FLINTA* an die Montageständervorstadt

Die Velo Peaches, hier Jovina Unterberger, schrauben auch an Denkmustern in Fahrradwerkstätten (Foto: Lisa Puchner)

Nicht nur auf den Rädern, vor allem an den Montageständern sind FLINTA*-Personen in der Unterzahl. Diesem Ungleichgewicht setzen die Velo Peaches ihre queer-feministische Fahrradwerkstatt im 9. Wiener Bezirk entgegen.

Eine Fahrradkette hing vor dem Eingang und gemeinsam zwickten sie die Kette mit einem Bolzenschneider durch – damit war im April die Fahrradwerkstatt Velo Peaches feierlich eröffnet. «Ich hab’ mir gedacht, das ist schon cheesy, war aber auch stolz», meint Mischa Ehrne. Nach all der Renovierungsarbeit, den bürokratischen Fragen, den Zweifeln, den finanziellen und organisatorischen Erfordernissen wie Gewerbeanmeldung, Crowdfunding und Wirtschaftsagentur-Förderung war es einer der besten Momente, fügt Ana Powdrill hinzu. Gemeinsam mit Jovina Unterberger haben sie Velo Peaches gegründet. «Im Prinzip ist es eine normale Fahrradwerkstatt», so Mischa Ehrne. Das Besondere ist, dass die Werkstatt ohne Cis-Männer betrieben wird. Dass das etwas Besonderes ist, weist auf das Ungleichgewicht hin. Es geht um die Repräsentanz von FLINTA*-Personen in verschiedensten fahrradbezogenen Bereichen. Das fängt auf der Straße an, geht über die Radindustrie bis hin zu professionellem Radsport. So sind laut der letzten österreichweiten Mobilitätserhebung aus 2013 / 14 Frauen mit durchschnittlich 53 Radwegen und 188 Kilometern pro Jahr im Gegensatz zu Männern mit 67 Radwegen und 282 Kilometern weniger häufig und lang am Rad unterwegs. Hinsichtlich der Radindustrie sei es ein Klassiker, so Mischa ­Ehrne, dass FLINTA*-Personen oft mit zu großen Rädern fahren würden, da die herkömmlichen Rahmen für größere Menschen gemacht seien und es schwierig sei, kleine Rahmen zu finden. Was schließlich den Radsport betrifft, startet dieser Tage ­bezeichnenderweise erstmals seit über 10 Jahren wieder eine Tour de France für Frauen. Die Rennradfahrerinnen-­Initiative Donnons des Elles au Vélo fährt dabei bereits seit 9 Jahren immer einen Tag vor der offiziellen Tour de France der Männer die jeweilige Etappen-Strecke ab, um gleichen Stellenwert, Entlohnung und Repräsentanz für den weiblichen Radsport zu fordern. Aber nicht nur auf den Rädern sind Männer wesentlich präsenter, sondern eben auch an den Rädern in den Werkstätten.

Die Dominanz brechen.

Es ist eine sehr Cis-Männer-dominierte Branche, ist man sich bei Velo Peaches einig. Alle drei haben zuvor in anderen Fahrradwerkstätten gearbeitet und über die Jahre hinweg ähnliche Erfahrungen gemacht: Ihnen wird oft weniger zugetraut – sowohl von Kunden als auch von männlichen Kollegen. Das sind patriarchale Strukturen, und das fängt schon im Kindergarten an, wo sich Jungs oft schneller an verschiedenen Dingen ausprobieren und Mädchen manchmal etwas vorsichtiger seien, so Mischa Ehrne. «Eine eigene Werkstatt zu haben – das war immer ein Gedanke», erzählt Ana Powdrill von der Zeit während der gemeinsamen Fahrrad-Mechatronik-Ausbildung im WIFI mit Jovina Unterberger. Auf der ­Website zum Kurs sind im Übrigen ausschließlich als Männer gelesene Personen zu sehen. Das Vertrauen, die Idee einer eigenen Radwerkstatt in einen konkreten Plan umzusetzen, kam dann mit der Arbeit in Werkstätten und Fahrradprojekten. Befreundete Fahrradmechanikerinnen spielten dabei eine Rolle. Ebenso die Erfahrungen bei den FLINTA*-only-Tagen oder -Workshops, die sie als Teil der queer-feministischen Fahrradgang RADS in der Selbsthilfewerkstatt ­bikekitchen organisierten. «Das beeinflusste uns, indem wir unsere Fähigkeiten stärker sehen konnten und den Raum hatten, etwas auszuprobieren», so Ana Powdrill. Ebenso ist es Velo Peaches ein Anliegen, den Kund:innen zu zeigen, wie sie gewisse Dinge an ihren Rädern auch selbst reparieren können, fügt Ana Powdrill hinzu: «Wir möchten kein Geheimnis aus unseren Kenntnissen machen. Wir möchten die Leute, die zu uns kommen, informieren, wie sie ihre Räder instand halten können, und das auf einem Level, das verständlich ist, ohne Fahrradmechaniker:in zu sein.» Schließlich geht es darum, dass die Community und Repräsentanz von FLINTA*-Personen in den Werkstätten wächst, um zukünftig die Vielfalt in der Fahrradbranche und damit auch bei den Fahrradnutzer:innen zu stärken. So fasst Mischa Ehrne zusammen: «Es macht länger­fristig einen Unterschied, wenn kleine Kinder zu uns hereinkommen und sehen, es können auch FLINTA*-Personen Fahrräder reparieren und es ist nicht wie in klassischen Werkstätten, wo 90 % Cis-Männer sind. Also so eine Vorbildwirkung zu haben, dahingehend dass sich in den nächsten Jahren mehr tun wird.»

www.velopeaches.com