Fürchtet euch nicht!Dichter Innenteil

Gottfrieds Tagebuch

13.12.

«We got him!», lautet die lapidare Meldung zur Festnahme von Saddam Hussein.In einem beinahe luxuriösen Erdloch soll er also zuletzt gehaust haben. Was allerdings einen bekannten Kärntner Politiker schier in den Wahnsinn trieb. Denn der bemerkte nun, dass er ganz offensichtlich die verwichenen ca. 8 Monate einen Doppelgänger durchgefüttert haben muss.

14.12.

Ich bin patriotisch und wohne televisionär und daumendrückend einem Schirennen bei. Unvermeidlich sind in diesem Fall natürlich Kommentatoren. Und die haben nicht selten einen gewesenen Schistar bei sich, der fachlich kompetent zur Seite sitzen soll. Der größte Feind dieser beiden Personen ist leider oft die Sprache und ihre grammatikalischen Hürden. Es kann aber auch zu kleineren Ungereimtheiten kommen, wenn wie heute von aggressivem Schnee die Rede ist. Die Welt an sich wird, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, immer aggressiver – und jetzt auch noch der Schnee! Liebe Halbwüchsige, die Ihr jetzt vielleicht Angst vor dem Schulschikurs bekommt, fürchtet euch nicht, es ist alles nicht so schlimm! Die Verlierer bei Schirennen brauchen, so wie jeder gelernte Österreicher, eine Ausrede, falls es einmal nicht nach Wunsch klappt. Dann war eben wie in diesem speziellen Fall der Schnee aggressiv.

16.12.

Ich bekomme im Zuge meiner Verkaufsbemühungen eine halbvolle Schachtel Zigaretten geschenkt. Schön! Die neuen Warnhinweise auf den Packungen? Weniger schön und nicht wirklich sinnvoll, wie ich meine. Denn dann müsste zwangsläufig bei TV-Sendungen, in denen nach Stars aller Art gefahndet wird, ja auch eine Einblendung durchs Bild laufen, auf der in etwa steht: Fernsehen kann zu schweren geistigen Schäden führen und ein gesehenes Interview mit Dieter Bohlen kann sie auf der Stelle töten! Aber fürchtet euch nicht, denn ich bin ja da, um euch zu warnen und auf den rechten Pfad der Tugend zu führen. Hat zumindest laut Bibel vor ca. 2000 Jahren jemand behauptet, dessen Geburtstag wir demnächst feiern.

18.12.

Fröhliche Menschen, friedliche Stimmung, alle haben sich lieb. Wo könnte das sein? Jedenfalls nicht bei uns! Ich werde Ohrenzeuge einiger Diskussionen über Preise möglicher Weihnachtsgeschenke. Das Ganze wird bei einem Punsch um günstige 3,50 Euro diskutiert. Mir wäre diese Problematik völlig egal gewesen, hätte nicht mein elektronischer Babysitter (=Fernseher) wie folgt zu mir gesprochen. Laut einer Studie der Universität (?) in (?) trinken 90% der Weltbevölkerung Alkohol. Sehr geistvoll. Was aber machen die restlichen 10%? Sind das alles radikale Islamisten, oder militante, angebliche Ex-Alkoholiker wie George W. Bush? Wenn das die Alternativen sein sollen, dann lieber weiter saufen!

20.12.

Oh, du fröhliche! Es weihnachtet gar nicht sehr! Zwar sind viele Leute unterwegs, aber sie schauen nur. Egal welcher Volksvertreter die Lage schönreden will, die sozialen Probleme nehmen zu. Rekordarbeitslosigkeit wird als saisonal bedingt abgetan, aber das wurde im August auch schon behauptet. Und die Freude auf 2004 hält sich bei vielen in Grenzen. Zu guter letzt kann ich auf dem Heimweg einen Mann beobachten, der ganz höflich seiner Frau die Bierkiste tragen ließ, während er ein dringendes Telefonat zu erledigen hatte. Oh, du fröhliche!

23.12.

Letzter Tag des Kunstadventmarktes im Resselpark. Mit Christa’s Sparküche aus der UHUDLA-Edition konnte ich mir einen Großteil meiner Geschenke für das Weihnachtsfest verdienen. Zwei Bücher Wiener Wut wurden noch bei mir bestellt, und die müsste ich mir beim UHUDLA-Max holen. Aber der ist beim Arzt. Ich bin hin und her gerissen. Was tun? Zu meiner Dentistin Lisl Becker muss ich ja heute auch noch. Irgendwie schaffe ich es zeitgerecht in die Schnellbahn, nur um dann festzustellen, dass ich die falsche Linie erwischt habe. Ich stehe in Speising in lähmender Dunkelheit und ohne mögliche Auskunftsperson. Mein Wertkartenhandy sagt etwas von 5 Euro Guthaben, also erfrage ich den Weg zur äußerst lieben Folterknechtin telefonisch und alles wird gut.

24.12.

Stille Nacht, heilige Nacht? Abgesehen davon, dass es heuer keine weiße Weihnacht gibt, beunruhigt mich der in der Stadt nicht abebbende Verkehr. Noch vor wenigen Jahren beruhigte sich die Stadt um 16 Uhr und es kam zumindest so etwas Ähnliches wie Weihnachtsstimmung auf. Nicht so heuer. Auf den Hauptstraßen Wiens herrschte Verkehr wie an ganz gewöhnlichen Tagen. Der diensthabende Augustinverkäufer wurde zwar registriert, aber wirklich besinnlich schienen mir die Menschen nicht gestimmt zu sein. Ich treffe zufällig Christoph, einen lieben Bekannten, den ich schon länger nicht mehr sah. Und muss erfahren, dass es in seiner Familie leider kürzlich einen Todesfall gab. Ich versuche Belangloses ins Gespräch zu werfen, jedoch muss ich gestehen, dass meine Versuche zur Aufheiterung von Christoph ins Leere gingen. Auf diesem Wege hoffe ich, dass es Dir schon wieder besser geht.

3.1.

Parteiklausuren, so genannte Arbeitsklausuren. Sie finden jetzt vermehrt als verschleierter Weihnachtsurlaub statt. Und zwar in möglichst teuren Seminarhotels. Bezeichnend, dass unser Kanzler Dr. Wolfgang Schüssel solche Dinge im Sommer immer in St. Wolfgang/See abhält.

5.1.

Ich war direkt im Feindesland! Inmitten von Schneehaufen. Keinerlei Aggression war zu spüren, außer vielleicht bei den Autofahrern. Die natürlich nicht damit rechnen konnten, dass es im Jänner in Wien schneien würde. Der Schuldige lag jedenfalls völlig friedlich vor sich hin und zeigte seine weiße Weste.

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