Fällt der Milchgroschen?tun & lassen

Über Kuhbauernhöfe, die nicht mehr Raiffeisen-Betriebe beliefern

Milchgroschen wird der Produzentenmilchpreis genannt, der von den Molkereien an die Milchbäuerinnen und -bauern bezahlt wird. Von seiner Höhe hängt die Existenz der weiterhin zwar zurückgehenden, aber immer noch zahlreichen kleinen und mittleren Milchbauern und -bäuerinnen ab. Die einschlägigen Genossenschaften wurden ursprünglich gegründet, um den Milchproduzent_innen ein Einkommen zu sichern, mit dem sie auskommen können bzw. der zumindest ihre Produktionskosten deckt.Raiffeisen hat auf dieser Grundlage einen Siegeszug angetreten, der dem Konzern mit einem Anteil von 99 Prozent im Aufkauf der Rohmilch eine marktbeherrschende Rolle eingetragen und die gesamte Gruppe an die Spitze der österreichischen Wirtschaft geführt hat. Dort angelangt, interessieren die führenden Exponenten der Gruppe sich allerdings weniger für das Schicksal der kleinen und mittleren Bäuerinnen und Bauern, sondern für Geschäfte im großen Stil auf dem Geld-, Immobilien- und Industriesektor.

Mit den genossenschaftlichen Basisorganisationen im Rücken geigen sie mittels Aktiengesellschaften und Beteiligungen in Branchen aller Art groß auf. Und verzocken, wie gerade die Entwicklung der Raiffeisen Bank International (RBI) in Osteuropa beweist, das Geld der heimischen Genossenschafter_innen und Steuerzahler_innen. Aufgrund unzureichend abgesicherter Kreditvergaben vorwiegend in Fremdwährung entstand ein Abschreibebedarf in der Höhe von hunderten Millionen Euro.

Zum Ausgleich nagen die mittleren und kleinen Milchbäuerinnen und -bauern seit geraumer Zeit am Hungertuch. Sie sind jedenfalls mit einem Erzeuger_innenmilchpreis konfrontiert, der weit davon entfernt ist, die Produktionskosten zu decken. Zuletzt lag der Milchgroschen, den die Molkereien an sie gezahlt haben, bei 35,7 Cent pro Kilo. Erna Feldhofer, geschäftsführende Obfrau der IG Milch (eine Bauernvereinigung, die für faire Milchpreise kämpft) sagte dem Augustin, dass die Gestehungskosten für kleine und mittlere Bäuerinnen und Bauern gegenwärtig bei mindestens 47 Cent liegen.

Klar, dass für die Sammlung der Rohmilch und ihre Verarbeitung in Trinkmilch und die breite Palette von weiteren Molkereiprodukten und für die Logistik zur Belieferung des Einzelhandels und der Supermarktketten weitere Kosten anfallen. Die Differenz zwischen Milchgroschen und Endverbraucher_innenpreisen, die in Supermärkten je nach Marke und Qualität derzeit zwischen 87 Cent und 1,19 Euro betragen, ist nicht von schlechten Eltern. Nach Umfragen zeigen die Konsument_innen sich durchaus bereit, für heimische Qualität notfalls mehr zu zahlen.

Die marktbeherrschenden Handelsketten benützen möglichst niedrige Milchpreise als Magnet, um Kund_innen anzulocken. Mit der einzigartigen Marktmacht könnte Raiffeisen dieser Praxis einen Riegel vorschieben. Rewe, Spar & Co. kontern mit der Drohung von Billigimporten. Auf der Strecke bleiben die Milchbäuerinnen und -bauern, denen weisgemacht wird, dass «am Markt» nicht mehr zu holen sei.

Frau Feldhofer erklärte im Augustin-Gespräch, dass die Milchbäuerinnen und -bauern am kürzeren Ast sitzen, weil mehr Produktionskontingente vergeben werden, als von den Molkereien unbedingt gebraucht werden, um ihre Produktionsanlagen voll auszunützen. Diese tendenzielle Überproduktion erlaubt es den Aufkäufer_innen, die Preise zu drücken. Dabei ist interessant, dass jene Molkereien, die von Deutschland das österreichische Rohmilchangebot nützen, den höchsten Milchgroschen zahlen, während die heimischen Abnehmer_innen deutlich weniger bieten.

In der offiziellen Statistik werden folgende Akteur_innen auf diesem Markt angeführt: die drei deutschen Molkereien Bergader, Berchtesgardener Land und Jäger sowie die heimischen Spieler , im Wesentlichen aus dem Raiffeisen-Team, OM (Obersteirische Molkerei), Gmunden, Ennstal Milch, NÖM, Woerle, Alpenmilch Salzburg, Kärntner Milch, Bergland Milch, Stainzer Milch, Tirol Milch, Pinzgauer Milch und Käsehof. Da diese Molkereien bzw. Milchsammelstellen im Großen und Ganzen über eine regionale Monopolstellung verfügen, sind die einzelnen Lieferanten ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Die in der IG Milch organisierten Bäuerinnen und Bauern wollen sich dieses Diktat nicht gefallen lassen und haben sich zur Initiative Freie Milch Austria zusammengeschlossen. Die mittlerweile 587 Mitglieder liefern ihre Milch an die neue Organisation, die wiederum die Rohmilch (derzeit immerhin 77 Millionen Liter pro Jahr) zu Bestpreisen weitervermarktet. Das Beispiel zeigt, dass die Landwirt_innen die sinnvolle genossenschaftliche Zusammenarbeit neu entwickeln müssen, um auf einen grünen Zweig zu kommen. Ausschlaggebend dafür ist die Entfremdung der Raiffeisen-Organisation von der kollektiven Vertretung der unmittelbaren Mitgliederinteressen.

Je weiter der Milchgroschen hinter die Produktionskosten zurückfällt, desto eher müsste bei den Milchproduzent_innen der Groschen fallen: Es liegt auch an ihnen, die dafür verantwortlichen Strukturen gründlich zu ändern oder neu zu gestalten. Um die Marktmacht von Raiffeisen für die Interessen der Milchbäuerinnen und -bauern einzusetzen, scheint massiver Druck erforderlich.

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