Flucht aus Wien und wieder zurückvorstadt

Wenn die Rechnung im Kirschgarten nicht aufgeht

Der eigene Herr im Kirschgarten zu sein, davon erhoffte sich Mehmet Emir einiges. Doch Theorie und Praxis sind nicht immer deckungsgleich, wie der Fotograf und Autor nach seiner Rückkehr aus der Türkei zu berichten weiß.Mir hat sich die Gelegenheit geboten, einen Obstgarten im türkischen Kurdistan zu kaufen. Dort befindet sich auch ein zweistöckiges altes Haus. Alles klang sehr gut. Daher borgte ich mir Geld von Freund_innen aus und erwarb diesen Garten mit sehr vielen Kirschen, der mir das Gefühl gab, wie man in Österreich zu sagen pflegt, der eigene Herr zu sein. Ich freute mich sehr darauf, obwohl es auch sehr viel zum Renovieren gab. In einem Gebiet, wo bis zum Genozid von 1915 Armenier_innen und Kurd_innen gemeinsam gelebt haben. Es ist für mich von Bedeutung, dort einen Garten zu kaufen.

Doch von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, stimmt die Rechnung, die man zu Hause macht, mit jener im Bazar nicht überein. Die 18 Tage in Harput/Elâzığ waren von harter körperlicher Arbeit geprägt. Um die zwanzig Menschen haben die Kirschen gepflückt. – Ich inklusive.

Für die Kirschenernte werden meist Frauen engagiert, und es gefiel mir, den Frauen zuzuschauen, mit welchem Geschick sie Kirschen pflückten, ohne Äste zu brechen. In den Pausen aßen sie gemeinsam um die Maulbeerbäume sitzend das Mitgebrachte. Anblicke, die viele Fotograf_innen nicht verpassen möchten. Also machte ich Fotos von den Frauen, obwohl mir das Kirschenpflücken finanziell vielleicht mehr gebracht hätte.

Andererseits haben die Kirschbäume in diesem Gebiet heuer so viel getragen, dass die Preise in den Keller purzelten. Im Endeffekt habe ich keinen einzigen Groschen daran verdient, im Gegenteil, ich habe sogar draufgezahlt. Diese frustrierende Erfahrung ermüdete mich so sehr, dass ich bald nach Wien zurück wollte, aber nicht ohne vorher noch ein paar Tage im nahegelegenen Dorf zu verbringen. Dort sitzen im Kaffeehaus nur Männer, die andauernd schwarzen Tee trinken, und ich konnte mittels Internet mit meinen Wiener Freund_innen kommunizieren.

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