Feministisch singenArtistin

«Es darf keine Line-Ups von großen Festivals mehr geben, wo zehn männliche Bands nur zwei weiblichen gegenüberstehen.» Elise Mory (li.)­ und Rania Moslam sammeln feministisches Liedgut (Foto: © Jana Madzigon)

Das Album «Re:Composed II» versammelt Arbeiterinnen- und Protestlieder – neu interpretiert von feministischen Künstlerinnen. Kuratiert wurde das Projekt von der Musikerin Elise Mory und der Veranstalterin/Fotografin Rania Moslam.

Neben Musikerinnen wie Beatrix Neundlinger­ und Gustav sind auf «Re:Composed II» auch Bipolar-Feminin-Sängerin Leni Ulrich, die Band Schapka oder Millycent vertreten. Nach welchen Kriterien habt ihr die teilnehmenden Künstlerinnen ausgesucht?

Rania Moslam: Einerseits sind es Musikerinnen, von denen wir einfach Fans sind. Zusätzlich war uns aber auch ein guter Mix zwischen Alt und Jung und zwischen verschiedenen Genres wichtig. Beatrix Neundlinger zum Beispiel ist eine Musikerin, die für ihre Beteiligung an der berühmten Proletenpassion 1976 viel zu wenig Wertschätzung erhalten hat. In der Öffentlichkeit wurde sie oft nur als die Sängerin der Band Schmetterlinge wahrgenommen, und von der Gruppe selbst bei den Kompositionen in punkto Tantiemen nicht beteiligt. Wir haben übrigens die finale Auswahl der Lieder, die wir für das Projekt recherchiert hatten, den Künstlerinnen frei überlassen.

Die elf Stücke auf Re:Composed II widmen sich hauptsächlich dem Thema Arbeit. Es geht aber auch um illegalisierte Abtreibungen, Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen und um den Nationalsozialismus. Steht dahinter viel Recherchearbeit?

Elise Mory: Historische Lieder über Frauenrechte und feministische Kämpfe zu finden, ist nicht einfach, denn es gibt nicht so viele. Zu Beginn des Projekts haben wir die dafür notwendige Recherche ein bisschen unterschätzt. Zusätzlich gilt es ja dann noch herauszufinden: Welchen Hintergrund hat das Lied, wer hat es geschrieben, in welchem Verlag sind die Rechte verlegt etc. Bei manchen Stücken hat es sehr lange gedauert, die wichtigsten Fakten zu recherchieren.

Warum gibt es wenige spezifische Arbeiterinnenlieder?

EM: Beim Besuch im Wiener Volksliedwerk ist uns aufgefallen, dass es thematisch mehr Lieder zum Kampf um das Wahlrecht oder über den allgemeinen Kampf um Frauenrechte gibt. Vielleicht liegt der Mangel an expliziten Arbeiterinnenliedern auch darin begründet, dass die sogenannte Frauenfrage immer als Nebenfrage betrachtet wurde. Es galt die Auffassung, der Arbeitskampf würde bewirken, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, und damit lösen sich alle Ungleichheiten auf. Es gab anscheinend keinen Blick für die weibliche Sicht auf die Arbeitswelt.

Die Recherche für Re:Composed II war für euch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte von 130 Jahren lokaler Frauenrechtsbewegung. Welche Erkenntnisse habt ihr daraus gezogen?

EM: Dass es eine Notwendigkeit gibt, frauenpolitische Themen bzw. Fragen zur Gleichstellung wieder deutlicher anzusprechen. Wir verstehen das Album als eine Möglichkeit zu zeigen, wie der Kampf um Frauenrechte geführt wurde, aber gleichzeitig auch zu signalisieren, dass er vor allem noch nicht vorbei ist. Es ist weiterhin wichtig, sich mit der Geschichte zu beschäftigen und die Auseinandersetzung weiterzuführen. Im Gegensatz zu manchen Strömungen, die behaupten, durch die rechtliche Gleichstellung der Frau sei das Ziel erreicht.

Könnt ihr noch etwas über die Autor:innen der Lieder erzählen, auf die ihr im Laufe der Recherche gestoßen seid?

RM: Wir haben zum Beispiel die englische Folksängerin Sandra Kerr entdeckt, die sich im England der 1980er-Jahre unter Maggie Thatcher mit «No Going Back» mit den damaligen Minenarbeiter-Streiks solidarisiert hat. Der Streik wurde hauptsächlich von Frauen getragen, dauerte ein Jahr und führte bis nach London. Sandra ist mittlerweile 81 Jahre alt, wir hatten mit ihr persönlichen Mail-Kontakt und sie war sehr erfreut, dass ihre Lieder nach all den Jahren wieder Aufmerksamkeit bekommen.

Elise, du bist seit mehreren Jahren bei den Pink Noise-Camps sehr engagiert. Was ist das Ziel dieser Camps?

EM: Das Ganze hat als Mädchenprojekt begonnen, aber die Zeiten haben sich verändert, was wir natürlich sehr begrüßen. Dadurch ist Pink Noise jetzt auf Flinta*-Personen ausgerichtet. Ziel der Camps ist es, eine Band zu gründen und nach einer Woche einen eigenen Song live zu performen. Das Schöne ist, dass dieses Ziel immer erreicht wird. Daneben geht es für die Flintas* auch um Empowerment beziehungsweise darum, die Erfahrung machen zu können, in der Gemeinschaft über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen. So hat sich über die Jahre eine kleine Community entwickelt, in der sich Flinta*-Musiker:innen gegenseitig unterstützen.

Welche strukturellen Maßnahmen wären notwendig, damit Frauen im Musikbusiness zukünftig noch stärker in den Fokus rücken?

RM: Ich finde, in den letzten zehn Jahren hat sich schon viel getan. Generell sehe ich das in erster Linie als Aufgabe der Veranstalter:innen. Es darf in Zukunft keine Line-Ups von großen Festivals mehr geben, wo zehn männliche Bands oder Künstler nur zwei weiblichen gegenüberstehen. Aus unserer Sicht wäre es wichtig, dass mehr Frauen ins Booking oder in Positionen kommen, wo sie kuratieren können. Heutzutage und dank Social Media sind Künstlerinnen viel präsenter als früher, trotzdem sollte es die Aufgabe der Veranstalter:innen und Kurator:innen sein, immer wieder neue Künstlerinnen zu finden, die vielleicht noch nicht so sichtbar sind. Auch die Frauen abseits der Bühne wie zum Beispiel Tontechnikerinnen gehören noch mehr gefördert.

 

Re:Composed II. Arbeiter*innen-Lieder und Songs zu ­feministischen Kämpfen
CD: kostenfrei bestellbar unter ­
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Als Playlist auf allen Streaming-Plattformen
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