Rappers in Prison
Talentförderung der einzig denkbare Bonus des Einsperrens
Resozialisierung ernst nehmen hieße: die Talente der Gefangenen entdecken das wäre sozusagen der einzig denkbare Bonus des Einsperrens: Wo sonst als im Knast gibt es die Muße, die notwendig ist, um ein Talent zu entdecken? Und dann müsste man auch Bedingungen schaffen, dass diese Talente gelebt werden können. Aber leider: Die Kunstprojekte kitzeln Talente hervor, aber die KunstarbeiterInnen streben von einem Handlungsfeld zum anderen.
Die Beteiligten stürzen dann in dem Augenblick, in dem sie ihre Potenziale entdeckt haben, in ein Loch, in dem sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Erfahrung machen, dass diese Potenziale in der Gesellschaft einen Scheißdreck wert sind. Man könnte das durch eine Kontinuität der Kulturarbeit im Häfen und in Folge in Haftentlassenenprojekten bekämpfen. Das geschieht aber bisher leider nicht.
Dass KunstarbeiterInnen von Schauplatz zu Schauplatz ziehen, jedes Mal die eben Wachgeküssten zurücklassend in einer Wüste ohne Küsse, ist kein Vorwurf. Stünden in jeder Anstalt ausreichend Mittel für kontinuierliche Kulturarbeit zur Verfügung und gäbe es ein Kunstsubventionierungs-System, das langem Atem belohnt und nicht Projekt-Manie, fänden KunstarbeiterInnen Rahmenbedingungen vor, den Weg der Bestraften von der Talententdeckung bis zum Einsammeln der Aufmerksamkeitseinheiten zu begleiten oder so selbstverständlich in den Gefängnissen ein- und auszugehen wie katholische Seelsorger oder Häfen-Psychologen. Aus diesem Blickwinkel werden in den kommenden Augustin-Ausgaben weitere Häfen-Kunstprojekte betrachtet, etwa Tina Leischs Film Gangster Girls, Resultat einer Arbeit mit weiblichen Gefangenen.
Dieses Lied ist für euch, ihr Nicht-Genannten,
ihr ohne Namen, ihr Kaum-Gekannten.
Wir werden euch Rede und Antwort steh`n,
und wenn`s sein muss auch durch`s Feuer geh`n.
Ihr Verbliebenen, wir wollen euer Sprachrohr sein
und packen es ein in `nen fetten Rhyme.
Oft klangen eure Schreie durch die Nacht,
doch was kümmert`s mich haben viele gedacht.
Oli sagte: Ich geh` niemals `rein.
Doch dann hörte ich dich mit den ander`n schrei`n.
Bitte helft mir, klang es durch den Gang,
doch niemand kam rein, die Zeit wurde lang.
Ich hörte ihn fleh`n wie um sein Leb`n,
doch niemand wollte ihm Medikamente geb`n.
Am nächsten Morgen fragte ich dann:
Wann fängt bloß eure Hilfe an?
Und als Antwort bekam ich auf mein Begehr`:
Den Oliver, den gibt`s nicht mehr.Freunde, wir vergessen nicht:
Aus Dunkelheit, da wurde Licht.
Wie viele Jahre auch vergeh`n,
ihr werdet immer an den Wänden steh`n.Ein Mörder ist auch die Einsamkeit –
Chris, du hattest noch so viel Zeit.
Du hast es einfach nicht geschafft,
mitten in der Nacht verließ dich die Kraft.
Es ist wirklich das Letzte, an was man denkt:
Du hast dich mit dem Laken an der Klinke erhängt.
Niemand hörte mehr dein Fleh`n,
doch wir werden Rede und Antwort steh`n!
Dieses Lied ist für euch, ihr Nicht-Genannten,
ihr ohne Namen, ihr Kaum-Gekannten.
Im größten Knast in diesem Land
hat jedermann Ernst Karl gekannt.
Auge um Auge, Zahn um Zahn
du warst zwar ein Killer, doch dann kamst du dran.
Sie hielten dich nieder mit Fesseln und Spritzen,
doch immer wieder sah man deinen Geist aufblitzen.
Mit aller Macht hast du darum gerungen,
dein Leben zu leben, ganz ungezwungen.
Du nahmst dir zwar ein Leben fort,
doch rechtfertigt das an dir den Mord?Freunde, wir vergessen nicht:
Aus Dunkelheit, da wurde Licht.
Wie viele Jahre auch vergeh`n,
ihr werdet immer an den Wänden steh`n.Und ihr ander`n, wir kennen zwar nicht alle Namen,
doch glaubt mir, ihr sprengt bei weitem den Rahmen,
und ich weiß, es war euer letzter Wille,
dass man eurer gedenkt in aller Stille.
Doch lasst es uns noch einmal schrei`n:
Tod kann keine Antwort sein …
Rappers in Prison
Alex mc
Chaos Kanzler
Ed. de. Lux
Fresh
Ramirez