Furios erzählter historischer AberwitzArtistin

Roman

Mit der Mär von der als «Entdeckung» bezeichneten Invasion von Europäern in Amerika räumt Franzobel nicht nur im Titel gründlich auf. Trotz jahrelanger Recherchen muss er dabei oft im Dunklen tappen; er gleicht dies mit großer Wortgewalt aus. Historische und auch aktuelle (!) Ereignisse werden skurril gewürzt, die Religionen auf dieser Welt bzw. schwere charakterliche und körperliche Mängel von Führungskräften werden hemmungslos durch den Kakao gezogen. Franzobel brennt in den buntesten Farben ein fantastisches Feuerwerk ab und schmückt alles bis ins kleinste Detail aus. Alles ist getragen von einem humorvollen und ironischen Grundton; wohl ein Kunstgriff, um die bei der Conquista begangenen Grausamkeiten zu verkraften. Als Leitfigur hat sich Franzobel den spanischen Haudegen Hernando de Soto ausgesucht, der, nach erfolgreichen Eroberungen in Mittelamerika und mit Pizarro in Südamerika, auf der Suche nach dem sagenhaften El Dorado in Florida und darüber hinaus auf allen Ebenen scheitert, so wie schon andere Expeditionen zuvor. Diesen Landnahmen im 16. Jahrhundert ist gemein: Die scheinheiligen christlichen Eroberer mordeten, brandschatzten und vergewaltigten, was das Zeug hielt. Ihre effektivste Waffe hatten sie jedoch gar nicht bemerkt: Viele Millionen Menschen (am ganzen Doppelkontinent) wurden von eingeschleppten Krankheiten dahingerafft und ganze Völkerschaften ausgerottet. Dem Sog dieses Buches ist schwer zu entkommen, es sei denn, jemand lässt sich von den zahlreichen Verweisen auf Zeitgenössisches aus dem Lesefluss herausreißen.

Franzobel: Die Eroberung Amerikas
Paul Zsolnay Verlag 2021
544 Seiten, 26 Euro

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