Fremdsein als Freiheittun & lassen

Sachbuch: Plädoyer gegen die Romantik

Künstlerische Avantgarden und politische Bewegungen schrieben gerne welche: Manifeste. Meist also ein Produkt kollektiver Anstrengungen.

Die Autorin und Künstlerin Marie Rotkopf verfasste ihres alleine – und dennoch vielstimmig. «Antiromantisches Manifest» nennt sie es, und was es sein soll, ist nichts weniger als eine Waffe. Eine ­«poetische Waffe», mittels derer sie sich gegen die von ihr festgestellte Romantisierung in Deutschland und Europa wehrt. Sie versteht diese als Weiterführung der deutschen ­Romantik des 19. Jahrhunderts, in der man sich mit realpolitischen Gegebenheiten nicht befassen wollte, sondern in Innerlichkeit zurückzog. Deutschland, so die 1975 in Paris geborene Autorin, glaube, sich jetzt «romantisch einrichten» zu können und die Schuldfrage nicht mehr stellen zu müssen. Heimat und Nation, das gehe jetzt wieder, es werde getan, als müssen Antisemitismus und Rassismus nicht mehr benannt werden. Durch die Zusammenstellung unterschiedlicher Textsorten wie theoretische Schriften, Zitate, Tagebucheinträge und Kurzgeschichten schreibt Rotkopf für Solidarität und gegen Zugehörigkeit, gegen die USA und gegen Deutschland, für Feminismus und gegen Post-Feministinnen, gegen die Verblendung und für die «Verbundenheit mit dem Realen», gegen «Toleranz» und fürs Fremdsein. «Fremdsein ist unsere Möglichkeit, es ist der Schutz gegen romantische Lügen, gegen die mittelmäßige Akzeptanz der harten Macht». Mitunter tut das weh, die Sprache ist hart, hämmernd, anklagend, selbstbewusst. Manchmal auch sloganlike, oft polemisch, humorvoll, politisch und persönlich, teilweise weich, immer poetisch. Nicht immer werden konkrete Lösungen präsentiert, manches klingt nach Verschwörungstheorie, etwa wenn die «Schlampen» der USA recht brachial zusammengefasst werden. Dennoch, Freund_innen konzeptuell-experimenteller Theorie-Literatur werden auf ihre Kosten kommen. Mit Liebe statt Angst. Lachend und revoltierend.

Marie Rotkopf:

Antiromantisches Manifest

Edition Nautilus 2017, 144 Seiten

14,90 Euro