Frauen verdienen mehrtun & lassen

Sybille Hamann & Eva Linsinger: Ernüchterndes zum Stand der Frauenemanzipation

Bereiten Sie Ihre Tochter auf die Arbeitswelt vor. Geben Sie ihr weniger Taschengeld als ihrem Sohn. Der Slogan der Britischen Equal Opportunities Commission bringt es leider noch immer auf den Punkt es wird viel geredet über Gleichbehandlung und Chancengleichheit, aber wenns ums Geld geht, hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel geändert.Lange hieß es: Bildung ist der Knackpunkt. Strengt euch an, Mädels, studiert, bildet euch weiter, dann steht euch die Welt offen. Heute sind 56 Prozent der Maturaabschlüsse von Mädchen, Frauen stellen die Mehrheit der StudienanfängerInnen und seit kurzem auch der AbsolventInnen, sie studieren schneller und mit besseren Prüfungsergebnissen. Und trotzdem: Die Gehaltsschere zwischen Mann und Frau ist seit dreißig Jahren nicht kleiner geworden. Frauen verdienen noch immer ca. ein Drittel weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Wenn es in dem Tempo wie bisher weitergeht, werden Frauen laut Berechnungen der London School of Economics frühestens in 150 Jahren gleich viel verdienen wie Männer. Oder geht es vielleicht um anderes als um gute Noten, Wissen und Leistung?

Die Journalistinnen Sybille Hamann und Eva Linsinger haben mit ihrem Buch Weißbuch Frauen Schwarzbuch Männer eine umfassende Bestandsaufnahme und Analyse des von der Neuen Frauenbewegung in den 70er Jahren angestoßenen Emanzipationsprojekts vorgelegt. Und sie kommen zu einem, was die Fortschritte in Österreich und Deutschland angeht, eher düsteren Ergebnis. Gleichzeitig zeigen sie anhand von Beispielen aus skandinavischen Ländern, aus Frankreich, den USA, der Niederlande und Belgien auch andere Politiken und Umgangsweisen mit der Thematik auf, die klar machen: Die Situation ist veränderbar, die Geschlechterhierarchie ist kein Naturgesetz.

Kleiner oder großer Unterschied?

Seit Jahren wird versucht, uns weiszumachen, dass die Männer vom Mars und die Frauen von der Venus, also grundverschieden, seien. Männer könnten daher nicht zuhören und Frauen nicht einparken Klischees mit weitreichenden Folgen. Genauer betrachtet sind biologische Durchschnittsunterschiede ziemlich bedeutungslos. Das Geschlecht ist ein Merkmal von vielen und in den meisten Fällen nicht das bedeutsamste. Soziale Herkunft und kulturelles Milieu, Alter und Bildung,

Weltanschauung und Lebensweise, Gewohnheiten und Erfahrungen erzeugen viel mehr Gemeinsamkeiten als das Geschlecht. Doch die Geschlechterstereotypen sind nicht auszurotten. Besonders in Deutschland und Österreich nicht. Weil Frauen bescheidener sind, muss man ihnen nicht so viel Gehalt zahlen. Und weil sie so kommunikativ sind, ist ihnen die Plauderei an der Espressomaschine sicher lieber als die Einsamkeit im Chefzimmer, bringen es die AutorInnen überspitzt auf den Punkt.

Tatsache ist: Je höher der Männeranteil, desto höher das Image und die Entlohnung von Arbeit. Da viele Frauenberufe einen Anklang an Beziehungs-, Familien- oder Hausarbeit haben, gilt hier offenbar: Was Frauen privat so nebenher und auch gratis erbringen, das muss, wenn sie es zu Erwerbszwecken machen wie Putzen, Pflegen, Erziehen, Betreuen etc., nicht üppig entlohnt werden. Apropos Gratisarbeit: Von den 40,3 wöchentlich verrichteten Stunden Arbeit, die Erwachsene durchschnittlich verrichten, leisten Männer 35,1 Stunden und Frauen 45,2 Stunden. Allerdings: Bei Frauen sind zwei Drittel davon unbezahlt verrichtete Arbeit, Männer zeigen sich da weniger großzügig, sie machen nur ein Fünftel ihrer Arbeit gratis, sagt der AK-Frauenbericht 19952005.

