„Für mich ist es ein Film übers Leben“Artistin

Beruf, Familie, Spital: Bilder vom Alltag mit Brustkrebs

Derflinger.jpgSabine Derflingers neuer Film zeigt ein Porträt zweier an Brustkrebs erkrankter Frauen: der Schauspielerin Frederike von Stechow und der Straßenbahnfahrerin Marijana Gavric. Ein Gespräch über Eine von 8.

Oft liegt zwischen der Idee zu einem Film und dessen Realisation ein längerer Zeitraum; im Fall von Eine von 8 ging alles schnell und überraschend. Die in Graz lebende Schauspielerin Frederike von Stechow, bei der Krebs diagnostiziert wurde, suchte jemanden, der einen Film über sie machen würde. Ich war zufällig gerade in Wien, denn ich lebe ja eigentlich in Berlin, erzählt Sabine Derflinger, da ruft mich ein Freund an und sagt: Eine Freundin von mir hat Brustkrebs und möchte, dass jemand die Krankheit filmisch begleitet. Willst du das machen? Eigentlich wollte ich das überhaupt nicht machen, aber (…) dann traf ich sie und mochte sie. Es ist so eine tolle Frau. Dann habe ich mich ganz schnell entschlossen, ein Konzept zu schreiben und den Film auch selbst zu produzieren, denn es war überhaupt keine Zeit mehr, eine Produktionsfirma zu suchen. Das war im Jänner 2008, im März wurde mit den Dreharbeiten begonnen, die bis November dauerten. Ich hab in der Zeit nicht einmal eine gescheite Wohnung gehabt in Wien. Ich hab das aus dem Plastiksackl heraus produziert.

Während eines Spitalstermins lernte Frederike von Stechow die ebenfalls an Brustkrebs erkrankte Marijana Gavric kennen, die nicht nur nichts dagegen hatte, gefilmt zu werden, sondern auch selber an dem Projekt mitmachen wollte. Beide Frauen hatten eigene Kameras, mit denen sie selbst aufnehmen konnten, was ihnen wichtig schien. Es ging nicht um perfekte Bilder, entscheidend war von Anfang an die Eigeninitiative der Hauptpersonen, die souverän bleiben und nicht als Beobachtete herüberkommen. Dokumentarisches Arbeiten bedeutet für Sabine Derflinger, viel Zeit – auch ohne Kamera – mit den ProtagonistInnen zu verbringen. Das Spezielle an dem Film ist natürlich, dass er sehr intuitiv entstanden ist, dass er sehr gemeinsam mit der Hauptprotagonistin entstanden ist. Dass beide Frauen selber eine Kamera hatten mit der sie drehen konnten, dass es diese subjektive Wahrnehmung gibt, die sie mit unserer verbindet, dass er davon lebt, dass man den Frauen sehr nahe ist, davon lebt, dass wir viel Zeit mit den Frauen verbracht haben, uns befreundet haben.

(zwiti) Beileibe kein Tränendrücker

Sabine Derflinger setzt sich in ihren Filmen (z.B. Schnelles Geld oder Vollgas) oft mit Menschen in Grenz- und Extremsituationen auseinander. Das Thema Krebs ist an sich nicht unterhaltsam. Dass ein Film darüber für Zuschauer eine Zumutung sein könnte, befürchtet die Filmemacherin nicht. Ich finde, dass der Film sehr schön ist. Und obwohl er vom Tod handelt, eigentlich sehr viel über das Leben erzählt, nämlich über das Leben dieser beiden Frauen, die in der Mitte ihres Lebens stehen oder noch ein bisschen jünger sind. Für mich ist es ein Film übers Leben. Mit sehr vielen berührenden Momenten und mit sehr vielen Fragen, die sich jeder Mensch stellt, weil sterben werden wir alle früher oder später. In dem Fall ist die Bedrohung des Todes sehr präsent, aber was der Film zeigt, sind Fragen, die jeden betreffen. Der Film ist sehr lebensbejahend und sehr positiv.

In Eine von 8 gibt es keinen über die Bilder gesprochenen Kommentar, auch keine Experteninterviews. Das wäre nicht passend gewesen, hätte die Form des Films gesprengt. Wir wollten von Anfang an nicht mehr zeigen, als das was ist. Wir sind ja auch sehr in den Moment eingetaucht, haben uns spontan entschieden, dies und das zu entwickeln, erklärt Sabine Derflinger. Der zeitliche Ablauf bis zum Ende der Therapien gab eine gewisse Struktur vor. Wir sind immer wieder nach Graz gefahren und haben gewusst: Heute passiert das und das. Wir wollten aber auch den Alltag zeigen, aus der klaustrophobischen Situation des Krankenhauses weg. Man sieht die beiden Frauen mit ihren Kindern spielend, mit Freunden und Verwandten, Frederike von Stechow in Bühnenrollen, Marijana Gavric als Lenkerin einer Straßenbahn. Auch wenn man diese Krankheit hat, muss man als Frau einkaufen gehen, muss man sich um seine Kinder kümmern, hat man einen Beruf, hat man ein Familienleben. Die Dinge, die einen sonst beschäftigen, die bleiben ja gleich (…) und das wollten wir einfangen, nach dem haben wir uns gerichtet.

Film ist für Sabine Derflinger in erster Linie ein Mittel der Kommunikation mit dem mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden können auf der intellektuellen wie der emotionalen Ebene. Es ist ihr wichtig gerade über emotionale Elemente möglichst alle Menschen anzusprechen. Bei den Empfindungen sind wir uns ähnlich. Wenn es um den Intellekt geht, erreicht man halt nicht alle Menschen, nur ganz bestimmte Menschen. Über die Emotionen sind wir alle miteinander verbunden. Eine von 8 ist dabei aber beileibe kein Tränendrücker. Es werden Ängste und Unsicherheit zum Ausdruck gebracht, aber auch Hoffnung und Freude. Denn so traurig alles ist, trotzdem haben wir Spaß gehabt beim Drehen.

Statistisch gesehen erkrankt in Österreich eine von acht Frauen an Brustkrebs. Es ist die häufigste Todesursache von Frauen zwischen 30 und 60. Auch Frederike von Stechow überlebte die Krankheit letztlich nicht. Sie starb im Juli 2009.

Jenny Legenstein

Info:

Eine von 8

ab 16.10.09 im Kino

www.einevonacht.com

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