Geld oder Kunst?Artistin

Markt, Wirtschaft, Arbeit, Kunst. Hängt natürlich alles zusammen. Wie sich bildende Künstler:innen mit ökonomischen Bedingungen im Kapitalismus auseinandersetzen, zeigen zwei Ausstellungen und andere Beispiele.

TEXT: Ruth Weismann

«Money, money, money, must be funny, in the rich man’s world», sangen Abba 1976 treffend. Die reichsten Menschen der Welt sind: Männer. Tech-Unter­nehmer, Industrielle, Luxusmarkenbesitzer. Keine Künstler:innen unter den Top 10. Aber Milliardär:innen kaufen ja öfter mal Kunst. Um 21 Millionen ­Dollar ging jüngst ein 1968/69 entstandenes Bild des Malers David Hockney über den Auktionstisch.
Gleichzeitig leben die meisten Künst­ler:innen prekär. Ob sie damit einverstanden sind, dass ihre Kunstwerke zu ­Objekten millionenschwerer Spekulation werden? Eine Frage, der sich die Mehrheit nicht stellen muss, auch wenn sie durchaus in einen (Kunst-)Markt eingebunden ist. Wir leben jedenfalls in ­einer Zeit, in der Spekulieren generell im Trend liegt. Via App und Browser versuchen inzwischen nicht mehr nur Finanzinsider:innen, Geld gewinnbringend anzulegen. Ob in klassische ­Aktien, Kryptowährungen oder NFTs – alle scheinen aufs schnelle Geld zu hoffen. Die Ratgeber und YouTube-Videos, die uns in zehn ­Investitionsschritten reich machen wollen, sind in den letzten Jahren dementsprechend explodiert.

«And still there never seems to be a ­single penny left for me.»

Kein Wunder, dass auch die Kunst auf die Ökonomie kommt und sich die Frage stellt, in welcher Welt wir da eigentlich leben. Das ist natürlich nicht ganz neu. In der Kunstgeschichte gab es ­immer wieder Künstler:innen, die sich ­explizit mit Geld und dem Wirtschaftssystem auseinandergesetzt haben. Die US-Amerikanerin Andrea Fraser, die für ihre institutionskritischen Arbeiten bekannt ist, hat in einer telefonbuchdicken Publikation die monetären parteipolitischen Verstrickungen der Sponsor:innen von US-Museen aus dem Jahr 2016 publiziert. Mit der Rolle von reproduktiver Ökonomie wiederum ­haben sich feministische Künstler:innen vielfach beschäftigt: also dem, was unbezahlt gearbeitet wird, damit die Wirtschaft überhaupt am Laufen gehalten werden kann. Oft ging es dabei um die Rolle der (weißen) Mittelklasse-Hausfrau. Eine der bekanntesten Vertreter:innen der westlichen feministischen Avantgarde, Martha Rosler, verbindet in ihren filmischen Arbeiten Backyard Economy I und Backyard Economy II (­Diane Germaine mowing) von 1974 reproduktive und künstlerische Arbeit. Im Hinterhof eines kleinen Einfamilienhauses arbeiten zwei Frauen: Die eine filmt, die andere mäht den Rasen und hängt Wäsche auf. Der Traum vom Aufstieg der 1970er-Jahre: Auto, Kind, Hund und Haus samt Hinterhof mit Garten, um das sich eine Hausfrau kümmert, damit der Ehemann lohnarbeiten gehen kann. Backyard Economy eben.
So heißt auch die aktuelle Ausstellung in der Universitätsgalerie – Sala ­Terrena im Wiener Heiligenkreuzerhof, die zur Universität für Angewandte Kunst ­gehört, und in der auch diese Arbeiten von ­Andrea Fraser und Martha Rosler zu ­sehen sind.

«All the things I could do, if I had a ­little money.»

Stefanie Kitzberger und ­Jenni Tischer, die beide an der Angewandten lehren und arbeiten, haben die Ausstellung ausgehend von einem von ihnen gehaltenen Seminar kuratiert. Arbeiten aus dem kunstgeschichtlichen Kanon sind gemeinsam mit Arbeiten von Studierenden ausgestellt. Sie alle vereint, dass sie sich – medial vielfältig von Malerei bis Installation – mit jenen Formen von ­Arbeit als sozialer Reproduktion beschäftigen, die für den globalen Kapitalismus notwendig sind, aber meist unsichtbar bleiben, wie etwa Haus- und Pflegearbeit, und die auch von rassistischen und gender­basierten Ausbeutungsmechanismen betroffen sind. Das eigene Dasein als Künstler:innen, die in einen Marktkreislauf von Auf- und Abwertung eingebunden sind, wird hier mitreflektiert. Oder es wird sogar direkt in den Wirtschaftskreislauf eingegriffen, wie es etwa The ­Danubian Bank tut.
Die Gruppe adO/­Aptive collective launchte mit diesem Projekt heuer zwei Währungen in der ­Tradition von Regionalwährungen: Den Störling und die Grundl. Die ­Community-Währung Störling kann bei der Bank – die eine Kunstinstallation bzw. Filiale in der Ausstellung im Heiligenkreuzerhof hat – gekauft werden und bei Partner:innen-Institutionen in Wien ausgegeben werden, zum Beispiel in einigen Cafés. Gleichzeitig spendet die Danubian Bank die ­Hälfte des Wertes der Währungen an das Life Sterlet Project, das sich der Rettung des vom Aussterben bedrohten Sterlet in der Donau verschrieben hat. Daneben werden, so wie es sich für die Objektfetischisierung der Waren­wirtschaft gehört, mit den Banknoten bedruckter Merchandise, etwa schicke Handtücher, verkauft. Die Danubian Bank tritt auch als Sponsorin der Ausstellung auf. Kreislaufwirtschaft als Kunst? Die Grenzen zwischen den Märkten des Alltäglichen, des Engagements (für die Umwelt) und der Kunst ­verschwimmen hier. Die Währung – wie für Community-Währungen üblich – ist so ­konstruiert, dass sie rasch an Wert ­verliert, damit Menschen sie nutzen und die Wirtschaft in der ­Region ankurbeln. In drei Jahren kann ich nichts mehr damit kaufen, hätte aber immer noch ­einen Teil eines Kunstwerkes daheim, auf dessen steigenden Wert ich spekulieren kann.

