Fakt statt Faketun & lassen

Sich hauptsächlich über Online-Plattformen und Soziale Medien zu informieren birgt das große Risiko, mit Falschmeldungen in die Irre geführt zu werden. Fake News zu erkennen ist nicht immer leicht, doch es gibt Hilfe.

TEXT: ELISABETH KLING

Im Digital News Report des Reuters Institute for the Study of Journalism von 2021 nennen zwar überdurchschnittlich viele Österreicher_­innen das Fernsehen als Hauptnachrichtenquelle, aber die Sozialen Medien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Gerade bei den unter 25-Jährigen nutzt die Hälfte mindestens eine Plattform aus dem Meta-Konzern, also Facebook, Instagram und WhatsApp, um sich über das aktuelle Weltgeschehen zu informieren. Dazu kommen Nachrichtendienste wie Twitter, Videoplattformen wie YouTube und TikTok, Online-Karrierenetzwerke wie LinkedIn und Xing und viele andere, die ihre User stetig mit einer Flut von ­digitalen Nachrichten umspülen.
Was alle digitalen Riesen, aber auch jeder privat geführte Blog gemeinsam haben, ist die Möglichkeit, für die ­Nutzer_innen Inhalte aller Art einzubringen. Der Vorteil: Jede_r kann diese nutzen, um nach Belieben Informationen zu posten, also online zu publizieren. Der Nachteil: Die digitale Pluralität, die dadurch entsteht, macht es oft schwer, zwischen ­seriösen Nachrichten und Falschmeldungen zu unterscheiden. Auch die Möglichkeit, Bilder, Videos und O-Töne zu bearbeiten, beziehungsweise zu verfälschen, machen es nicht immer leicht, Falschinformationen oder -meldungen, also Fake News, zu durchschauen.
«Gefällt mir» nicht. Mimikama ist ein ­gemeinnütziger Wiener Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch. Der Name entstammt einer fehlerhaften Google-Übersetzung von «gefällt mir». Der Verein versteht sich als Anlaufstelle für Themen wie Internetbetrug, Falschmeldungen, Computersicherheit und Medienkompetenz und finanziert sich über Vorträge, Workshops und die Vermarktung der Website. Falschmeldungen werden durch investigative Recherche entlarvt, Desinformationen und Manipulationen aufgedeckt. Besonders spannend: Über einen roten «Fake melden»-Button kann jede_r verdächtige Veröffentlich­ungen melden, die dann durch die Faktencheck-Plattform überprüft werden. ­­Je nach aktueller Nachrichtenlage ge­langen so zwischen 40 und 500 Einsendungen pro Tag zu Mimikama.
Die Absicht macht’s. Duden definiert Fake News als besonders in sozialen Netzwerken in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen. «Einmal gibt es die anlassbezogenen Falschmeldungen. Dabei hat jemand etwas nicht richtig verstanden oder auch ungenügend recherchiert und dann einfach falsch weitergegeben», erklärt Andre Wolf den wichtigen Unterschied in Hinblick auf die Absicht beim Verbreiten von Fake News. Wolf ist Kommunikationsexperte, Pressesprecher und Content- und Social-Media-Coordinator bei Mimikama in Wien. «Oft kommt es auch aufgrund von Zeitdruck zu Verkürzungen oder generellen Recherchefehlern. Und dann gibt es eben die absichtliche Desinformation. Das bedeutet, dass jemand wissentlich Inhalte, Videos oder Bilder falsch gestaltet, also bewusst interpretiert oder manipuliert», ergänzt er.

Prebunking statt debunking.

Sendet ein_e Leser_in eine vermeintliche Falschmeldung an Mimikama, betreiben die Faktenchecker_innen das sogenannte «debunking». Es wird dazu recherchiert, das Ergebnis dann auf der Website publiziert. Ein aktuelles Beispiel behandelt einen Fake, der seit März 2022 die digitale Runde auf Social Media macht. «So sieht es übrigens nach einer #FridaysForFuture Demo aus, bei der gegen den Klimawandel protestiert wird Glaubwürdigkeit geht anders» (sic!), darunter ein Screenshot einer Fotocollage, die eine zugemüllte Wiese und ein verschmutztes Seeufer zeigt. Die Intention dahinter: offenbar Stimmung gegen die Klimaaktivist_innen zu machen. Tatsächlich stammen die Bilder aber aus dem Jahr 2019 und zeigen eine Wiese im deutschen Halle nach einer Maturafeier. Viele andere der aktuellen Posts debunken Falschmeldungen in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. «Ideal wäre es aber, ein ‹prebunking› betreiben zu können. Das bedeutet, im Vorhinein aufzuzeigen, wie bestimmte Kommunikationsstrategien und Narrative funktionieren, um Menschen zu rüsten, Falschmeldungen von ganz allein zu erkennen», so Wolf ­weiter. Hierzu bietet Mimikama Kurse und Workshops an, auch für Organisationen und Schulgruppen. «Wir zeigen nicht, was richtig oder falsch ist, sondern wir versuchen Menschen mitzugeben, wie sie Desinformationen, Manipulationen und diverse Konstruktionen erkennen können», erklärt Wolf die Kursinhalte.

