Neo- und Ex-Österreicher_innen im Simbabwe- und Roma-Pavillon
«Die Idee einer Nation muss als Vorstellung von Gemeinschaft erneuert werden», steht im niederländischen Pavillon auf der Biennale Venedig. Der thailändische Pavillon in einem Kaffeehaus erfindet die eigene Nation «Navinland» und Wachmänner mit Pistolen bewachen den illuminierten Gottvater, fliegend mit Gänsen, von Tintoretto («La creazione degli animali» 1518). Der illuminierte Jesus gibt anderen zu trinken. Simbabwe und die Roma stellten zum ersten Mal aus.
«Die Idee einer Nation muss als Vorstellung von Gemeinschaft erneuert werden», steht im niederländischen Pavillon auf der Biennale Venedig. Der thailändische Pavillon in einem Kaffeehaus erfindet die eigene Nation «Navinland» und Wachmänner mit Pistolen bewachen den illuminierten Gottvater, fliegend mit Gänsen, von Tintoretto («La creazione degli animali» 1518). Der illuminierte Jesus gibt anderen zu trinken. Simbabwe und die Roma stellten zum ersten Mal aus.
Ein kleiner Lichtpunkt im Dunkeln, der näher kommt. Das Scheinwerferlicht eines Lasters breitet sich aus, und der Laster fährt vorbei. Eine afrikanische Frau wacht aus einem Alptraum auf und wäscht sich das Gesicht. Die zerklüftete Landschaft des Traumes wird auf ihre Haut überblendet. Das Video «Ze» von Berry Bickle im Simbabwe Pavillon hinter der Kirche «Santa Maria della Pieta» wirkt in seinen vielschichtigen Überlagerungen wie Malerei. Das Motto der 54. «Esposizione Internazionale dArte» in Venedig spielt mit Doppelbedeutungen: «Illumi Nazioni» bedeutet «erleuchtete, leuchtende Nationen», aber auch als «Illuminazioni» einfach nur «Erleuchtungen». Schade, dass die Biennale-Macher_innen nicht wussten, dass «illuminiert» auf österreichisch «leicht betrunken» bedeutet. Aber auch so machen sich Länder wie Indien, die Niederlande oder Thailand über den Nationen-Gedanken lustig.
Ein riesiges Schachbrett auf dem Boden in einem komplett weißen Raum, statt der Figuren liegen auf der einen Seite italienische Wehrmachtshelme aus dem Zweiten Weltkrieg in den rostroten, auf der anderen Seite bunte Hüte und Schlapfen in den schwarzen Feldern. Tore aus Metallrohren. Ein Holzhut mit Seestern darauf ist der Torwart. Eine Skulptur aus zwei Kürbis-Kalebassen die wie aneinander gesaugt, gedrückt, sich küssend, schwebend in der Schwebe gehalten werden in der Mitte zwischen den beiden Teams bildet die Brücke. «The Theatre Absurd» (2011) heißt dieses riesige Brettspiel. Der Schöpfer dieser Installation, Tapfuma Gutsa, musste Österreich nach mehreren Jahren Aufenthalt 2009 verlassen.
Außerdem schickte ihm seine Mutter eine Video-Botschaft, des Inhalts, dass sie mit Gott geredet hätte, dass er bald wieder nach Simbabwe zurückkehren sollte. Ein paar Wochen später war er schon dort. Nach der Zeit in einem für Künstler_innen oft ungastlichen Österreich, in dem er allein kleine Keramik-Kunststückchen produzierte, arbeitete Gutsa ein Jahr als Vizedirektor der «National Gallery» in Harare. Nun ist wieder große Kunst angesagt.
In Tapfumas zweiter Installation «Rough Justice» (2011) hängt ein geteerter und gefederter Anzug, ein Narrenkostüm!, auf ein Holzgerüst gespannt, aus einem Geldkoffer sprießen Federn, ein Stofftuch mit Euroscheinen bedruckt hängt heraus. «Geschäftsleute sollten für ihre Art, ihre Angelegenheiten zu führen, erniedrigt werden», meint der Künstler. Der Geldkoffer weise auf Simbabwes kürzlichen «economic free fall» hin, aber auch auf die internationale Wirtschaftskrise. Erleuchtungen erwünscht, aber unwahrscheinlich.
Im Arsenale, dem alten Hafen, besticht der aus Holz gebaute «Gellitin Garden» («Some Like it Hot», 2011) mit seinen abgedrehten Sitzmöbeln. Zwei Frauen schaukeln in einer Holz-Hollywood-Schaukel, andere fahren mit den Gondeln-Persiflagen schiefe, krumme Kisten auf Rädern. Die österreichische Künstlergruppe Gelatin hat immer ein spielerisches Element dabei und etwas Soziales. Die Aufsicht, die schöne Schaupielerin Hilaria, erklärt mir das Phänomen Berlusconi als pervertierten Spieltrieb der Bevölkerung. Mit Kunst könnte man die Leute wieder auf die richtige Spiel-Spur bringen.
Spuren legen
Der Roma-Pavillon, schwer zu finden zwischen drei Kanälen und zwei Brücken im Palazzo Zorzi, ist urmodern mit lauter Fernsehbildschirmen und reduziert angelegt. Kartonbänke in Bögen, Holzstelzen die riesige Skulptur, die sich quer durch den Raum und draußen vor den Fenstern in den Hof hinunterzieht, heißt «Campo Nomadi» (1956 58) und ist von Paul Ryan. Unter dem Motto «Call The Witness» finden sich hier viele Filme über Prozesse um Landrechte, Hearings von Zeugen vor Richtern oder Zeugnisse von Überlebenden des Holocaust, wie in dem Film «Vermächtnis/Legacy» (2010-11) von Marika Schmiedt, die mehrere Generationen von Frauen der Stoijka-Familie porträtierte. «Dass sie nicht reden können, legt Zeugnis ab, eine Unmöglichkeit, die sich selbst Existenz gibt durch die Möglichkeit des Sprechens», schreibt Suzana Milevska dazu. «Viele können sogar weder lesen noch schreiben», steht woanders.
Straßenkinder, die den weißen Flaum der von den Bäumen herunterweht, anzünden und Spuren legen. In dem Film «Rite of Spring» (2010) von Mona Vatamanu und Florin Tudor aus Rumänien sind Kinder zu sehen, die mit dem Feuerzeug lange Flaum-Zündschnüre in Brand setzen, Funken sprühen lassen, ähnlich den Bauern, die im Frühjahr die Wiesen abfackeln, damit gesundes Gras nachwächst eine Geste der Erneuerung. «Die existierende Ordnung in Brand setzen, damit es zu einer Veränderung kommt. Den abgebrannten Baumstumpf als schwarze Zeichnung gegen den Himmel zurücklassen», so sehen die Filmemacher das.