Sachbuch: Degrowth in Bewegung(en)
Im Osten Deutschlands zeigte sich nach der «Wende», dass der Kapitalismus just in dem Moment vorübergehend gesiegt hatte, in dem seine gesellschaftliche Integrationsfähigkeit rapide nachzulassen begann.
Statt der von Helmut Kohl versprochenen «blühenden Landschaften» gab es Massenarbeitslosigkeit und brutale Privatisierung verstaatlichter Betriebe. So ist es wohl kein Zufall, dass auch maßgebliche Impulse der neuen Kapitalismuskritik aus den «neuen Bundesländern» kommen – zum Beispiel das Buch «Degrowth in Bewegung(en)», das «32 alternative Wege zur sozial-ökonomischen Transformation» aufzeigen will.
«Degrowth» bedeutet «Minus-Wachstum». Es geht also zunächst um eine Abkehr von einem ausschließlich auf «Immer mehr!» basierenden Wirtschaftssystem. Dieses schafft nämlich nicht nur wiederkehrende Krisen, da die ständig wachsende Warenmenge nicht auf entsprechende zahlungskräftige Nachfrage trifft, es zerstört auch die natürliche Umwelt des Menschen. Auf einem endlichen Planeten ist eben im wahrsten Sinne kein Platz für ein System des schrankenlosen Wachstums.
Das Buch zeigt aus der Perspektive unterschiedlicher sozialer Bewegungen vielfältige Möglichkeiten auf, wie der zerstörerische Kapitalismus durch eine nachhaltige sozial-ökologische «Postwachstumsgesellschaft» abgelöst werden könnte – es entsteht ein facettenreiches Bild bereits existierender Alternativen. Denn so viel steht fest: Der Kapitalismus hat zur Genüge bewiesen, dass er unfähig ist, die Bedürfnisse von Mensch und Natur zu befriedigen. Hunger, Kriege, Klimawandel und die Verheerungen industrieller Landwirtschaft zeichnen ein deutliches Bild davon. Ob es allerdings reicht, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Bewegungen und Initiativen alternative Experimente praktiziert und propagiert, möchte ich bezweifeln. Die Massivität und Dringlichkeit der sozial-ökologischen Krise sollte uns vielleicht doch zu einem näheren Zusammenrücken und der gemeinsame Suche nach politischen Strategien und Taktiken der Verbindung dieser Experimente führen. Vielleicht wäre das ja ein gutes Thema für die wachstumskritische Debatte der näheren Zukunft.
Konzeptwerk Neue Ökonomie & DFG-Kolleg Postwachstumsgesellschaften (Hg.):
Degrowth in Bewegung(en). 32 alternative Wege zur sozial-ökologischen Transformation
oekom Verlag 2017, 416 Seiten, 23,60 Euro