Hilfe und Tipps.

Mimikama ist eine der vielen Plattformen, die sich dem Kampf gegen die Verbreitung von Fake News angenommen hat. Die von der EU geförderte Initiative Saferinternet.at gibt ­einen Überblick zu deutschsprachigen Organisationen, die Faktencheck anbieten. Internationale Faktencheck-Plattformen sind unter anderen Bellingcat (Niederlande), Faktabaari (Finnland), Faktograph (Kroatien), Full Fact (Großbritannien) und FactCheck.org (Vereinigte Staaten). Auch das spendenfinanzierte ­deutsche Recherchezentrum CORRECTIV möchte Medienkompetenz fördern und gibt Tipps, wie man Fake News erkennen kann. Generell sind diese Fragen die richtigen: Wer verbreitet die Meldung? Ist die Meldung manipulativ? Und: Ist die Geschichte überprüfbar?
Erst sollte man kontrollieren, wer hinter einer Nachricht, einem Tweet oder ­einem Posting steht. Gibt es eine ­Website, ist das Impressum ein guter Anhaltspunkt. Gibt es kein Impressum, könnte das schon ein Hinweis auf eine ­unseriöse Quelle sein. Findet sich im Impressum eine unbekannte Firma oder Adresse, zahlt es sich aus, den Betreibenden zu recherchieren. Bei einer Information, die ­einen oder eine über WhatsApp oder andere Nachrichtendienste erreicht, lohnt es sich, Teile des Texts zu googeln, um zu überprüfen, ob dazu eventuell schon Faktenchecker_innen am Werk sind.
Ob ein Bild schon in einem anderen Kontext aufgetreten ist, kann man durch eine Bilder-Rückwärtssuche auf ­Google Bilder überprüfen. Dazu das heruntergeladene Bild in die Suchleiste ­ziehen. Verwendet man Chrome als Browser reicht dafür die rechte Maustaste und «an ­Google Lens schicken». Sind ­Quellen unklar oder nicht ersichtlich, gilt es, besonders aufmerksam zu sein, ob ­diese statt einer seriösen ­Interessengruppe oder unab­hängigen Forschungseinrichtung eher einer privaten Feder entstammen. Wenn Qualitätsmedien ein Thema aufgreifen oder unabhängige Quellen ein Ergebnis bestätigen, ist man höchstwahrscheinlich auf der sicheren Seite. Falschmeldungen kommen oft jedoch stark emotionalisiert daher, was zu mehr Klicks und häufigerem Weiterleiten führen soll. Also Vorsicht bei reißerischen Formulierungen und auffälligen Bildcollagen!

Confirmation bias.

Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zur Wahrheitsfindung ist die menschliche Neigung Informationen so zu suchen und zu filtern, dass sie die eigenen Erwartungen möglichst bestätigen. Was die eigenen Annahmen widerlegt, wird oft ausgeblendet. Wolf warnt vor diesem Bestätigungs-Fehler (engl. confirmation bias): «Wir suchen ja meist nach den Informationen, die uns bestätigen. Diesen Fehler sollten wir unbedingt vermeiden. Sich dessen bewusst zu sein, kann schon viel helfen. Dann einfach Abstand nehmen und überprüfen, wie sieht die Information, die mir vorliegt, wirklich aus? Welche Fakten liegen vor?»
Auch wenn es der hektische Alltag nicht immer erlaubt, rät Wolf, sich generell Zeit zum Konsumieren von Informationen zu nehmen und dafür, Inhalte in Ruhe für sich zu bewerten. Eigentlich sagt das Mimikama-Firmen-Motto alles dazu aus: «Erst denken, dann klicken.» Und dann immer weiterdenken beim ­Weiterklicken.

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