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Schulräume sind Container, in denen Fächer unterrichtet werden, keine SchülerInnen. Die Räume, in denen wir lernen und lehren, haben sich seit über hundert Jahren kaum verändert. Nach wie vor ist das Klassenzimmer im Format von 9 x 7 m der vorherrschende Ort eines im Stundenrhythmus getakteten Unterrichts.
Der Geist der Schule sitzt zwischen den Wänden. Nicht zufällig steht das Wort Schule für das Gebäude und das, was in ihm „gehalten“wird. Der Geist der Kaiserin Maria Theresia sitzt in den Wänden. Der Schulreform aus dem 18. Jahrhundert liegt die Idee der Kaserne zu Grunde mit dem 50-Minuten-Exerziertakt. Alles dreht sich um diese 50 Minuten, liebevoll heute Werteinheiten genannt. Die Bezahlung der Lehrenden wird in Werteinheiten gemessen, die pädagogischen Stundenkonzepte werden nach Werteinheiten ausgerichtet und das Lernen wird in 50 Minuten Einheiten gesperrt.Architektonisch gießt sich die Kasernentaktung in Gebäude mit langen Fluren und den daran angeästelten Klassenzellen. Diese Architektur geht auch nahtlos über in das Industriezeitalter und die Organisationsform der Fabrik. Die Klasse bildet eine industrielle Form, der die Massenabfüllung als Idee zugrunde liegt.
Unsere Schulräume atmen die lange Tradition aus Kaserne, Fabrik, Gefängnis und Krankenhaus. Zum Verweilen laden diese Räume nicht gerade ein. Weder Schüler noch Lehrer. Der hässlichste Raum ist ja oft auch das Lehrerzimmer. Da wird und kann niemand gerne arbeiten. Eine andere Schularchitektur braucht es aber auch für die neuen ganztägigen Schulformen.
Ein anderer Typus von Raum hatte bisher kaum Chancen: Das wären Ateliers, Werkstätten, eine Küche, eine Bühne. Kinder brauchen Welt: herausfordernde Gelegenheiten, Erwachsene die etwas können, gutes Material. Schule vermittelt nicht nur, sie ist auch etwas. Sie ist auch Küche, Labor, Werkstatt, Bühne, Garten.
Und Kinder sind keine Gefäße, in die man Wissen abfüllt. Besonders sozial erfolgreiche Schulkonzepte zeichnen sich durch die Orientierung an den unterschiedlichen Lebenswelten ihrer Schüler aus. Das funktioniert nicht mit dem «Trichterkonzept» (Schüler sind leere Köpfe, in die Wissen für die Zukunft gefüllt wird), sondern mit einem dialogischen Zugang: Lernprozesse werden initiiert, Vorerfahrungen und Lebenswelten der SchülerInnen zum Ausgang des Arbeitens genommen. Eine Lernumgebung, die unterschiedliche Geschwindigkeiten zulässt sowie Neugier und Konzentration anregt. Lehrende haben hier Hebammenfunktion: Etwas zur Welt zu bringen, ohne es selbst zu gebären.
Hierfür benötigen die Schulen: Lerninseln, Freiarbeitszonen, Präsentationsmöglichkeiten, Projektarbeitsplätze, Treffpunkte und Ruhezonen. Das Lernen als individuelle Tätigkeit braucht funktionale Räume, die wandelbar sind und Gelegenheit bieten für stilles Lernen ebenso wie für Kommunikation in kleinen und großen Gruppen, für Forschen und Experimentieren, Lesen, Schreiben, kreatives Schaffen, Zusehen und Zuhören, Bewegung. Und das Lernen braucht die Öffnung in die Natur, die frische Luft, den Stadtteil, die Stadt.
So bekommt das alte Klassenzimmer Flügel. Und wird von einer neuen Schularchitektur auf den Boden gebracht.