Geht’s mich was an? Störfaktorentun & lassen

In Wien, wie auch in anderen Städten, wird ständig ausgehandelt, wer zur urbanen Gesellschaft dazugehört und wer weniger willkommen ist, wer Zugang zu Ressourcen erhält und wer nicht. Ganz besonders deutlich zeigt sich dies im öffentlichen Raum.

Öffentliche Orte bieten die einzig noch verbliebene Möglichkeit für ein Zusammenkommen unterschiedlichster Menschen und ihrer verschiedenen Lebensentwürfe. Besonders für Menschen, die von Armut betroffen sind, sind konsumfreie Räume daher besonders wichtig. Für bettelnde Frauen und Männer sind sie sogar existenziell. Sie sind darauf angewiesen, denn nur in der Öffentlichkeit können sie auf ihre Notlage aufmerksam machen und von Passant_innen Spenden erbeten.

Mit der neuen Stadtregierung wird dieser Raum für armutsbetroffene Menschen zunehmend eingeschränkt. Michael Ludwig erklärte deutlich, in einem kürzlich im Standard erschienenen Interview, dass er gegen die «Verfestigung einer Szene Obdachloser und Alkoholiker» ist.

Unter dem «Deckmantel» des «subjektiven Sicherheitsgefühls» werden daher missliebige Menschen brutal vertrieben, nicht nur durch die Polizei oder Sicherheitsdienste, sondern auch durch Verordnungen wie das jüngste Alkoholverbot am Praterstern. Für ein optimales Standortmarketing in einer durchkommerzialisierten Stadt sind die Marginalisierten der Gesellschaft nur noch ein Störfaktor.

In Einsatzteams bestehend aus zwei Polizeibeamt_innen und zwei Schnellrichter_innen werden bettelnde Menschen nach dem Wiener Landessicherheitsgesetz, dem Eisenbahngesetz, der Eisenbahnschutzvorschrift und der Straßenverkehrsordnung beamtshandelt. Begehen sie eine Verwaltungsübertretung, werden sie sofort bestraft, manche sogar festgenommen. Dass die Verwaltung gleichzeitig als Anklägerin und Richterin in einer Person einsperren darf, ist einzigartig in Europa. Das Büro für Sofortmaßnahmen brüstet sich damit, «rasch und effizient» abzustrafen, um «eine nachhaltige Verbesserung der Situation zu bewirken». Die Frage ist, welche Situation für wen verbessert wird? Bettler_innen werden in Wien als sicherheitspolizeilicher Faktor behandelt, ihre Armut nicht anerkannt, soziale Unterstützungsangebote bleiben ihnen als sogenannten «Nichtanspruchsberechtigten» verwehrt.

Zum Glück gibt es immer noch zahlreiche Passant_innen, die sich nicht von den Zerrbildern sogenannter «Bettelbanden» täuschen lassen. Mit zunehmender Repression steigt auch die Solidarität mit armutsbetroffenen Menschen. Immer mehr Frauen und Männer melden sich auf der Hotline der BettelLobby Wien, um zu erfahren, wie sie Betroffene unterstützen können.

Meldet auch ihr euch bei uns unter der Nummer 0 660 348 28 26.

Annika Rauchberger

BettelLobby Wien