Über die wahrscheinlich hinterlistigste Magistratsbteilung Wiens
Für kleine Kulturinitiaten und -vereine und vor allem für Künstler_innen, die jenseits der Hoch(subventionierten)kultur tätig sein wollen, besteht Wien aus Formularen, Geldmangel und anderen Schikanen. Die Schriftstellerin El Awadalla hatte ein Veranstaltungsidee – und listete für den Augustin die «Sekkierereien» auf, die ihr diese Idee einbrachte.
Illu: Karl Berger (Bildermontage)
ich wollte im jänner 2014 einen gebärden-poetry-slam veranstalten. zu diesem zweck habe ich im herbst 2013 beim bund, also beim sich ständig umbenennenden kunstministerium angesucht. dieses befand, ein gebärden-poetry-slam sei nicht überregional interessant und lehnte eine finanzierung ab. der 6. wiener bezirk sagte mit großer verzögerung 1000 euro zu, was aber viel zu wenig ist. denn für einen gebärden-poetry-slam braucht es dolmetscherInnen, die von laut- und gebärdensprache und umgekehrt dolmetschen und sich entsprechend darauf vorbereiten müssen, gemeinsam mit den autorInnen.
das geldaufstellen dauerte also noch ein weile. in kooperation mit dem gehörlosenbund und der Grünen Bildungswerkstatt Minderheiten konnte der gebärden-poetry-slam ende mai 2014 über die bühne gehen. die MA 7, die sogenannte kulturabteilung der stadt wien, die das von den bezirken genehmigte geld auszahlt und abrechnet, fragte schon am 7. feber 2014 an, wann denn der slam stattfinden würde. so fix war die MA 7 beim auszahlen des geldes nicht, es kam erst im oktober.
dann fingen die sekkierereien erst richtig an. das buntformular musste ausgefüllt werden, wurde beanstandet, noch einmal ausgefüllt, wieder beanstandet usw. ich kam mir schon ziemlich deppert vor, zu blöd, um ein formular richtig auszufüllen. da ich von kollegInnen dasselbe hörte, startete ich eine kleine umfrage zum formularunwesen in stadt und land und bund. die antworten waren größtenteils erschütternd. einige beispiele der ungenannt bleiben wollenden kulturaktivistInnen (sie wollen sich ja nicht noch mehr schwierigkeiten einhandeln):
frau A: «Ich kämpfe seit Jahren mit den Lebenszeit raubenden Formalitäten der Stadt, die weit entfernt von leicht verständlich und leicht anwendbar sind! Keine der Magistrats-Mitarbeiter_innen konnte mir bisher Grundstruktur und Funktionsweise des Formulars so erklären, dass ich schnell und einfach einreichen und abrechnen konnte. Es wird zudem angesichts der oft falsch gewählten Zeile oder Spalte immer wieder mehr oder weniger direkt mit Rückzahlung gedroht.»
frau B: «Das Abrechnungsformular war unausfüllbar und unerfüllbar. Wir haben nicht gewusst, wie’s geht. Zwischen der Zusage auf der Basis einer MA-7-genehmen Kostenrechnung und der endgültigen Abrechnung ist irgendwas passiert. Wir mussten, glaub ich, fünfmal was bei der Abrechnung nachbringen, anders schreiben usw. und am Schluss 330 Euro zurückzahlen.» die gesamtfördersumme war bei diesem projekt 2000 euro.
frau C: «Ich habe festgestellt, dass die Damen und Herren in der MA 7 auch nicht glücklich sind; erstens müssen sie auch damit arbeiten, und zwar haufenweise, und zweitens gibt es immer wieder Änderungen und neue Formulare, die sie selbst verwirrend finden oder unnötig.»
herr D: «Ich habe mich in die vorgesehene Rolle des Bittstellers (bzw. des M-Parts in einem Sadomaso-Spiel) gefügt, den Vereins-Vorsitz unter anderem deshalb aber wieder aufgegeben, weil mir das auf die Dauer nicht liegt. Es ist anscheinend unmöglich, so einzureichen oder abzurechnen, dass es keine Beanstandungen gibt.»
frau E: «also hab ich ALLE rechnungen kopiert (und eingescannt), alle in die beilagenliste eingetragen (online), alle in das excel-blatt (immer noch bunt) eingetragen und den krempel weggeschickt. dann bekam ich ein vorläufiges ok für die abrechnung. zeitraum bis dahin ca. 8 monate. ich bin nicht mehr kassier, hoffe aber, dass das vorläufige ok ein endgültiges wird, und mein nachfolger den scheiß nicht mehr anrühren muss.» die förderung durch den bezirk machte diesem fall 100 euro aus.“
herr F: «U. a. wurde mir unterstellt, ich hätte dieselbe Honorarnote doppelt verrechnet, nämlich der Literatur und der Stadtteilkultur. Dafür hab ich von der Stadtteilkultur erst jetzt die Bestätigung meiner korrekten Abrechnung für 2013 bekommen – zusammen mit der für 2014.»
