Arbeitsplatz Weihnachtsmarkt
Weihnachtsmärkte haben uns in der «Wiener Wirtschaft» ja schon in manchem Jahr beschäftigt. Diesmal aber soll es nicht um Gentrifizierung (siehe Augustin 426) oder parteinahe Veranstaltervereine (Augustin 412) gehen, sondern um die dortigen Arbeitsbedingungen. Martin Birkner hat sich umgehört.
Sie sind mittlerweile fixer Bestandteil des vorweihnachtlichen Innenstadtlebens geworden. Gerade in Zeiten neoliberaler Kälte und drohender rechter bis rechtsextremer Regierungen suchen viele Menschen offensichtlich die Gemeinsamkeit in heißem Punsch und Kunstkitschhandwerkseinkauf. Erst neulich teilte meine Bim-Sitznachbarin in voller Lautstärke über ihr Handy mit, dass sie sich schon sehr auf den Ausflug zum Salzburger «Christkindl-Markt» freue. Für den Autor dieser Zeilen zwar völlig unverständlich, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Weihnachtsmärkte sind jedoch nicht nur überlaufene und -teuerte Zusammenballungen feucht-fröhlicher Menschenmassen, sondern auch Arbeitsplätze. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt müssen die Arbeiter_innen stundenlang in ihren Hütten ausharren, dabei unentwegt Horden von meist betrunkenen, zwangslustigen Menschen ausgesetzt. Wer allerdings glaubt, dass diese Schwerstarbeit wenigstens mit guten Bedingungen und fürstlichen Gehältern einigermaßen abgegolten wird, hat sich getäuscht.
Zwangsbelustigung und Dumpinglöhne.
Wer nicht seine selbstproduzierten Waren versucht an den Mann und an die Frau zu bringen, wird für gewöhnlich mit einem äußerst dürftigen Salär abgespeist – und mitunter überhaupt «schwarz» beschäftigt. Bei manchen Ständen in der Innenstadt, so eine Insiderin, werde überhaupt kein fixes Gehalt mehr bezahlt, sondern nur noch umsatzabhängige Prämien. So geht es beispielsweise am Markt am Maria-Theresien-Platz zwischen dem Kunst- und dem Naturhistorischen Museum hauptsächlich darum, ganze Busladungen von Tourist_innen zum Stand zu locken.
Die Stundenlöhne bei den meist geringfügig Beschäftigten (und nicht selten jedoch weit darüber hinaus Arbeitenden) liegen meist bei 6 bis 9 Euro, selten darüber. Hinzu kommt im Optimalfall noch eine kleine Prämie – und das Trinkgeld. Letzteres aber, so Petra*, die selbst auf einem Weihnachtsmarkt im Ersten arbeitet, sei deutlich unter dem normalen Durchschnitt in der Gastronomie angesiedelt. O-Ton: «Das liegt wohl am massentouristischen Skihütten-Flair.» Betreiber_innen, die Löhne im oberen Bereich der obigen Skala bezahlen, kassieren dafür auch schon mal das gesamte Trinkgeld ein. Diese Erfahrung machte Peter* am Markt am Maria-Theresien-Platz. Dafür müssen sich die Arbeiter_innen von betrunkenen Besucher_innen herumkommandieren lassen. Frauen berichten von regelmäßigen Belästigungen durch «lustige» Männerrunden. In der romantischen Weihnachtszeit zeigen sich «unsere Werte» wohl besonders deutlich …
Besinnlicher Profit – bloß für wen?
Von oft selbstorganisierten kleinen Märkten, auf denen Kunsthandwerker_innen ihre Produkte verkaufen und soziale Initiativen ihr Budget aufbessern, ist wenig geblieben. Weihnachtsmärkte sind ein Big Business geworden. Alleine auf den Wiener Märkten werden rund 8 Millionen Punschtrinker_innen erwartet, der Umsatz beträgt in etwa eine halbe Milliarde Euro! Bei den Beschäftigten bleibt nur wenig davon hängen, außer vielleicht eine ordentliche Verkühlung. Nicht wenige der Stände sind nicht einmal mit einem Heizstrahler ausgestattet, so Pjotr*, der am Spittelberg zwar einigermaßen gut verdient, dafür aber ständig unter kalten Füßen leidet. Die kommerziellen Standbetreiber_innen sowie die Chef_innen der Betreibervereine haben mit derlei Problemen wohl eher nicht zu kämpfen. Sie zählen im Warmen ihren Reibach. Ein letzter Tipp an unsere Leser_innen: Ein Augustin ist billiger als ein Punsch, bringt Leser_in wie Verkäufer_in was – und verkleistert weder Magen noch Gehirn!
PS: Mit dieser «Wiener Wirtschaft» verabschieden wir uns nicht nur vom Jahr 2017 (in der schwachen Hoffnung, das nächste möge besser, zumindest aber widerständiger werden), sondern auch von Ihnen/euch, liebe Leser_innen. Seit März 2015 haben wir uns bemüht, einen kritischen Blick «von unten» auf die Ökonomie unserer Stadt zu werfen. Wir hoffen, zumindest das eine oder andere Lichtkegelchen ins dunkle Dickicht des Wiener Kapitalismus geworfen zu haben, und verabschieden uns mit dem Wunsch nach erholsamen Feiertagen und einen «Guten Rutsch»! Wir freuen uns jedenfalls auf ein Wiederlesen im neuen Jahr, denn in der einen oder anderen Form werden wir auch weiterhin den Augustin unterstützen. Last, not least möchten wir uns bei unserem Illustrator Much für seine Präzision und seinen Humor bedanken – sie haben unsere Texte mehr als nur bereichert.
*Namen von der Redaktion geändert