Freie Fahrt in die Löwelstraßetun & lassen

Hausfriedensbruch

Dreißig HausfriedensbrecherInnen in der Löwelstraße 18. Aber was ist schon ein kleiner, symbolischer Hausfriedensbruch gegen das systematische Einsperren von obdachlosen Schwarzfahrern? Die Gruppe von Obdachlosen und UnterstützerInnen, die am 13. Oktober – im Anschluss an die traditionelle demonstrative Schwarzfahrt mit der Bim – unangemeldet in der Zentrale der SPÖ Wien auftauchte, hatte alles Recht der Welt an ihrer Seite.“Am Freitag nachmittag ist niemand mehr hier“, war der verdutzte Portier zunächst gar nicht gastfreundlich. „Dann bleiben wir halt solange sitzen, bis jemand vom Parteivorstand herkommt“, bekam er zur Antwort. Später bot er den zur Unzeit erschienenen BesucherInnen sogar eine Kiste Mineralwasser an. Nach einer halben Stunde erschien Hausherr Harry Kopietz, Landtagsabgeordneter und Landesparteisekretär. „In diesem Haus sind Sie richtig“, sagte er. „In diesem Haus sitzen nicht eure Feinde“. Also dann doch kein Hausfriedensbruch? „Ich bin informiert darüber, dass viele von euch unendliche hohe Schulden bei den Wiener Linien haben. Dieser Gruppe muss geholfen werden.“

Aber das hört „diese Gruppe“ schon seit zwei Jahren. Solange führt der AUGUSTIN bereits Aktionen unter dem Motto „Freie Fahrt für Obdachlose und SozialhilfeempfängerInnen“ durch. Immerhin liegt nun an SPÖ-Landesparteitagsbeschluss vor, der dieser Forderung nahekommt: Den Obdachlosen müsse die Benützung der Öffis „in einem für sie leistbaren Rahmen ermöglicht werden“. Der Parteitagsbeschluss ist ein Auftrag an den Vorstand der SPÖ Wien. Die verschuldeten Armuts-Schwarzfahrer wollen wissen, wie dieser Auftrag erfüllt wird. Und in welchen Zeitrahmen. Deshalb ihr Besuch in der Löwelstraße.

Die Opposition der Sozialdemokraten gegen die Sozialabbau-Politik der blauschwarzen Regierung sei unglaubwürdig, wenn die SPÖ im eigenen Machtbereich, in der Gemeinde Wien, die Obdachlosen-Lobby „nicht einmal ignoriere“, hieß es in einem AUGUSTIN-Flugblatt.

„Wir Wiener Sozialdemokraten unterstützen die Grundrichtung Ihres Vorschlages“, der Landesparteisekretär ist ein Profipolitiker. „Ich bin bereit, zu Euch in die AUGUSTIN-Redaktion zu kommen: Reden wird darüber.“

Der Parteitagsbeschluss (abgedruckt in der AUGUSTIN-Ausgabe Nr. 62) wäre ja tatsächlich eine gute Basis für so ein Gespräch. Aber Vizebürgermeisterin, Sozialstadträtin und Parteivorstandsmitglied Grete Laska hat das Gesprächsklima verdorben, als sie dieser Tage folgendes an den AUGUSTIN schrieb: Ein Freifahrtschein für Obdachlose verdeutliche und stigmatisiere diese als Randgruppe; einer bestimmten Gruppe ermäßigte Tarife zu gewähren, stelle eine „zusätzliche Ausgrenzung“ dieser Gruppe dar. Besser seien individuelle Lösungen in Form von Schuldenregulierungen „für jene Obdachlose, die im Rahmen der Wiener Wohnungslosenhilfe sozialarbeiterisch betreut werden.“

Solche individuellen Kulanz-Lösungen waren ja – für jene Gruppe von Obdachlosen, die sich in irgendeiner Form vom MA 12-System verwalten lassen – immer schon möglich. Individuelle Schuldenreduktionen, individuelle Ratenzahlungen. Doch wird der Betroffene zum zweiten Mal beim Schwarzfahren erwischt, ist es aus mit der Kulanz. Dann setzt die Kriminalisierungs-Maschinerie ein. Aus der Sicht der Obdachlosen-Lobby muss daher eine generelle Lösung her. Die generelle Tarif-Ermäßigung gibt’s schließlich auch für PensionistInnen, und noch nie hat sich ein Pensionist beschwert, dass er sich wegen dieses Privilegs als Randgruppe stigmatisiert fühle.

„Die Bewegungsfreiheit ist ein unerlässliches Grundrecht für alle“, so Harry Kopietz, Landesparteisekretär. Die Wiener Obdachlosen-Lobby wird so frei sein, in (sozialer) Bewegung zu bleiben, von Hausfriedensbruch zu Hausfriedensbruch.

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