«Etwas Sinnvolles»vorstadt

Lokalmatadorin

Jasmin Waitzbauer hat schon als junge Frau ihre Berufung gefunden: in der Altenpflege. Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang

Mit der Frau Fijala unterhält sie sich auch heute ausführlich. «Und immer wieder gerne.» Die Frau Fijala vertritt nebenbei die Interessen und Wünsche der Bewohner_innen im Caritas-Pflegewohnhaus Sankt Teresa in Stadlau. Die alte Dame ist stets adrett gekleidet und schön frisiert. Und wenn sie aus ihrem Leben erzählt, dann kann sie dabei aus dem Vollen schöpfen.
Jasmin Waitzbauer hört ihr interessiert zu. Sie selbst ist noch nicht einmal 26 Jahre alt. Seit eineinhalb Jahren arbeitet sie im zweiten Stock des Wohnhauses – als Pflegeassistentin. Sie widerspricht damit einem gängigen Klischee, wonach Pflege kein Beruf sei, in dem junge Menschen eine selbstbestimmte Karriere machen können. Ihre persönliche Erfahrung: «Bis zum heutigen Tag habe ich meine Berufswahl noch keine Sekunde bereut.»
Die Bestätigung, die sie bei der täglichen Arbeit mit alten Menschen findet, beschreibt sie so: «Es ist einfach schön, wenn du nach einem Dienst heimgehen kannst und dir denken darfst, dass du etwas Sinnvolles geleistet hast.»

Hoffnungsträgerin.

Schon als Kind, erzählt die Donaustädterin dann, wollte sie sich «im Sozialbereich engagieren». Nach ihrer Matura in einem Gymnasium im 22. Bezirk hat sie ihren Vater, dem ein Bein amputiert werden musste, als Angehörige gepflegt. Zunächst im Spital, später auch zu Hause. «Da habe ich bemerkt, dass ich gut mit älteren Menschen kann.»
In der Tat kann sie das gut. Wenn Jasmin Waitzbauer eine der Wohnküchen im zweiten Stock betritt und dort mit einem freundlichen Lächeln das Frühstück serviert, zaubert sie den Bewohner_innen ein Lächeln in ihr Gesicht. Ihre Ausstrahlung wirkt in der Sekunde – stärker als manch tief sitzende Frustration der zum überwiegenden Teil sehr betagten Menschen.
Die ausgebildete Pflegeassistentin ist eine von derzeit 12.339 Profis, die in der langfristigen Altenbetreuung in Wien beschäftigt sind. Sie ist auch eine Hoffnungsträgerin dieser Stadt, die aufgrund ihres schnellen Wachstums und aufgrund der höheren Lebenserwartung ihrer Bewohner_innen schon in naher Zukunft deutlich mehr professionelle Pflege benötigen wird.
Dazu markante Zahlen: Bereits im Jahr 2030 werden in Wien 300.000 Männer und Frauen über 65 Jahre alt sein. Daher gehen die Fachleute davon aus, dass bis dahin in den Wohn- und Pflegehäusern um 30 Prozent mehr Plätze und somit alleine in der Langzeitpflege 9000 neue Jobs geschaffen werden müssen.

Fingerspitzengefühl.

Positiv überrascht haben Jasmin Waitzbauer die Reaktionen in ihrem privaten Umfeld auf ihre Berufsentscheidung: «Gut, meine Eltern haben sich am Anfang schon Sorgen gemacht. Sie haben befürchtet, dass das viele Heben für mich körperlich zu anstrengend sein wird.» Mit einem Lächeln fügt sie hinzu: «Inzwischen sind sie stolz auf mich.»
Und ihr Bekannten- und Freundeskreis? «Da sind alle sehr aufgeschlossen und bedanken sich sogar. Einige sagen respektvoll, dass sie meine Arbeit nicht machen könnten.»
Vor allem die unregelmäßigen Dienste (auch in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen) sowie die nicht immer konfliktfreie Kommunikation mit Menschen, die nicht mehr alles hören können oder seit Jahren mit chronischen Schmerzen leben, müsse man akzeptieren lernen.
Wenn sich etwa eine ältere Dame beim Abendessen echauffiert, weil sie statt «Brot mit Schinken» irrtümlich «Brot, kein Schinken» versteht, auch noch nach der vierten lautstarken Wiederholung, muss die junge Pflegeassistentin einiges an Geduld und Fingerspitzengefühl aufbringen. Und die Einsicht, dass viele Reaktionen der Bewohner_innen nicht auf Bösartigkeit beruhen.
Auch mit ihrem Einstiegsgehalt von etwas mehr als 1700 Euro netto pro Monat könne sie leben, erklärt Jasmin Waitzbauer auf Nachfrage: «Das ist in Relation zu meiner einjährigen Ausbildung durchaus ordentlich.» Was sie ebenfalls auf ihrer Habenseite sieht: «Ich muss mir keine Sorgen um meine berufliche Zukunft machen.» Als Pflegeassistentin könnte sie jederzeit ihren Arbeitgeber wechseln. «Wer kann das noch in meiner Generation?»
Zudem hat sie die Möglichkeit, sich in ihrem Metier in viele Richtungen weiterzuentwickeln: «Ich interessiere mich konkret für die Ausbildung zur Fachsozialbetreuerin. Die dauert auch ein Jahr.»
Nachtdienste sind weiterhin eine Herausforderung für die junge Frau: «Da bin ich alleine im zweiten Stock, zuständig für 36 Menschen.» Zuvor geht es heute Abend aber noch zum allwöchentlichen Heurigen im ersten Stock: mit einer gut gelaunten Bewohnerin am Arm, der sie in ihr Dirndl geholfen hat.

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