Geht´s mich was an? Kafka 2018: kein Prozesstun & lassen

Die «gelernten Österreicher» kennen den Roman von Franz Kafka und wissen, dass verworrene Verfahren tatsächlich existieren. Im Verwaltungsverfahren kann die Aufklärung von einfachen Fragen durchaus Monate dauern – die Betroffenen empfinden das nicht selten als «psychologische Folter». Und foltern wollen wir ja nicht – darum die Weiterentwicklung von einem undurchschaubaren Prozess zu keinem:

Frau S. möchte ihr Doktoratsstudium in Österreich beginnen – ihr Ehegatte lebt hier, ist selbst Forscher an einer österreichischen Uni, also bemüht sie sich um die Studienzulassung, sammelt viel Papier für eine Aufenthaltsbewilligung als Studierende und meint, dass der Wohnnachweis des Ehegatten reicht: Die Wohnung ist nicht groß, aber ausreichend.

Die tatsächlich bewohnte Wohnung wäre schon passend, aber im Vertrag steht irgendein Unsinn. Die Niederlassungsbehörde bemängelt das, der Gatte streitet mit dem Vermieter und bekommt das richtige Dokument, aber zu spät – der negative Bescheid ergeht vorher. Weil kluge Menschen keinen Postverkehr um die halbe Welt in ein Land mit zweifelhafter Zustellsicherheit wollten, liegt eine Vollmacht vor, und der Gatte schreibt die Beschwerde selbst – auf Englisch.

Die wesentlichen Elemente stehen schon drinnen, ein Verbesserungsauftrag wäre schon möglich gewesen, aber das riecht nach Arbeit: Der Akt wird dem Verwaltungsgericht kommentarlos vorgelegt. Und wie von Geisterhand fehlt ein «Zettel»: Die handschriftlich verfasste Beschwerde. Jetzt schlägt «Kafka 2018» zu: keine Beschwerde – kein Verfahren. Und spitzfindig, wie Jurist_innen sein können, ist auch schon die Frist abgelaufen. Ergebnis: Der Akt wird an die erste Instanz retourniert und ist «erledigt».

Die Behörde weist jede Verantwortung von sich: «Wenn es keine Beschwerde gibt, ist das Gericht nicht zuständig, wir haben den Akt als abgeschlossen abgelegt.» Wo die Beschwerde hingekommen ist – Achselzucken. Warum der Akt ans Gericht übermittelt wurde, wenn es doch keine Beschwerde gab? Achselzucken.

Entweder wird also ein neuer Antrag eingebracht und Dokumente wie der Strafregisterauszug neu beschafft – das dauert Monate. Oder man stellt nach sechs Monaten (zweieinhalb sind schon vorbei) einen Fristsetzungsantrag. Dann geht der Verwaltungsgerichthof «Akten suchen». Dauer: unbekannt. Wir sind 2018 menschenfreundlich: (k)ein Verfahren – (k)eine Psychofolter.

Peter Marhold

Helping Hands