Freie Fahrt in Tallinntun & lassen

Nachbarinnenstadt

Als erste Hauptstadt weltweit hat die estische Hauptstadt Tallinn den kostenlosen öffentlichen Nahverkehr eingeführt. Die 420.000 Einwohner_innen der Stadt können seit 1.1.2013 alle Bahnen und Busse der Großstadt gratis nutzen.Alles, was die Fahrgäste brauchen, ist eine Chipkarte, die sie beim Lesegerät in Bus und Bahn als Tallinner_innen identifiziert. Denn nur für sie gilt das kostenlose Service, Est_innen von außerhalb und Tourist_innen müssen weiterhin zahlen.

Der tägliche Megastau und die schlechte Luftqualität in der Stadt ließ den Bürgermeister Edgar Savisaar nach der ungewöhnlichen Lösung sinnen – der Vorschlag stieß zunächst auch auf viel Kritik. Also ließ Savisaar die Bevölkerung entscheiden: 75% der Bevölkerung stimmten in einer Volksabstimmung der ungewöhnlichen Initiative zu. Damit war die Bahn frei für Freifahrt in der Stadt. Mit der Maßnahme will die Stadtregierung nicht nur die Autolawine zurückdrängen, sondern auch die Mobilität ärmerer Stadtbewohner_innen erhöhen.

Tallinn ist nicht die erste Stadt mit Gratis-Öffis. Paradebeispiel ist die belgische Stadt Hasselt, die 1996 den kostenlosen Personennahverkehr einführte. Die Entwicklung war spektakulär: Innerhalb von 10 Jahren vervielfachte sich die Nutzung der Öffis von 360.000 Fahrgästen jährlich auf 4,6 Millionen. Anfang 2013 musste der Stadtrat in Hasselt das vielbeachtete Experiment aufgrund von Haushaltsproblemen beenden, die angeblich aber mehr der Finanzkrise als dem Nulltarif geschuldet sind. Denn generell – so auch in Wien – gilt: Nur ein kleiner Teil des öffentlichen Verkehrs wird durch den Fahrscheinverkauf finanziert.

Auch in Tallinn scheint ersten Untersuchungen zufolge der Plan aufzugehen. Bereits im ersten Monat waren 15 Prozent weniger Autos unterwegs als in den beiden Vormonaten, während Busse und Bahnen in derselben Zeit sechs Prozent mehr Passagier_innen beförderten. Falls das Konzept sich langfristig bewährt, gibt es vielleicht bald Nachahmer – die benachbarten Hauptstädte Helsinki, Riga und Vilnius haben bereits Interesse bekundet. Wien wird mit Sicherheit nicht dazu gehören.