Raiffeisen im Osten verpatzt Rating der Republik
Im großen Geschrei der Medien über die Herabstufung der österreichischen Bonität durch Standard & Poors geht ziemlich unter, dass das Ostengagement der heimischen Banken mit der Raiffeisen Bank International an der Spitze für diese Entwicklung mit verantwortlich gemacht wird. Das ist das Ergebnis, wenn die von der genossenschaftlichen Basisorganisation über Aktiengesellschaften abgekoppelten Spitzen des Konzerns es vorziehen, ins Kasino (sprich: auf internationale Finanzmärkte) zu gehen, statt mit viel Kleinarbeit dafür zu sorgen, dass die bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe beim Verkauf ihrer Produkte an die diversen Genossenschaften auf ihre Gestehungskosten kommen.Wenn es dem Esel zu gut geht, heißt es, begibt er sich aufs Eis zum Tanzen. Den Raiffeisen Geldsektor zog es in diesem Fall nach Osten. Die Raiffeisenzentralbank (RZB) bzw. ihre Tochter Raiffeisen Bank International (RBI) gilt als Pionier in der Erschließung der Ostmärkte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Laut «Presse», die bei der Angabe der RBI-Märkte in Zentral- und Osteuropa zwischen 17 und 18 Ländern schwankt, verfügt das Institut dort über 3000 Geschäftsstellen mit 60.000 Mitarbeitern und 13,5 Millionen Kunden.
Das Engagement der heimischen Banken in dem Hoffnungsgebiet, das bis vor Kurzem satte Gewinne abgeworfen hat, wird auf 300 Milliarden Euro geschätzt. Rechnet man das um auf Schilling, ergibt sich eine Summe, die jenseits jeder Vorstellungskraft liegt. Der Löwenanteil davon fällt auf die Raiffeisengruppe als Nummer 1 unter den heimischen Banken.
Die Wahrnehmung der Chancen im Osten hat den österreichischen Geldsektor übrigens vor der Pleite mit den berüchtigten Paketen von unzureichend abgesicherten Immobilienkrediten aus den USA bewahrt. Nicht weil Raiffeisen & Co. das Manöver durchschaut hätten, sondern weil sie dasselbe System in Ländern wie Ungarn selbst angewandt haben. Mittlerweile ist der TV-Werbespot der Giebelkreuzler berühmt, in dem eine Bankberaterin von den Einkommensverhältnissen der Kreditwerber nicht das Geringste wissen will.
Subprime und Fremdwährungen
Zwei Faktoren haben den österreichischen Banken im Osten gewissermaßen ein Spiegeleis verschafft:
Einerseits die massive Vergabe von Krediten für Häuser oder Wohnungen bzw. Leasingverträgen für Kraftfahrzeuge ohne ausreichende Sicherheiten der Schuldner. Eine Eins-zu-eins-Parallele zu den Subprime-Papieren der US-Banken, die in großem Umfang bei deutschen Landesbanken gelandet sind.
Andererseits die Vergabe dieser Verträge in Fremdwährungen (in Ungarn etwa statt in Forint in Schweizer Franken oder japanischen Yen). Laut «Frankfurter Allgemeine Zeitung» basiert die Hälfte der im Osten aushaftenden Kredite österreichischer Banken auf Fremdwährungsverträgen.
Dabei ist eine explosive Mischung entstanden: Die auch im Osten akute Wirtschaftskrise beeinträchtigt die Zahlungsfähigkeit der Bankkunden. Durch die Notierung ihrer Schulden in den wertmäßig gegenüber den Heimwährungen stark gestiegenen Kursen von Franken und Yen tut sich eine zusätzliche Finanzierungslücke auf, die von den Betroffenen nicht mehr bewältigt werden kann. In Ungarn hat die Regierung dafür gesorgt, dass die Banken zwei Drittel der Kosten für fällige Umschuldungen selbst tragen müssen.
Reichen die Reserven?
Eine Folge dieser Entwicklung meldete der «Standard» in der Weihnachtsausgabe mit der Schlagzeile «RBI schießt 350 Millionen in Ungarn nach». In dem dazugehörigen Bericht hieß es weiter: «Die RBI hat in den ersten neun Monaten des Jahres 286 Millionen Euro Verlust geschrieben. Als Reaktion will die RBI ein Sparprogramm umsetzen: Elf Prozent der 3188 Mitarbeiter und zehn Prozent der 141 Filialen sollen in den kommenden Monaten abgebaut bzw. zugesperrt werden.»
Der eigentliche Hammer besteht jedoch in der generellen Unsicherheit der Geldgeschäfte im Osten. In Verbindung mit den neuen Kapitalvorschriften der EU (bis Juni soll die Kernkapitalquote auf 9 Prozent steigen) und den Auflagen der Nationalbank für die Ostaktivitäten der heimischen Banken müssen Raiffeisen & Co. deutlich mehr Eigenmittel aufbringen. Verblüfft stellte RBI-Chef Herbert Stepic laut «Presse» fest: «Plötzlich ist Raiffeisen das österreichische Institut mit dem höchsten Kapitalbedarf.» Weiter heißt es: «In Summe soll der Raiffeisenkonzern, Mutterkonzern der börsennotierten RBI, 2,5 Milliarden Euro auftreiben.» Mehr als die Regierung heuer an Budgeteinsparungen plant!
Zuletzt wurde ein Plan vorgelegt, nach dem der Konzern diese Auflage aus eigener Kraft (durch Mobilisierung von Reserven der RZB und der Landesbanken) schafft. Was aber, wenn es im Osten weiter bergab geht? Die Auguren haben zu Recht befürchtet, dass sich das negativ auf die Bewertung der Republik durch die berüchtigten Rating-Agenturen auswirken wird. Mit dem gegenwärtig heruntergespielten Verlust des Tripple A durch Standard & Poors haben alle österreichischen Steuerzahler_innen den Scherm auf.