Die Ungleichheit der Gehälter wird hierzulande durch die mangelnde Transparenz übers Geld redet man nicht und durch unverbindliche Frauenförderpläne, die eigentlich Familienförderpläne sind, befördert. In Schweden müssen Unternehmen zum Beispiel veröffentlichen, wie die Einkommen und die Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen verteilt sind. Das zeigt Wirkung, denn Öffentlichkeit erzeugt Druck.

Kinder haben Mütter und Väter

Wo der kleine Unterschied zum riesengroßen wird zumindest in Ländern wie Deutschland und Österreich ist das Thema Kinder. Kinder sind immer ein Hemmschuh für die Karriere von Frauen, unabhängig, ob sie da sind oder nicht. Hat die Frau keine Kinder, dann wird angenommen, dass sie demnächst eins bekommen wird. Die Steuer- und Familienförderungssysteme in Österreich und Deutschland unterstützen alte Rollenbilder, in denen der Mann das Geld ins Haus bringt und die Frauen dazuverdienen. Die Familienförderung nach österreichischem Modell kann als Ausstiegsförderung für Frauen aus dem Arbeitsmarkt bezeichnet werden. Will man das Daheimbleiben fördern, macht man Familienförderung über lange Zeit und drückt den Leuten das Geld bar auf die Hand (Kindergeld), gibt Wohnbauförderung, Pendlerpauschale oder Ehegattensplitting, führen Hamann und Linsinger aus. Drei Jahre nach der Geburt des ersten Kindes arbeiten weniger als 20 Prozent aller Mütter wie vorher. Stattdessen sind Teilzeitarbeit, geringfügige, aushelfende Arbeit oder Tätigkeiten zu Hause verbreitet. Das hat weitreichende Folgen, sollte die geplante Lebenspartnerschaft sich nur als eine Lebensabschnittspartnerschaft herausstellen: Mehr als zwei Drittel aller AlleinerzieherInnen sind auf Sozialhilfe angewiesen und die durchschnittliche Frauenpension ist halb so hoch wie die der Männer.

Will man das Weiterarbeiten von Frauen fördern, dann investiert man wie in Skandinavien, Frankreich oder Belgien in den Ausbau von Krippen, Kindergärten, Ganztagsschulen etc. In Belgien haben 81 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Krippenplatz, in Österreich nur 12 Prozent.

Das Buch räumt auch mit einem alten Klischee auf: Die Emanzipation der Frauen sei verantwortlich für die niedrige Geburtenrate in westlichen Industrieländern. Es handelt sich vielmehr um einen Traditionalismus der Geschlechterrollen. Der europäische Vergleich zeigt einen deutlichen Zusammenhang, dass die Möglichkeit, Kinder und Beruf zu vereinbaren, die Kinderfreundlichkeit der Gesellschaft und die Kinderanzahl erhöhen. Gesellschaften mit traditionellen Geschlechterrollen schrumpfen tendenziell, dazu gehören neben Spanien, Italien, Griechenland auch Österreich und Deutschland. An der Spitze steht Island: dort sind 90 Prozent der 25- bis 59-jährigen Frauen erwerbstätig und haben durchschnittlich 1,99 Kinder. Island steht auch in Sachen Förderung der geteilten Erziehungsaufgaben an der Spitze. Die Länge der bezahlten Kinderkarenzzeit ist dort klar geregelt: drei Monate für die Mutter, drei Monate für den Vater, drei Monate für beide und das zu jeweils 80 Prozent des Gehalts. Mit dem Effekt: Nahezu 90 Prozent der Väter nehmen Auszeit in Anspruch. In Österreich liegt der Anteil der karenzierten Väter bei 3,6 Prozent. Wer im isländischen Staatsbankrott ein Gegenargument gegen diese Politik sehen will, der sei auf die stabilen Volkswirtschaften Schwedens und Norwegens verwiesen mit ähnlich hohen Väterkarenzzahlen und -modellen. Daran wird es nicht gelegen haben.

Quotenfrauen Alibifrauen?

