Freiheit von welcher Arbeit?tun & lassen

So lange übers Grundeinkommen schreiben, bis es kommt

Alle reden darüber. Auch die, die weit davon entfernt sind, sich als links zu bezeichnen. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ ist ebenso davon zu lesen wie in der österreichischen „Presse“, in den Publikationen der katholischen Sozialakademie Österreichs, in schicken Hochglanzwirtschaftsmagazinen wie „brand eins“ und in räudigen Straßenzeitungen wie dem Augustin. Ist da plötzlich die neue Eintracht ausgebrochen, oder was?Oder ist das vielmehr ein Grund dafür, misstrauisch zu werden? Die Rede ist vom Grundeinkommen. Diskutiert wurde das Grundeinkommen schon vor 30 Jahren (wenn man einmal von jenen Debatten absieht, die sich bis ins vorletzte Jahrhundert erstrecken). Im Gegensatz zu heute war die Grundeinkommensdebatte in den 60er und 70er Jahren allerdings – so versichern die, die damals dabei waren – in größere gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet. Der fehlende Blick auf komplexe politische und wirtschaftliche Zusammenhänge könnte in der Tat als ein Manko der gegenwärtigen Diskussion betrachtet werden. Der Sprung von Grundsatzdiskussionen zur konkreten Umsetzung wirkte auch beim Wiener Kongress, der vom 7. bis 9. Oktober von Attac und den Grundeinkommens-Netzwerken Österreichs und Deutschlands organisiert wurde, nicht immer überzeugend.

Unmittelbar vor der Einführung des Grundeinkommens dürften wir eher nicht stehen, auch wenn Brasilien als positives Beispiel präsentiert wurde. Dabei wurde allerdings ignoriert, dass Präsident Lula die nächsten Wahlen aufgrund zahlreicher Korruptionsaffären der Arbeiterpartei möglicherweise nicht mehr gewinnen wird. Ob ihm da eine Art Haushaltszuschuss für arme Familien helfen wird, ist fraglich. Und ob Alaska, wo EinwandererInnen zum Zweck der Besiedlung des Landes ein Grundeinkommen erhalten, als tolles Modell fürs Grundeinkommen präsentiert werden kann, ist ebenfalls zu bezweifeln.

Wenn die Männer den ganzen Tag zuhause sitzen …

Anregend war die Tagung trotzdem, wenn beispielsweise der Begriff der „Arbeit“ aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wurde: Was ist Arbeit? Nur das, womit man Geld verdient? Oder ist Geld nicht vielmehr ein billiges Trostpflaster für verkaufte Lebenszeit, während die Arbeit, die einer/einem wirklich wichtig ist, woanders stattfindet? Von welcher Arbeit wollen wir befreit werden? Würde die Einführung eines Grundeinkommens bedeuten, dass alle sich dem süßen Nichtstun hingeben würden? Nicht dass dagegen was einzuwenden wäre, doch waren sich die meisten TagungsteilnehmerInnen einig, dass die dadurch freigesetzten Energien dazu benutzt würden, statt für den Überlebenskampf für ein „besseres Leben“ im weiteren Sinn zu arbeiten.

Auszugehen ist dabei immer vom Modell eines Existenz sichernden Grundeinkommens. Die andere Version, das so genannte Sockelmodell, das ähnlich der heutigen Notstandshilfe zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist, würde hingegen, so die vorherrschende Meinung auf dem Kongress, zu Lohndumping führen.

Eine weitere immer wieder zur Sprache gebrachte Annahme war die, dass gesellschaftlich notwendige Arbeit durch das Grundeinkommen endlich auch materielle Anerkennung finden würde. Allerdings bot gerade dieser Punkt Anlass, über die Frage nachzudenken, welche Auswirkungen ein Grundeinkommen auf das Geschlechterverhältnis haben würde. Würde es die Frauen nicht erst recht wieder ins Out drängen? Zugleich meinte eine Frau „Oh je, wenn die Männer den ganzen Tag zuhause sitzen, dann haben die Frauen ja noch mehr Arbeit.“ Die Vision männlicher Verfechter des Grundeinkommens hingegen war noch vor wenigen Jahren, die Zeit dann endlich sinnvoll mit Angeln verbringen zu können. Von einer Mitarbeit im Haushalt, bei Kindererziehung und Pflege war da nicht die Rede.

Heute bedenken immerhin auch schon männliche Diskussionsteilnehmer die reproduktive Arbeit, wenn auch mit eindeutiger Geschlechterzuordnung, nämlich als „Hausfrauenarbeit“.

Grundeinkommen global!

Ausgegangen wurde auf dem Kongress von einem idealerweise an alle Menschen auszubezahlenden Grundeinkommen. Damit sollte die Stigmatisierung, die Notstands- und Sozialhilfe heute bedeuten, vermieden werden. Grundeinkommen also auch für die, die’s nicht brauchen? Wäre das nicht erst recht wieder ein Umverteilung von Arm zu Reich? Die Frage der Finanzierung eines Grundeinkommens schien manchen bereits derart gelöst, dass sie nicht einmal thematisiert wurde, aber so ist es eben mit Utopien. Man muss vom Unmachbaren ausgehen, sonst ist’s ja keine Utopie.

Maßnahmen zur Besteuerung von Finanztransaktionen an der Börse, die so genannte Tobin-Steuer, werden von internationalen Organisationen wie Attac schon seit langem gefordert, bisher mit wenig Erfolg. Eine Frage, die sich beim Kongress aufdrängte, war: Warum geht man davon aus, dass die, die die Kohle haben, sie so ohne weiteres rausrücken werden? Bis heute funktioniert das Sozialsystem hauptsächlich durch die Besteuerung von Arbeit und nicht durch die Besteuerung von Vermögen. Die Verbindung von Arbeit und einem Minimum an sozialer Sicherheit für jene, die keine Arbeit haben bzw. arbeitsunfähig sind, wurde von der ArbeiterInnenbewegung hart erkämpft. In einer Welt, in der uns – erfreulicherweise – die Arbeit ausgeht, wird die Verknüpfung von Arbeit und sozialer Grundsicherung obsolet. Zugleich leben wir immer noch in einer Welt, in der Menschen verhungern.

Und wer wissen will, was miese Arbeit ist, der sollte sich Michael Glawoggers neuen Film „“Workingman“s Death““ anschauen. Über ein Grundeinkommen nachzudenken, kann heute nicht mehr Sache eines oder mehrerer reicher Staaten sein. Wir alle sind BewohnerInnen einer Welt und ein Grundeinkommen sollte zu allererst denen zugute kommen, deren Armuts- und Arbeitsbedingungen lebensgefährdend sind, egal wo auf dieser Welt sie leben.

Weitere Infos unter:

www.grundeinkommen2005.org

www.basicincome.org

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