Früher Bergmann, jetzt Kolporteurtun & lassen

Leszek Balcerzak

Ich bin der Leo (die Kolleg_innen vom Vertriebsbüro nennen ihn intern liebevoll Leo-Leo, um ihn von einem anderen Leo zu unterscheiden, Anm. d. Red.). 2009 bin ich zum Augustin gekommen, vorher habe ich auch schon eine Straßenzeitung verkauft, u. z. den «Global Player».

Foto: Mario Lang

Vom Zeitungsverkauf allein kann ich nicht leben, aber weil ich auch keine Unterstützungsgelder erhalte, muss ich mich um Nebenjobs umschauen. Vor allem im Sommer, weil der Augustin im Juli und im August jeweils nur eine Ausgabe pro Monat herausbringt. Ich gehe dann zur MA 48, wo man aber auch nur neun Tage pro Monat arbeiten darf – zu einem Stundenlohn von € 4,50. Das ist problematisch, denn die Lebensunterhaltskosten werden immer höher bzw. es steigt die Inflation – im Gegensatz zur Bezahlung der MA 48 oder zum Verkaufspreis des Augustin. Somit kann ich mir nicht einmal ein Zimmer leisten. Zurzeit schlafe ich in einem Haus der Caritas, gehe aber auch zu den Einrichtungen der Vinzenzgemeinschaft. Im Winter ist es kein Problem, Schlafplätze zu finden, doch jetzt ist es nicht so einfach, weil man immer nur für einen gewissen Zeitraum bleiben kann. Letzten Sommer hat mir eine Stammkundin ein Souterrain zum Wohnen angeboten, was ich auch bis zum Winter, weil es nicht beheizbar war, angenommen habe.

Wegen meiner Allergien und kranken Füße kann ich nicht mehr am Bau arbeiten. Früher, in Polen, habe ich sogar im Bergwerk gearbeitet. Einerseits als Schlosser, andererseits als Bergmann und musste bis zu 1000 Meter unter die Erdoberfläche gehen.

Ich habe viel Kontakt zu polnischen Landsleuten, denn es leben viele in Wien und es gibt richtige Treffpunkte für uns, wie hier am Siebenbrunnenplatz, wo ich den Augustin verkaufe, oder am Praterstern und beim Westbahnhof. Das Problem meiner Landsleute ist, dass sie hierher kommen, um zu arbeiten, weil sie in Polen keine Chance haben, Jobs zu finden, doch sie haben hier keinerlei Kontakte und finden daher ebenfalls nichts.

Ich selber habe 1989 Polen Richtung Deutschland verlassen und seit rund 15 Jahren lebe ich nun in Wien. Meine Familie ist in ganz Europa verstreut: Mein Großvater stammt aus Frankreich, ein Bruder lebt in Deutschland, einige Verwandte sind in England und meine Ex-Frau und meine 33-jährige Tochter leben in Amsterdam und züchten Tulpen.

Ich habe keine Ahnung, ob und wie lange ich noch in Wien bleiben werde, denn ohne Geld kann man keine Pläne verwirklichen. Was ein Plan von mir wäre? Einen kleinen Laden mit polnischen Lebensmitteln zu eröffnen.

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