Feste feiern, wie sie fallenDichter Innenteil

Chilip in Druk Yul (2)

Nach einigen sonnigen Tagen zur Begrüßung in Thimphu, meiner neuen Heimat für ein Jahr, kündigt sich das Wochenende mit dicken Regentropfen an, die mich am Freitag sanft in den Schlaf lullen.

Foto: Namgay Tshering

Samstag frühmorgens Stille – kein Hämmern von der Baustelle nebenan, keine Autos, das sonst unaufhörliche Bellen der Straßenhunde verstummt. Soll denn das Wochenende in dieser schönen Kleinstadt wirklich eine ruhige Oase sein? Aus dem Fenster geblitzt erkenne ich die großen, weichen Schneeflocken, die sich im Wind wiegen und jedes Geräusch schlucken.

Wenig später stiefle ich dick eingehüllt Richtung Stadt. Mission: genügend Ngultrum (nationale Währung) erstehen, um die erste Miete bezahlen zu können. Bald wird mir klar, heute hat keine Bank offen, die Bankomaten erklären sich solidarisch außer Betrieb, fast alle Läden geschlossen, Schüler_innen laufen durch die Straßen anstatt in den Klassenzimmern zu sitzen … Erster Schneefall des Jahres in Thimphu – Feiertag! An allen Ecken entstehen Schneemänner und -frauen, die Stadt wird zum Schlachtfeld: kein Entkommen, ein Schneeball trifft bestimmt – «Happy First Snow!» Alle machen mit, Kinder und Eltern, junge Frauen und Männer, Omas und Opas, Mönche und Lamas, bhutanische Beamt_innen und indische Arbeiter_innen. Händler_innen bringen sich vor ihren Läden in Stellung, die Straßenseiten werden zu Fronten. Einziger Ausweg: Die Flucht nach vorne – «Happy First Snow!»-Mitstreiter_in werden oder Gegenangriff starten. Und dabei die überschwängliche Ausgelassenheit einer ganzen Stadt spüren und für den Moment vergessen, dass vielleicht auch morgen noch kein Wasser durch die Leitungen in den Häusern fließt, die Stromleitungen vorerst gekappt sind und die Wohnung unbeheizt bleibt. Aber was machen schon ein paar blaue Lippen, wenn sie dafür das erste Mal ein offenes und herzliches Lachen erwidern, das sich mir bisher hinter einem höflich gesenkten Blick verbarg. «Happy First Snow!» – wieder getroffen. Bhutaner_innen wissen, wie man das Leben zu einem Fest macht. So sehr hab’ ich mich noch nie über einen Kälteeinbruch im März gefreut.

Marisa Kröpfl schreibt aus Druk Yul (Königreich Bhutan) von ihren Eindrücken als Chilip, wie Ausländer_innen im Land des Donnerdrachen genannt werden.

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