Gebühren zahlen und kuschen?Artistin

Das Funkhaus ist so schlecht wie verkauft - wo bleibt dann Ö1?

Was da von der Argentinierstraße bis zum Küniglberg weht, ist noch nicht der große Sturm der Entrüstung, aber so ein Hauch von Zwentendorf bis Hainburg ist das schon. Und er nimmt stündlich an Fahrt auf. Erich Félix Mautner über den Kampf ums Funkhaus und um Ö1.

Foto: Dieter Scherr

Seit merkbar ist, dass Alexander Wrabetz daran arbeitet, seinen Sparwillen weiterhin an den wertvollsten Ecken des ORF-Imperiums abzuarbeiten, nämlich an Ö1 (dort werden laufend die profiliertesten Mitarbeiter_innen heimgeschickt, sobald sie ein gewisses Erwachsenenalter erreicht haben) und FM4, klettern viele Gebührenzahler gemeinsam mit ORF-Mitarbeiter_innen auf die Barrikaden. In einem offenen Brief zählen z.B. 200 deklarierte ORF-Mitarbeiter_innen und eine Zahl von Personen, die sicherheitshalber anonym bleiben wollen, eine Liste von Argumenten auf, warum die Absiedelung der Ö1- und FM4-Redaktion vom denkmalgeschützten Funkhaus auf den angeblich verfallenden, aber auch denkmalgeschützten Bau am Küniglberg auch das Ende dieser Ausnahmesender bedeuten werde.

Widerstand gibt es unter anderem gegen den Plan, Nachrichten künftig in einem gemeinsamen Newsroom zu produzieren: «Der multimediale Newsroom als Einheitslösung – ein Fetisch von gestern – hat auch erhebliche Nachteile. Sollte der ORF nicht progressivere Wege einschlagen?»

Weil Wrabetz jetzt nicht nur auf die ausplaudernden Insider böse ist, sondern auch auf den «Standard», der den offenen Brief abdruckte, antwortet er, ebenfalls öffentlich einsehbar, mit einer Portion Zynismus, in der «Presse»: «Glückliches Österreich! könnte man sich angesichts der aktuellen öffentlichen Diskussion um den Umzug der ORF-Radios in das erweiterte ORF-Zentrum denken.»

Der ORF-Boss beruhigt: «Ö1 wird nicht in einem amorphen Newsroomcluster aufgehen, sondern am neuen Standort auch räumlich und organisatorisch eine eigene Einheit bilden. Und die neuen Räumlichkeiten werden deutlich besser und auf die besonderen Erfordernisse der Ö1-Redaktionen ausgerichtet sein als bisher.» Weil: «Das ORF-Zentrum ist fast 40 Jahre alt, das Funkhaus fast 80 Jahre.» Mit der geplanten Einführung eines Ö1-Channelmanagers, also eines Ö1-Chefs, bekomme der Sender erstmals eine hauptverantwortliche Leitung mit eigenen Ressourcen und eigenem Stab. Der Verkauf des Funkhauses, der in diesem Jahr eingeleitet und im kommenden Jahr abgeschlossen werden soll, werde in «voller Transparenz» durchgeführt. Es gebe noch keinen feststehenden Käufer. Sollte der Eigentumsübergang vor der Absiedelung erfolgen, werde eine Rückmiete nur dann in Betracht gezogen, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sei, sonst erfolge der Eigentumsübergang eben später. Dadurch entstünden keine Mehrkosten. Gerhard Ruiss (IG Autor_innen) dazu: «Das Budget des ORF und der Stadt Wien für den Song-Contest übersteigt den Verkaufspreis des Funkhauses.»

Die Spatzen pfeifen gelegentlich anderes. Die Eigentümer_innen und die Mitarbeiter_innen des Österreichischen Rundfunks, nämlich rund 8,5 Millionen Österreicher_innen, scheinen den Zusagen nicht zu trauen. Denn zigtausende Bürger_innen versammeln sich derweil – zumeist online – unter verschiedenen Flaggen zum Widerstand gegen die Absiedelung der Qualitätssender und den Verkauf des historischen Baues von Clemens Holzmeister, Heinrich Schmid und Hermann Aichinger in der Argentinierstraße. Wrabetz versuchte das Gebäude zu entwerten, indem er daran erinnerte, es sei architektonischer «Ausdruck des Austrofaschismus».

85.000 Unterzeichnende versammelt die Bürgerpetionen-Seite im Internet. Aus der Petition: «Guter Journalismus ist heute nicht mehr selbstverständlich. Budgets werden gekürzt, Sendungen banalisiert, tiefgründige Recherche fällt weg. Radio Ö1 hat lange für Qualitätsjournalismus gestanden — doch jetzt droht dem hochqualitativen Programm das Ende. Retten wir Ö1 jetzt gemeinsam vor dem Verfall!» Gefordert wird die Beibehaltung der spezifischen Senderidentität und eine eigenständige Programmplanung, die nicht von einer zentralen multimedial agierenden Instanz vorgegeben wird.

Der Verband der Gebührenzahler_innen formiert sich

Am 19. Februar hat sich im Literaturhaus in Wien der Verband der Gebührenzahler und Gebührenzahlerinnen konstituiert. «Als seine Hauptaufgaben für die nächsten Monate sieht der Verband: 1. die Erhaltung des Funkhauses als Standort für die Radioprogramme Ö1, FM 4 und Radio Wien, 2. die Bewahrung der Eigenständigkeit von Ö1, 3. die Erhaltung der Informationsdemokratie im ORF, 4. die Unterstützung aller Bestrebungen in dieser Richtung.» Der Dynamo des Verbandes der GebührenzahlerInnen ist der Kunst-Lobbyist, IG Autor_innen-Geschäftsführer Gerhard Ruiss, Kulturpublizist Peter Stuiber, Online-Kulturmagazinherausgeber Manfred Horak, Geisteswissenschafter Peter Mahr, Journalistenvertreter (im Namen von etwa 7000 Mitgliedern) Fred Turnheim, die Autorin und Herausgeberin Barbara Neuwirth und der Schreiber dieser Zeilen.

Dieser Verband legt seiner Gründungserklärung gleich eine Latte von 25 Forderungen bei. Zwei davon herausgegriffen:

Die Musik auf Ö3 wird durch eine Agentur programmiert, wir fordern die Programmierung der Musik auf Ö3 durch den Sender selbst.“

Die Rolle des Kulturfeigenblattes in den Selbstdarstellungen des ORF ist von Ö1 zu ORF III gewandert. ORF III produziert und sendet zu unvorstellbar schlechten Bedingungen, im Gegensatz zu Ö1, wo bis jetzt für die festangestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen halbwegs vertretbare Bedingungen aufrecht erhalten werden konnten. Der ORF möchte die katastrophalen Sende- und Produktionsbedingungen (unbezahlte Mitarbeit, Nichteinhaltung mit dem ORF abgeschlossener gültiger Verträge, Programmeinkauf bei Billigproduzenten usw.) auch bei seinen anderen Sendern durchsetzen. Wir fordern den ORF zu einem korrekten Umgang mit den für ihn erbrachten Leistungen auf allen seinen Sendern auf. Wir verlangen vom ORF die Einhaltung seines Kulturauftrags ebenso im Hörfunk wie im Fernsehen.

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