Was beim Bauernbund oder Wirtschaftsbund normal ist, nämlich Quoten zu erlassen, die den jeweiligen Anteil auf den ÖVP-Wahllisten und in Gremien regeln, löst regelmäßig einen Aufschrei der Empörung aus, wenn damit die Erhöhung des Frauenanteils gefordert wird. Gegen Quoten wehren sich oft auch Frauen. Kommt eine Frau in eine Position aufgrund einer Quote, wird ihr schnell unterstellt, nicht ihre Leistung stünde im Vordergrund, sondern nur die Geschlechtszugehörigkeit. Wie wenn das etwas Außergewöhnliches wäre! Nur dass es meistens Männer betrifft. Michael Meyer von der Wirtschaftsuniversität Wien untersuchte in einer Langzeitstudie die Karriereverläufe von Männern und Frauen. Er wählte jeweils Vergleichspaare aus eine Studentin und einen Studenten mit der gleichen Ausbildung, Karriereorientierung, gleichen Persönlichkeitsvariablen und beobachtete diese Zwillinge zehn Jahre lang in Bezug auf ihren Karriereverlauf. Sie starteten von vergleichbaren Positionen mit gleichen Gehältern, aber nach vier, fünf Jahren ging die Schere bei allen auf: Männer wurden öfter auf Fortbildung geschickt, bekamen schneller größere Abteilungen, mehr Gehalt und nach zehn Jahren hatten die Frauen durchschnittlich 70.000 Euro weniger verdient.

Eine der Erklärungen dafür: Führungskräfte bevorzugen als Nachfolger Personen, in denen sie sich wiedererkennen, die ihnen ähnlich sind. Da es weit mehr Männer in Führungspositionen gibt, gelangen auch wesentlich mehr Männer wieder in deren Fußstapfen. Im Gegensatz zu Österreich setzt man in vielen Ländern auf Quoten mit Erfolg: In Norwegen wurde 2006 allen börsennotierten Unternehmen m. b. H. eine Quote vorgeschrieben. Binnen zwei Jahren müssten 40 Prozent der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt sein. Falls dies nicht der Fall sein sollte, drohten saftige Strafen bis hin zur Liquidation des Unternehmens. Im Jahr 2003 waren 7 Prozent der Aufsichtsratssitze von Frauen besetzt, im Juli 2007 bereits dreißig Prozent, 2008 sind die 40 Prozent erreicht. In Österreich sind 6 Prozent der Frauen in Vorstandspositionen. In der Politik gibt es lange schon allerdings unverbindliche Absichtserklärungen der Parteien, den Frauenanteil in politischen Ämtern zu erhöhen. 1919 betrug der Frauenanteil im Parlament 5,7 Prozent, es dauerte bis 1975, bis dieser Anteil überschritten wurde. Heute sind es noch immer magere 31 Prozent. Frau könnte fordern: Österreich muss endlich Ruanda werden! Dort liegt der Frauenanteil im Parlament bei satten 49 Prozent.

Neue Männer braucht das Land?

Hamann und Linsinger kommen zur Conclusio: Männer tun, was sie immer getan haben, und Frauen, was sie früher getan haben kümmern, nähren, pflegen, erziehen, putzen etc und dazu noch vieles andere mehr. Sie bekommen dafür manchmal das Prädikat Powerfrauen, bis sie komplett ausgepowert sind. Dabei ist es auch ökonomisch irrational, die Hälfte der kreativen und produktiven Energie zu vergeuden: die von Frauen in der Arbeitswelt und die von Männern im reproduktiven Bereich. Männer fehlen in Sozialberufen, in Schulen und Kindergärten, in der Familie. Wenn Männer sich mehr in diesen Bereichen engagierten, könnte, so meinen die AutorInnen, eine neue Vielfalt an neuen Lebensentwürfen und Beziehungsformen entstehen, die Frauen und Männern nützte. Aber nur dann, wenn auch Frauen endlich lernten, loszulassen und auch von den ihnen zugeschriebenen weiblichen Kompetenzbereichen abzugeben. Nicht nur Frauen, auch Männer verdienen mehr als das, was sie jetzt kriegen.

Info:

Sybille Hamann/Eva Linsinger: Weißbuch Frauen Schwarzbuch Männer. Warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen. Deuticke, Wien 2008

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