meine zweifel an meinen geistigen fähigkeiten waren nach lektüre dieser rückmeldungen beseitigt. es ist also absicht, ein vollkommen unausfüllbares formular als barriere gegen die kleinen veranstalterInnen aufzubauen, damit sie die stadt in ruhe lassen – zu einem anderen schluss kann man da nicht kommen.
aus SPÖ-kreisen ist immer wieder zu hören, schuld an dieser art der abrechnung seien die grünen mit ihren forderungen nach transparenz. auf nachfrage bei grünen ergibt sich allerdings ein anderes bild. in manchen bezirken wird das kulturbudget seit jahrzehnten zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ aufgeteilt, ohne dass sich jemand ansieht, was denn förderwürdig wäre. diesen fröhlichen proporz versuchten die grünen aufzubrechen, auch im großen. Klaus Werner-Lobo, grüner gemeindrat dazu: «ja: die grünen fordern transparenz ein, das bezieht sich aber vor allem auf mit millionen subventionierte kulturtanker und deren hochbezahlte leitungen, wo immer wieder zu steuergeldverschwendung im großen stil gekommen ist.»
als besonders schikanös gelten die abrechnungsmodalitäten der MA 57 (frauenabteilung). dort heißt es, der stadtrechnungshof, der immer von den jeweiligen oppositionsparteien besetzt sei (derzeit FPÖ und ÖVP) prüfe besonders gerne die frauenabteilung. diese aber würde sich im hintergrund sehr bemühen, dass keine förderungen gestrichen oder zurückbezahlt werden müssten, wovon die kleinen fördernehmerInnen meist nichts mitbekämen.
Freundliche Grüße
Im Folgenden: Originalton MA 7. Die hier aufgelisteten Mails der Kleinkulturverhinderungsabteilung an die Poetry-Slam-Veranstalterin stellen nur einen Teil der Berichtigungs-Aufforderungen dar. Der komplette E-Mail-Ausstoß in dieser Angelegenheit würde dreimal so lang sein …
5. Dezember 2014 (ein halbes Jahr nach der Veranstaltung). Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Sie in meiner E-Mail vom 28. November 2014 gebeten, mir die vollständig ausgefüllte Kostenkalkulation (analog zur Einreichung) zu übermitteln. Sie haben mir jedoch die Belegsaufstellung gesendet. Anbei befindet sich ein Leerformular der Kostenkalkulation, damit Sie wissen, um welches Formular es sich handelt. Die vollständige Kostenkalkulation ist bis spätestens 19. Dezember 2014 zu übersenden. Freundliche Grüße
22. Dezember 2014. Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kostenkalkulation ist unvollständig, da die Einnahmen fehlen. Außerdem wurde die Abrechnung-Spalte nicht ausgefüllt. Hier müssen die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben eingetragen werden. Die korrigierte Kostenkalkulation ist bis 05. Jänner 2015 zu übermitteln. Freundliche Grüße
29. Jänner 2015. Sehr geehrte Damen und Herren! Bezüglich der Abrechnung Ihrer Förderung für das Projekt «2. Wiener Gebärden-Poetry-Slam» von 27. bis 29. Mai 2014 wird um Vornahme folgender Korrektur gebeten: Die von Ihnen zuletzt gesendete Kostenkalkulation stimmt in der Spalte «Ansuchen», doch die Spalte «Abrechnung» ist so gut wie leer. Hier müssen alle tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben eingetragen werden, die das Projekt betreffen. Zudem ist die vom 6. Bezirk erhaltene Förderung in der Spalte «Abrechnung», in der Zeile «Subvention Bezirk» einzutragen. Die korrigierte Kalkulation ist bis spätestens 12. Februar 2015 zu übermitteln. Freundliche Grüße
13. Februar 2015. Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin zur Zeit auf Urlaub und ab 16. Februar 2015 wieder erreichbar. Meine Kolleginnen, Frau … oder Frau … stehen Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung. Ihre E-Mail wird NICHT automatisch weitergeleitet. Freundliche Grüße
12. März 2015. Sehr geehrte Damen und Herren! Bezüglich der Abrechnung Ihrer Förderung für das Projekt «2. Wiener Gebärden-Poetry-Slam» von 27. bis 29. Mai 2014 wird um Vornahme folgender Korrektur gebeten: Die von Ihnen zuletzt gesendete Kostenkalkulation stimmt in der Ansuchen-Spalte, doch die Abrechnung-Spalte ist bei den Ausgaben leer. Bitte tragen Sie hier alle Ausgaben, die das geförderte Projekt betreffen, ein. Dies müssen zumindest (laut Belegsaufstellung) 1.000,00 EUR sein. Sollten Sie nicht mehr Ausgaben haben, muss die Förderung zurückbezahlt werden. Ich schicke Ihnen anbei nochmals die Kalkulation zum Bearbeiten mit, außerdem auch die von Ihnen zuletzt gesendete Kostenkalkulation mit Notizen von mir darauf. Die korrigierte Kostenkalkulation ist bis spätestens 26. März 2015 zu übermitteln. Freundliche Grüße