Früher Propagandawaffe – jetzt Massenuniversitättun & lassen

Ausstellung über das Publizistikinstitut der Universität Wien

Das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien zeigt seine Geschichte. Von der Gründung kurz nach der Nazi-Machtübernahme in Österreich bis heute. Clemens Staudinger besuchte die aktuelle Ausstellung im Institutsgebäude in der Währinger Straße.

Foto: Institut für Publizistik_und Kommunikationswissenschaft

Im März 1938 war Schluss mit der austrofaschistischen Diktatur, sie wurde von jener der Nazis abgelöst. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Universität Wien: Jüdische, sozialdemokratische, kommunistische und andere Lehrer_innen und Studierende wurden verjagt, ermordet oder ins Exil vertrieben. Und ein neues Institut gegründet. Im Herbst 1938 wurde das Institut für Zeitungswissenschaften initiiert. Der Hintergrund ist heute für Zeitgeschichtler klar erkennbar: Weniger Zeitungswissenschaft, vielmehr fundierte Propaganda sollte aus dem neu gegründeten Institut strömen. Nazi-Propagandaminister Josef Goebbels sorgte in Berlin für eine großzügige Finanzierung.

1946 startete das Institut erneut im neuen Österreich. «Demokratie braucht ein fundiertes Pressewesen» war die gültige Lehrmeinung und Basis für die Neueinrichtung des Instituts. In der Ausstellung kommt zutage, dass dies jedoch bis in die 1970er-Jahre ein reines Lippenbekenntnis bleiben sollte. Die Budgets waren mager, das Image des Journalismus noch schlechter als heute.

Ab den 70er-Jahren sollte sich dies ändern: Angesagt war eine Neuausrichtung des Instituts in Richtung einer sozialwissenschaftlichen Disziplin. Mit Erfolg: Internationale Kooperationen wurden eingegangen und die Zahl der neu Inskribierenden stieg kontinuierlich. Das Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft schien in den 1970ern zu brauchbaren Jobs in der Medien- und Kommunikationsbranche zu führen. Die Ausstellungsgestalter erinnern heute daran, dass damals die Wissenschaftspolitik und auch das Rektorat der Universität Wien die rasant gestiegene Nachfrage nach einem Studienplatz in Sachen Publizistik mit dem Argument des «Modestudiums» abtaten. (Mit der Einschätzung von Entwicklungen in Sachen Medien taten sich in Österreich schon einige schwer, so klassifizierte der ÖVP-Bundeskanzler Raab in den 1950ern TV als «Manderl-Radio», das keinen Erfolg haben werde.) Um die Jahrtausendwende wurde die personelle Not des Instituts gelindert: Neue Professor_innen wurden berufen, zahlreiche Forschungsaufträge konnte vergeben werden, und wissenschaftliches Personal konnte angestellt werden. Seit 2012 logiert das Institut im neu errichteten Gebäude in der Währinger Straße.

1938 begann das Institut seine Tätigkeit als Propagandainstrument der Nazis. Heute ist die Politik des Instituts ist nach eigener Aussage an der Idee einer Massenuniversität orientiert. Dies sind auch die Eckpfeiler der Ausstellung.

Zur Methode der Ausstellung sagen die Gestalter: «Das Konzept der Ausstellung ist überdies Ausführungen von Pierre Bourdieu in seinen Büchern ‹Homo academicus› (1988) sowie ‹Vom Gebrauch der Wissenschaft› (1998) verpflichtet. Der Blick in die Vergangenheit richtet sich in der Ausstellung nicht bloß auf kognitive Prozesse und normative Ebenen. Er berücksichtigt auch die institutionelle Ebene. Zu ihr gehören die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Personal und Räume) sowie die Beziehungen zu anderen akademischen Disziplinen und zur ‹Praxis›, das Ansehen eines Fachs an der Universität sowie der gesellschaftliche Problemlösungsbedarf, der in ein Institut hineingetragen wird. Und nicht zuletzt das Faktum, dass bei einer relativ jungen und kleinen Disziplin, wie es unser Fach ist, einzelne Wissenschaftspersönlichkeiten starken Einfluss auf die Entwicklung eines Instituts haben.»

info: «Von der Propagandaschmiede zur Kommunikationswissenschaft» – Ausstellung im Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Währinger Straße 29, 1090 Wien. Das Begleitheft zur Ausstellung ist als Sonderheft von «medien & zeit» gemeinsam mit dem Heft 2015/3 von «medien & zeit» (Titel: «Im Brennpunkt: Fach- und Institutsgeschichte») am Institut erhältlich.

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