Fehler finden liegt mirtun & lassen

Augustinerin Nadine Kegele

2015 sagte die damalige Familienministerin Sophie Karmasin in ­einem Zeitungsinterview, also sinngemäß, dass Menschen ohne Geld eben zu wenig Geduld hätten, um Erfolg (und damit Geld) zu ernten. Das hat mich irrsinnig aufgeregt, daraufhin habe ich der Zeitung einen Kommentar angeboten. Nachdem die ihn nicht wollte, schrieb ich dem Augustin – seitdem bin ich ab und an als freie Mitarbeiterin dabei, und seit Kurzem auch als Kolumnistin und Lektorin für ein Jahr. (Anm. d. Red.: Der Kommentar «Heute wäre mir danach, eine Ministerin zu bestrafen» ist auf www.augustin.or.at nachzulesen.) Die kreative Schreibauszeit von Richard Schuberth ist mein Glück. Für mich ist das Lektorieren ein gutes Zubrot zur eigenen schriftstellerischen Arbeit, die sich jetzt, als frische Mutter, gerade noch schwierig gestaltet. Als Lektorin bin ich für keine Kreativleistung zuständig, nur für die Fehler. Und: Ich bin die erste Leserin jeder Augustin-Ausgabe.
Fehler finden liegt mir. Ich bin perfektionistisch. Vielleicht eine Kinderkrankheit. Ich wollte nie negativ auffallen. Ich habe nach einer Lehre und Jahren als Sekretärin auf dem Zweiten Bildungsweg studiert, arbeite heute als Schriftstellerin und in der Erwachsenenbildung, aber entstamme eben der Arbeiter:innenklasse. Wir waren sechs Kinder, die Mutter Alleinerzieherin, am Ende vom Geld war immer zu viel Monat übrig. In den diversen Dörfern in Vorarlberg, wo ich aufgewachsen bin, fiel Armut schnell und eben negativ auf.
Den Augustin habe ich lange Jahre als Sozialprojekt abgespeichert und nicht – das klingt jetzt total böse – als Zeitung, die ich auch lesen könnte. Bis ich einmal in der ­U-Bahn eine Person den Augustin lesen sah, ganz ernst, da dachte ich: Interessant! Ich begann ihn zu lesen – und als hochwertige Zeitung wahrzunehmen. Dann eben mein Kommentar. Und seitdem persönliche Verbundenheit. Ich bin keine große Zeitungsleserin, lese mehr Literatur, ich habe das Gefühl, dass ich mich zeitlich entscheiden muss, aber der Augustin begeistert mich einfach, weil die Themen so gut sind, weil er genau meine Interessen trifft, für mich das Richtige anspricht. Allein dass der Augustin bereits gegendert hat, als das Gendern noch belächelt wurde … Ob ich eine Feministin bin? Na klar!

Protokoll: Sónia Melo
Foto: Mario Lang