender wie ich geografisch, aber auch als nicht in irgendwelchen Netzwerken verankert ist einem das schon jahrelang gänzlich unmöglich geworden.
Du hast ja als Brotberuf im Aluminiumkonzern gearbeitet, um den es in «Sturmfrei» geht. Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich habe sehr früh zu schreiben angefangen, schon mit elf, zwölf Jahren. Mein Plan war, schnellstmöglich auf die Filmakademie zu kommen und gleichzeitig einen Brotberuf zu haben. Das alles ging damals am schnellsten mit einem Handelsschulabschluss, der auch unter Vorweis von Publikationen für die Aufnahme an die Filmakademie gereicht hätte. Das war mein Plan aber dann sind, als ich knapp 19 war, innerhalb von zwei Monaten meine Eltern gestorben, und ich habe, um zu überleben, in der Aluminiumfabrik angeheuert, im mittleren Management im Einkauf. Ein Studienaufenthalt von mehreren Jahren für «Sturmfrei», denn so einen Roman kann man nur aus eigener Erfahrung schreiben. Ab Mitte 1979 habe ich die Stellung gekündigt und relativ viel für Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet. Meine Erfahrung in der Aluminiumfabrik war aber insofern von Bedeutung, da ich dort gewissermaßen das Grundmuster aller hierarchischen Organisationen studieren konnte und das, was sie mit Menschen machen, denn das ist einerseits zum Lachen, aber öfter zum Weinen. So kommt ja in «Mordsonate» auch das so genannte Prekariat vor, der unglaubliche Skandal, wie heutzutage mit teuer ausgebildeten jungen Menschen umgesprungen wird. Eine hemmungslose Ausbeutung, die ein hoch qualifiziertes Proletariat geschaffen hat. Ein Missstand, den sich wahrscheinlich noch vor zwanzig Jahren niemand hätte träumen lassen. Inzwischen und da sind wir wieder bei der Kriminalität wurde ja in Österreich die Gewerkschaft von ihren eigenen Führungsleuten und deren Umfeld so geschädigt, wie es keine äußeren Gegner nachhaltiger hätten tun können. Der Witz besteht eben darin, dass sich zwar die Wirtschaft an den internationalen Zusammenschluss gehalten hat, den die Arbeiterbewegung gefordert hat die Arbeitnehmervertreter haben das bislang weitestgehend verschlafen.
Info:
O. P. Zier lebt als Schriftsteller in St. Johann im Pongau. Im Otto Müller Verlag erschienen seine Romane «Schonzeit«, «Sturmfrei« und «Himmelfahrt«, im Residenz Verlag «Tote Saison« und «Mordsonate«. O. P. Zier liest am 28. 9. um 18.30 Uhr im Rahmen der Kriminacht in der Buchhandlung Frick, Kärntner Straße 30.