Fröhliche Musik macht nicht traurigArtistin

Musikarbeiter unterwegs … in Sachen erfrischendem Art-Pop

Mit Autogrill legte der Wiener Musikmach-Verband Euroteuro einen veritablen Überraschungs-hit hin. Nun folgt das Debütalbum Volume I. Von Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).

Von den sympathischen Heavy-Bands Naca 7 und Boon, die, wie wir berichteten, ihre 20-jährigen Jubiläen feiern, geht es in den 3. Bezirk, wo zwei Musiker_innen des fünfköpfigen Kollektivs Euroteuro auf uns warten. Peter T., «Gleicher unter Gleichen» und Ninjare Di Angelo lassen die Geschichte ihrer etwas anderen Band Revue passieren. Dabei begann Euroteuro eigentlich als Soloprojekt, mit dem Peter T. anfangs zu Texten eines Nichttexters Stücke baute, und hat sich seither kontinuierlich entwickelt. Mittlerweile agieren neben unseren Gesprächspartner_innen DJ KAKTUS, Cash Storm und Princess K. unter diesem Namen. Im Gespräch fällt einmal der Begriff «Lerngruppe». «I’m willing to learn it», sagte eine der Euroteuros über ein sich anzueignendes Instrument, eine Haltung, die die 2016 begonnene Arbeit Euroteuros generell durchzieht. Die Pseudonyme verraten einen ausgeprägten Hang zum Spiel mit Musik, Text und Bedeutungen, was die zwölf Lieder von ­Volume I zu einem großen Hörvergnügen macht. Außerdem vermeiden die Künstler_innennamen die Verortung der Gruppe anhand des musikalischen Vorlebens der Musiker_innen, das im einen oder anderen Fall durchaus bemerkenswert war. Aus Spaß wurde Ernst – das mag ein furchtbarer Satz sein, Euroteuro schaffen es allerdings, ihr Ding nicht zu veralbern, «ein bisschen Gaga und ein bisschen DaDa» steht treffend in der Info zu lesen. Eine Förderung durch den Österreichischen Musikfonds für das Album deutet an, dass Menschen, die es eigentlich wissen könnten, nicht zuletzt ein gewisses kommerzielles Potenzial im erfrischenden Ansatz Euroteuros sehen.

Autogrill.

Nach den ersten Auftritten Peter T.s, mit CD und Mikro, kam Ninjare dazu, bei einem Gespräch in einem Lokal schlug sie vor, ein Lied über Autogrill zu schreiben. Peter fand einen Beat, der Text wurde geschrieben, und rasch wurde das Stück aufgenommen. Die eigenen Limitationen am Keyboard brachten Cash Storm in die Band. Eine eher zufällige Reise Ninjares mit einer Freundin nach Italien – dort sind sie zuhause, die Autogrills – produzierte die Bilder für das Video. Fertig war der erste Welthit, den die Süddeutsche gar als «den Sommerhit, der uns von Wanda befreit», zu erkennen meinte (es sei dahingestellt, ob es der Befreiung von Wanda überhaupt bedarf). Peter T. und Ninjare erinnern sich an den Aha-Moment, als sie sich zum Feiern trafen, nachdem mit Support von Bernhard Kern von Siluh Records Autogrill veröffentlicht war, sie die Plays checkten und diese schon bald die 3000 überstiegen hatten … Seither treiben Euroteuro ihr durchaus subversives Spiel mit Schlagerpop und zugespitzter «Einfachheit» gekonnt weiter, wobei sich hinter knappen Liedtiteln wie Kopf, Musik – «traurige Musik macht mich glücklich» –, Mensch, Kündigung, Tagada oder Hausverbot so einiges Substanzielles verbirgt. Sei es in der Musik, die in ihren besten Momenten daran erinnert, dass einstmals die Neue Deutsche Welle eine überaus innovative Angelegenheit war, und dabei Krautrock, Reggae, Punk oder sogar Country einfließen lässt, oder sei es in den Texten.

(Kein) Hausverbot.

«Ich will kein Deutscher sein, ich will kein Serbe sein, ich will kein Marokkaner sein», heißt es in Mensch, und so kann mensch dem grassierenden Nationalismus schon einmal eine lange Nase drehen. («Ich will kein Österreicher sein» ist sich musikalisch nicht ausgegangen.) Mit dem Text von Kündigung hat Ninjare eine Position besetzt, die in einem gesellschaftlichen Umfeld, wo ein Burnout schon beinahe zum guten Ton gehört, nicht hoch genug geschätzt werden kann. «Eine Hymne aufs Kündigen. (…) Ich kündige meine Arbeit und es passt voll und ich stehe dazu, dass ich jetzt einmal nichts hackle.» Dabei stecken Euroteuro in die Liveumsetzung mehr und mehr Arbeit, weil fünf Menschen auf einer Bühne etwas zu tun brauchen. Cash Storm wird Keyboard spielen, Princess K eignet sich die Gitarre an, und es wird richtig geprobt, weil das Flex-Konzert beim Labelfest von Siluh doch einige Erkenntnisse für die noch bühnenerfahrungslosen Euroteuros barg. Peter T.: «Je größer eine Bühne ist, desto einsamer wird man.» Dabei sehen Euroteuro sich bedingt als klassische Liveband, sie legen es nicht unbedingt darauf an, von einem Booker «an Rock im Dorf vermittelt zu werden, wo man dann um drei am Nachmittag spielt». Nicht zuletzt, weil die entsprechende Liveszene männlich geprägt ist, wollen Euroteuro, vier Frauen, ein Mann, das ein wenig anders handhaben. Unmittelbar wird Volume I am 9. 11. in Das Werk vorgestellt. Peter T.: «Das Tolle ist, man hat eine Grundidee, die wirft man in die Gruppe, und dann kommen Sachen heraus – weil wir alle aus unterschiedlichen Bereichen stammen –, die man alleine nie so gemacht hätte.»


Euroteuro: Volume I

Siluh Records

Live: 9. 11., Das Werk

www.siluh.com/artists/euroteuro/