«To Las Vegas or Monaco, and win a fortune in a game.»

Die Grundl wiederum ist eine Non-Fungible Token – kurz NFT. Die mischen seit einiger Zeit als digitale Kunstwerke mit einer Art Exklusivzertifikat für die:den Käufer:in den Kunstmarkt auf. Die Grundl fungiert als Ersatz für Cents. ­Damit greift das Projekt auch den Hype um Krypto­währungen auf, die, glaubt man Fans, die Utopie ­eines dezentralen Geldsystems ohne ­Banken einleiten könnten. Derzeit scheinen sie aber vor allem den Traum vom schnellen Geld zu beflügeln. Leute kaufen diverse Coins als Investition, und nicht, um sie als Zahlungsmittel zu verwenden. Essen kann man sie am Ende natürlich genauso wenig wie Scheine oder Münzen, aber dafür ist eventuell der Kryptokäse da.
Über den sinniert Hito Steyerl in ­ihrem Film Animal Spirits, der als Teil ihrer gleichnamigen Multi-Media-Insta­llation noch bis Jänner im Kunsthaus Graz zu sehen ist. Sie porträtiert darin unser Wirtschaftssystem als Mischung aus Computerspiel und Reality-TV: Ein wilder Ritt durch Kunst, ­Natur, Naturschutz und (Über-)Lebenskampf, der mühe­los Höhlenmalerei und Digital Space, Pilzkulturen und Synapsen, die Tätigkeiten von Schäfern und Algorithmen verknüpft. Dazu gibt es kleine ­hängende Gärten, ­deren Pflanzen im ­UV-Licht ­leben. Wir ­leben in einem System der Ausbeutung von Mensch und Natur, während wir gleichzeitig die Natur «disneyfizieren» – also nicht wahrhaben wollen, dass sie nicht zwangsläufig lieb ist, lernt man da.
Der Begriff Animal Spirits stammt vom Ökonomen John Maynard Keynes, der ihn 1936 prägte, «um den Einfluss menschlicher Emotionen auf die Märkte zu beschreiben. Furcht und Gier beeinflussen einander und erzeugen eine Sphäre der Irrationalität. Die pseudonaturalistische Idee des ‹Survival of the fittest› kontrolliert die menschlichen Vorstellungen der Gesellschaft und des Tausches», schreibt Steyerl zu ihrer Arbeit.
Abstraktes neoliberales Wirtschaften und menschliche Körperlichkeit samt Psyche und Emotionen bringt auch Melanie Gilligan in ihrer Mini-Serie Self-Capital von 2009 auf den Punkt, die in der Back­yard-Economy-Ausstellung zu sehen ist. Die Künstlerin selbst personifizert hier die «Global Economy», die in der Krise steckt.

«Always sunny, in the rich man’s world.»

Ganz aktuell wird der Zusammenhang von Kunst, Ökonomie, Natur und Emotionen auch durch die Aktionen von Klimaaktivist:innen in Kunstmuseen sichtbar. Zeitungen berichten von den 111 Millionen Euro, um die das ­Gemälde von Claude Monet, das – durch Glas geschützt – in Potsdam mit Kartoffelpüree beworfen wurde, gekauft worden war. 1997 verband der aus Russland ­stammende ­Aktionskünstler Alexander Brenner im Amsterdamer Stedelijk Museum Kunst und deren Verbindungen mit Wirtschaft, Korruption und Spekulation noch radikaler: Er sprayte ein grünes Dollarzeichen direkt auf ein Gemälde des russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch, und ­wurde dafür verhaftet.

Backyard Economy
Bis 23. Dezember
Mi – So, 14 – 18 Uhr
Universitätsgalerie – Sala Terrena,
Heiligenkreuzerhof, Stiege 7, Ergeschoß
Eintritt frei
www.dieangewandte.at/heiligenkreuzerhof

Hito Steyerl: Animal Spirits
Bis 8. Jänner
Di – So, 10 – 18 Uhr
Kunsthaus Graz
www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz

Foto: Ein 20-Störling-Geldschein, hier als Handtuchinstallation in der Ausstellung Backyard Economy (© Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: kunst-dokumentation.com, Manuel Lopez Carreon)