Immo Aktuell
Wohnen während Corona. Enge Wohnverhältnisse wirken sich in Zeiten von Homeoffice, Homeschooling und hoher Arbeitslosigkeit auf die psychische Gesundheit aus. Fortlaufende Mietzahlungen belasten ein radikal verringertes Monatseinkommen.
Text: Selim Banabak, Justin Kadi, Antonia Schneider, Illustration: Much
Die Coronakrise verdeutlicht ein weiteres Mal die soziale Ungleichheit in Österreich. Während die vermögendere Hälfte der Bevölkerung den Job vielfach ins Homeoffice verlegt hat, gibt es für die ärmere Hälfte entweder Arbeit unter Gesundheitsrisiko, Kurzarbeit oder gleich die Kündigung. Arbeiter_innen in prekären Branchen sind besonders betroffen. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Arbeitslosenzahlen in der Bauwirtschaft verdoppelt, im Tourismus oder bei den Friseur_innen sogar um mehr als 150 Prozent erhöht. Besonders von Kündigungen im Zuge der Coronakrise betroffen sind Menschen mit Lehrabschluss, am wenigsten Akademiker_innen.
Überbelegtes Homeoffice.
Ob durch Homeoffice, Betreuungspflicht oder Arbeitslosigkeit, das Leben in den eigenen vier Wänden wird derzeit für viele Menschen zur Herausforderung. Und auch hier ist die Ausgangslage keineswegs für alle gleich. Ärmere Haushalte (< 60 % Medianeinkommen) leben mehr als dreimal so oft in überbelegten Wohnungen wie Haushalte der Mittelschicht. Von den Haushalten in oberen Einkommensgruppen ganz zu schweigen. Die Schräglage in der Verteilung von Wohnraum bringt in Zeiten der Selbstisolation unterschiedlich schwierige Bedingungen für die Aufrechterhaltung der physischen und auch der psychischen Gesundheit mit sich. Die Wohnkostenbelastung ärmerer Haushalte war trotz geringerer Wohnungsgröße und Qualität bereits vor Corona deutlich über dem Durchschnitt. Aktuell dürfte sich ihre Wohnkostenbelastung noch deutlich verschärfen.
Einkommen geht, Miete bleibt. Trotz der Coronakrise entfällt die Miete nicht, obwohl für viele, gerade untere Einkommensgruppen, das laufende Einkommen wegbricht. Zwar hat die Bundesregierung die Notwendigkeit erkannt, Wohnungsräumungen auszusetzen. Krisenbedingte Mietrückstände müssen allerdings bis Ende des Jahres beglichen werden, mit Zinsen, versteht sich. Die Eingriffe in den Mietmarkt entspringen einer primär gesundheitspolitischen Prämisse: Derzeit sollen möglichst keine Notschlafstellen frequentiert und auch keine Wohnungsbesichtigungen durchgeführt oder Haushalte zusammengelegt werden. Das gesundheitspolitische Engagement ist zu schätzen. Allerdings wird damit auch ein politisches Statement gesetzt. Nämlich in der Frage, wer wie viel der ökonomischen Kosten dieser Krise tragen wird. Augenscheinlich sind es nicht die Immobilienbesitzenden, denn ihre Rendite wurde samt Zinszahlung bereits jetzt sichergestellt.
Wer zahlt die Kosten?
Die österreichischen Haus- und Grundbesitzer_innen sehen sich trotzdem als «einzige Träger des wirtschaftlichen Risikos dieser Krise» und blasen in einer Presseaussendung bereits zum Klassenkampf von oben. Unter traditioneller Sorge um «die kleinen und mittleren Eigentümer», versteht sich. Empirische Studien zeigen allerdings, dass in Österreich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtungen fast ausschließlich an die einkommensstärkere Hälfte der Bevölkerung geht und erst bei den obersten zehn Prozent einen größeren Anteil der laufenden Einkommen ausmacht. Zugleich haben Immobilienbesitzer_innen seit der Finanzkrise 2008 von stetigen Wertsteigerungen ihrer Immobilien und deutlich über der Inflation steigenden Mieten profitiert.
Gibt es keine politische Entscheidung, die wirtschaftlichen Kosten der laufenden Krise aktiv zu verteilen, wird der Großteil genau die treffen, die auch in ihrer Lebensrealität am härtesten durch das Coronavirus getroffen wurden. Also diejenigen, die in prekären Arbeitsverhältnissen sind oder eben waren und auch keine Eigentumswohnung zur Vermietung besitzen. Im besten Fall eilt dann der Staat doch noch zu Hilfe und versucht durch Maßnahmenpakete und Sozialleistungen einen Teil der Kosten abzufangen. Ganz nach dem altbekannten Muster: Verluste werden vergesellschaftet, Gewinne privatisiert. Ein vermeintlich «unpolitisches» Krisenmanagement heute ist nichts anderes als eine politische Entscheidung für die Verschärfung der bestehenden sozialen und ökonomischen Ungleichheit morgen.
Die Autor_innen arbeiten am Institut für Raumplanung der TU Wien.