«Etwas bewirken»vorstadt

Lokalmatador

Andreas Lechner hilft gerne beim Aufbau von Neuem. Zurzeit setzt er sich für Sindbad ein. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto)

Der junge Mentor ist zufrieden, in der Coaching-Zone eines Atzgersdorfer Sportplatzes. Er erzählt, dass er seine ersten beruflichen Erfahrungen als solide ausgebildeter Unternehmensberater bereits hinter sich hat. Und dass ihm sein Ehrenamt bei Sindbad immer positiv in Erinnerung bleiben wird. Sein Mentee, der in Kürze zum Rugbytraining aufs Feld laufen wird, nickt. Er erinnert sich, dass man ihm in einer Neuen Mittelschule in Simmering wenig Hoffnung machen wollte, dass er aber dank Sindbad das nötige Selbstvertrauen tanken konnte. Vor kurzem hat er die von ihm angestrebte Lehre begonnen.

Es sind Momente wie diese, die Andreas Lechner Gewissheit verschaffen: Dass er sich nicht verrannt hat. Dass sein Engagement für die private Bildungsinitiative Sindbad in die richtige Richtung weist. Dass es Sinn macht, Schüler_innen aus Neuen Mittelschulen von außen zu coachen, damit sie in einem entscheidenden Moment ihres Lebens nicht untergehen. Sindbad, der sagenhafte Seefahrer, hätte gewiss Freude mit ihm.

Sieg im Tie Break.

«Ich war zehn, als sich meine Eltern scheiden ließen», sagt Lechner an einem anderen Tag im Sindbad-Büro auf dem Sparkassaplatz. Er spielte als Zehnjähriger sehr gerne und auch sehr gut Tennis. Doch er wurde von einem Tag auf den anderen zu einer Art Filzkugel, die zwischen den Eltern hin- und herflitzte, auch räumlich, weil die Mutter im Heimatort blieb und der Vater in die nahe gelegene Bezirkshauptstadt Hartberg zog. Und er war 17, als er sich anschickte, die siebente Klasse gleich drei Mal zu wiederholen. Dem Steirer ist somit die innere Zerrissenheit seiner Wiener Klientel, für die er sich stark macht, nicht ganz fremd.

Der Weg zur Matura war für ihn hart umkämpft, um noch einmal die Sprache der Sportreportage zu bemühen. Er fühlte sich an wie ein Tennisspiel im fünften Satz, mit Tie Break am Ende. Doch er behielt einen langen Atem. Und setzte sich durch. Wer waren eigentlich seine Mentor_innen? Der Sindbad-Gründer muss nicht lange nachdenken: «Meine Eltern, verständisvolle Lehrer_innen und vor allem meine Tennistrainer.»

Früh hat Andreas Lechner in seiner Mittlerrolle zwischen Vater und Mutter gelernt, mehrere Seiten zu hören und nicht eindimensional zu denken. Es mag somit kein Zufall sein, dass er nach der Matura nach Wien fuhr, um dort zwei Studien parallel zu beginnen: Betriebswirtschaft und Politikwissenschaft. Für Politik hat er sich immer schon interessiert, aber nur über Politik nachzudenken, das war ihm damals schon zu wenig. Sein Credo: «Ich möchte auch etwas bewirken.»

Wer in dieser Stadt, in diesem Land etwas bewirken möchte, muss weitere Wege gehen als andere. Sein Weg führte zunächst zu einer politischen Partei, die zumindest mit ihrem Namen das Neue für sich reklamiert. «Ich habe das nicht geplant», betont Andreas Lechner. Nach Abschluss seines Studiums hat er einen Job gesucht. Weil er in der großen Stadt kaum jemand kannte, hat er «Politikberatung Wien» in die große Suchmaschine eingegeben. Und die Maschine hat ihm nur einen Treffer angezeigt: die Firma eines gewissen Matthias Strolz. «Er hat mich beim Vorstellungsgespräch nach fünf Minuten gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, bei der Gründung einer neuen Partei mitzuhelfen.»

Es folgten spannende Monate für einen jungen Akademiker, der in allen Gremien sofort Verantwortung übernehmen durfte. «Ich habe den Einzug der NEOS im Parlament und im Rathaus miterlebt», so Lechner. Er sagt das nicht unbedingt euphorisch. Für einen, der lieber etwas aufbaut als verwaltet, kam auch bereits im Herbst 2016, nach den Wiener Gemeinderatswahlen, der Zeitpunkt, der Berufspolitik wieder den Rücken zu kehren.

Achtzig Gespräche.

Auf einer längeren Reise durch Südamerika und nach achtzig Gesprächen in Wiener Kaffeehäusern hat er gemeinsam mit einem Freund Sindbad gegründet. «Ich habe eine Zeitlang überlegt, ob ich mich für ältere Menschen am Arbeitsmarkt, für die Demokratie oder für faire Bildungschancen engagieren soll», erzählt er. Am Ende hat er sich auf jenes Aktionsfeld konzentriert, auf dem er eigene Erfahrungen einbringen kann.

Seit der Vorstellung von Sindbad vor zwei Jahren wurden insgesamt 280 Mentor_innen ausgebildet und mit 280 Schüler_innen zusammengebracht. Derzeit läuft bereits der fünfte Turnus. Die Erfolge der Teilnehmenden ziehen erste Kreise. In einigen Wiener Schulen wurde erkannt, dass die jungen Seefahrer_innen Gegenwind aus den Segeln nehmen können. Die Nachfrage ist ungebrochen, das Lob von Bildungsexpert_innen beachtlich. «Eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Stadtschulrat könnte uns ganz sicher helfen», erklärt Andreas Lechner im Sindbad-Büro. «Doch die gibt es leider noch nicht.»

Noch ist also viel zu tun. Soeben wurde das Mentorenprogramm Sindbad nach Wiener Neustadt exportiert, eine Ausweitung auf andere österreichische Städte soll folgen. Doch einer wie Andreas Lechner denkt insgeheim auch schon wieder einen Schritt weiter. Der 33-Jährige möchte sich in der nächsten Phase seines Lebens für ein internationales Friedensprojekt engagieren.

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