Freiheit und Nähetun & lassen

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Der Schlaf ist ein guter Indikator für Stress und Belastung, ein Brückenkopf zwischen innen und außen. Es ist wohl kein Zufall, dass Sigmund Freud das Unbewusste im Schlaf, in den Träumen entdeckt hat. Arbeitslose und Menschen mit geringem Einkommen schlafen jetzt in der Corona-Krise am schlechtesten im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen. In Großbritannien, einem der Vergleichsländer des Austrian Corona Panels, ist die Schlafqualität während der Corona-Krise allgemein viel schlechter als in Österreich. Das deutet auf unterschiedliche Realitäten und Erfahrungen von sozialer Sicherheit hin. Wie prekär ist meine ökonomische Situation, wie tief falle ich bei Arbeitslosigkeit und Krise? Großbritannien hat in den letzten Jahrzehnten viel stärkere Einschnitte im Sozialen getätigt und weist einen weit prekäreren Arbeitsmarkt als Österreich auf. Die Verhältnisse gehen unter die Haut und schneiden sich in die Körper.
Ein weiteres Ergebnis: Je einsamer sich die Befragten fühlen, desto schlechter schlafen sie. Unfreiwillige Einsamkeit macht krank und belastet unseren Alltag. Wir sprechen hier nicht vom selbstgewählten Alleinsein, das im Fasten oder Schweigen Kraft gibt. Wenn die Freiheit fehlt, über Nähe und Distanz selbst entscheiden zu können, dann kommt es zu Problemen. Sei es, dass zu viel Nähe in beengten und überbelegten Wohnungen die Autonomie verletzt, oder zu wenig an Nähe Menschen sozial isoliert. In den Niederlanden spricht man aktuell wörtlich von «Hauthunger». Es geht bei sozialer Nähe immer auch um den Körper. In Österreich haben sich neben alten Menschen Arbeitslose, Schüler_innen und Studierende in der Corona-Krise am häufigsten einsam gefühlt. Kinder und Jugendliche kommen immer wieder vor. Die Daten zeigen eine mehrfache Betroffenheit von jungen Leuten: sowohl was Einsamkeit angeht als auch in Bezug auf Einkommensverlust, Arbeitslosigkeit und Lehrstellenlücke.
Jetzt sagt der Kanzler in der Presseaussendung: «Wir wollen allen Menschen in Österreich so viele Freiheiten wie möglich geben.» Die wird von oben also «gegeben», autoritär gewährt. Für Freiheit ist eine Genehmigung erforderlich. Wenn es aber um die Freiheit der Wirtschaft geht, dann wird diese «gesichert», so der Kanzler in derselben Woche. Die «freie Marktwirtschaft» ist einfach frei in ihrer Naturgewalt. Es gibt also zwei Freiheiten. Darauf hat die Philosophin Isolde Charim hingewiesen. Die eine wird von oben gegeben. Oder wieder genommen. Die andere Freiheit aber ist unantastbar und grundlegend gesichert. Die Freiheit, über existenzsicherndes Einkommen, leistbaren Wohnraum oder gerechte Chancen zu verfügen, wird gönnerhaft «gegeben» oder wieder genommen, nicht aber grundlegend «gesichert». Die eine Freiheit braucht Bittsteller_innen und Untertanen, die andere rechnet mit Bürger_innen auf Augenhöhe.
Vom Konjunkturpaket der Regierung haben Haushalte mit den höchsten Einkommen mehr als Geringverdienende. Sie erhalten fast ein Viertel des gesamten Entlastungsvolumens von 2,6 Mrd. Euro. Das zeigt eine Verteilungsrechnung des parlamentarischen Budgetdienstes. Das deshalb, weil Gutverdienende von der Senkung des Eingangssteuersatzes profitieren, und zwar nachhaltig, während Geringverdienende vor allem Einmalzahlungen erhalten. Die eine Freiheit sichert, die andere gibt. Oder nimmt.

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