«Etwas Verbindendes»vorstadt

Lokalmatadorin

Elisabeth Falkinger zeigt mit ihrem Traktor: Europa reicht weit über Ottakring hinaus.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Vor ihrem Küchenfenster trotzt ein alter Weichselbaum seit vielen Jahren seiner an sich bösartigen Erkrankung. Zwischen Baum und Eingangstür wächst in einem Beet französischer Estragon, ebenso robust wie würzig duftend. Und im hinteren Teil des Hinterhofs erfreut sie ein Blick auf das Wermutskraut, im Volksmund auch Bitterer Beifuß genannt.
Elisabeth Falkinger liebt diesen Hinterhof an der Ottakringer Straße, nur wenige Schritte von ihrem ebenso geschätzten Café Ritter entfernt. Er ist für sie ein Ruhe-, ein Rückzugsort mitten in der Stadt. «Irgendwie erinnert er mich auch an die geschützten Innenräume der Vierkanthöfe im oberen Mühlviertel», meint die von dort stammende Oberösterreicherin.
Als Landschaftsdesignerin und Kulturvermittlerin bemüht sie sich, den Hof als ein Reservat von Alt-Ottakring zu belassen und ihm gleichzeitig neue Akzente zu verleihen. Das freut übrigens auch ihre hiesige Nachbarschaft.

Oregon.

Zur Landschaftsdesignerin ausgebildet wurde Elisabeth Falkinger in der Gartenbauschule in Langenlois und an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Mit 18 übersiedelte sie für eineinhalb Jahre an die Westküste der USA, in den Bundesstaat Oregon, um dort vom kollektiven Know-how einer Community zu lernen, die bis heute dank der fruchtbaren Böden von der Landwirtschaft lebt.
«Die sind uns dort um einige Jahre voraus», erzählt die Wahlwienerin mit dem grünen Daumen und dem feinen Sinn für die Kunst. «Was ich als Studentin gesehen hatte, tauchte bei uns erst auf, als ich hier zu arbeiten begann.»
Als Mitgesellschafterin bei «Plan B» lautet ihr Plan A: «Ich möchte bei jedem Projekt Lösungen finden, die meinen Auftraggeber_innen ebenso gefallen wie mir selbst.» Als Künstlerin spannt sie darüber hinaus einen großen Bogen, der vom oberen Mühlviertel bis nach Oregon und von Ottakring bis in den Osten Europas reicht.
Oberes Mühlviertel? Elisabeth Falkinger erzählt, dass sie mit ihren beiden Geschwistern in einer gut 500 Jahre alten Mühle aufgewachsen ist. «Diese kleine Mühle betreiben meine Eltern in vierter Generation. In der Bäckerei nebenan backen sie dreimal pro Woche frisches Brot, und ein kleines Sägewerk ist auch noch angeschlossen.»

Ostalgie.

Das alles klingt stimmig. Doch so richtig aufblühen wird Elisabeth Falkinger erst, wenn sie von ihrem Traktor erzählt: «Den habe ich vor acht Jahren in einem kleinen Dorf in der Ukraine gekauft, und ich habe ihn dann bis nach Oberösterreich gelenkt.»
Der Traktor bietet Bühne und Projektionsfläche für ihr groß angelegtes Kunstprojekt. Zum ersten Mal gesehen hat sie ihn in dem Dorf Königsfeld, im Westen der Ukraine. Königsfeld heißt tatsächlich Königsfeld und liegt gleich neben Russisch- beziehungsweise Deutsch-Mokra als Teil einer bald 300 Jahre alten deutschsprachigen Enklave.
«Es war unter Maria Theresia», weiß Elisabeth Falkinger. Damals machten sich Menschen aus der Forst- und Landwirtschaft des Salzkammerguts auf den Weg – in den Osten der Monarchie, nach Transkarpatien. «Sie bekamen dafür Land, vor allem Wald, das sie kultivieren und bewirtschaften sollten.»
Der Traktor ist ein altes Sowjet-Fabrikat mit der Bezeichnung «T-16», für das sie nur mit Mühe Ersatzteile bekommt. Mit ihm möchte Elisabeth Falkinger veranschaulichen, dass wir Europa endlich größer denken müssen, dass die kulturelle Vielfalt des Kontinents nicht an den immer noch mental verfestigten Grenzen des Kalten Krieges enden muss.
So bleibt es für die Kulturvermittlerin unverständlich, warum es so gut wie unmöglich ist, für ihren Traktor eine EU-konforme Zulassung zu erwirken. Ein Symbol für die West-Arroganz? «Jedenfalls bin ich auf den guten Willen der Behörden angewiesen, wenn ich mit dem Traktor zu einer Ausstellung fahren möchte.» Im Moment parkt der Oldtimer übrigens in einem Kunstraum unweit ihres Hinterhofs.

Ottakring.

In Ottakring schließt sich auch ihr eigener Kreis. «Manchmal sitze ich in unserem Garten, um mich inspirieren zu lassen», sagt Elisabeth Falkinger entspannt.
Hierorts bläst die Tochter einer Mühlviertler Müllersfamilie auch die Tuba, als Mitglied der Musikarbeiterinnenkapelle. «Die Tuba hat für mich etwas Verbindendes», erläutert sie. Sie sei somit mit ihrem eigenen Wesen durchaus kompatibel. Ebenso leidenschaftlich und ortsnah spielt sie Altflöte, beim ersten Ottakringer Blockflötengewitter.
Ihre nächste Station: ein Kreisverkehr in Erdberg. «Dort bin ich im Team des Filmemachers Christoph Schwarz. Gemeinsam mit Anrainer_innen pflanzen wir im Kreisverkehr Kartoffeln an.»