Floridsdorf ist nicht die Welttun & lassen

Augustiner Erwin Riess

Ich kann mich nicht erinnern, nicht geschrieben zu haben. Schon mit sechs, sieben Jahren hab ich kleine Geschichten, Gedichte geschrieben. Und ich hatte das Glück, in der Oberstufe auf eine Deutschprofessorin und einen Geschichteprofessor zu treffen, die mein Talent erkannt und gefördert haben.
Mein Vater war Maschinenbauingenieur. Anfang der 60er Jahre wollte man die Hütte Krems zusperren, doch die Beschäftigen demonstrierten auf der Ringstraße in Wien. So blieb das Werk erhalten. Man hat gesagt: Ihr bleibt bei der Voest, in Linz sind die Vorgesetzten, aber die Art und Weise, wie ihr arbeitet und was ihr produziert, liegt in eurer Hand. Eine kleine Gruppe, sehr gute Techniker und Marketingleute, machten in der Folge aus einem konkursreifen Werk einen Vorzeigebetrieb. Mein Vater war einer dieser Ingenieure, leider ist er 1968 mit 40 Jahren gestorben. Meine Mutter arbeitete dann als Sekretärin im Angestelltenbetriebsrat, der damals 400 Beschäftigte vertrat. So war ich immer mit dem Werk verbunden. Ich spielte Fußball und Tennis in Werkssportvereinen. Wir sind vom Werk, aber auch von der Schule aus, oft in die Wiener Theater gefahren. Die Voest Alpine Krems, wie sie heute heißt, war eine Welt für sich, ein guter Platz, um aufzuwachsen. Das Werk besteht heute noch und ist in etlichen Sparten Weltmarktführer.
Dass ich «Groll-Geschichten» für den Augustin veröffentliche, geht auf Robert Sommer zurück. Er war ja vorher in der Redaktion der Volksstimme, für die ich schon jahrelang Groll-Geschichten geschrieben habe. Für mich war es interessant, die Storys so zu gestalten, dass der Rollstuhlfahrer Groll mobil ist. Auch in den mittlerweile acht Groll-Romanen ermittelt Herr Groll an der östlichen Donau, in New York, Rom, Palermo, Kärnten, der Steiermark und der Wachau und nun eben in Salzburg. Es wäre langweilig, wenn Herr Groll nur in Floridsdorf unterwegs ist. Floridsdorf ist nicht die Welt, das habe ich in den sechsunddreißig Jahren, die ich in Floridsdorf lebe, verifiziert. Doch schätze ich die Großjedlersdorfer Heurigen, das sind keine Luxusrestaurants wie in Grinzing, aber der Wein ist gut und billig. Außerdem ist bei uns alles eben, man kann mit dem Rollstuhl daher weite Strecken zurücklegen. Auch Freundschaften lassen sich leichter pflegen, wenn einmal der eine den anderen besuchen kann und umgekehrt.
Ich hoffe, dass das großartige sozialpublizistische Projekt Augustin weiterhin floriert und bald 100.000 Stück Verkaufsauflage erreicht. 

Einen Vorabdruck aus dem neuen Roman von Erwin Riess Herr Groll und die Wölfe von Salzburg können Sie auf den Seiten 30 bis 31 lesen.

Protokoll: Jenny Legenstein
Foto: Mehmet Emir