Geld wandert von unten nach obentun & lassen

Augustin-Gespräch mit Wolfgang Kirnbauer, Mieterschutzverband

Wolfgang Kirnbauer ist Obmann des Mieterschutzverbandes. Mit ihm sprach Gaby Stockmann.

Mit welchen Problematiken werden die Berater_innen im Mieterschutzverband aktuell konfrontiert?

Es geht um die hohen Kosten bei der Anmietung von Wohnungen: In der Regel sind hohe Kautionen zu bezahlen, dann kommt dazu die Mietvertragsgebühr an das Finanzamt, eine Provision und in der Regel auch hohe Übersiedlungskosten. Dazu kommt, dass es Mieter_innen selten gelingt, das alte Mietverhältnis in ein neues Mietverhältnis nahtlos übergehen zu lassen. Das heißt, es kommt zu Überschneidungen bei der Mietdauer, so dass man für den alten Mietvertrag noch ein oder zwei Monatsmieten zu bezahlen hat, während man schon für den neuen Mietvertrag eine monatliche Miete bezahlt. Tatsache ist, dass die meisten Mietverhältnisse nur befristet sind, viele Mieter_innen also alle paar Jahre zur Übersiedlung gezwungen sind bzw. mit dem Vermieter neu verhandeln müssen.

Ist es gerechtfertigt, von «Mietnomad_innen» zu sprechen?

Ja, durchaus. Auch von Stadtnomad_innen. Die Ursache dafür ist, wie gesagt, die Befristung bei den Mietverträgen. Im Gegenzug ist interessant, dass dieser Begriff, der eigentlich aus einer gesellschaftlichen Notsituation entstanden ist, immer stärker eine andere Bedeutung bekommt: Zunehmend wird auch in den Medien das Schreckgespenst von Mieter_innen gemalt, die von einer Wohnung in die andere ziehen und die Mieten nicht bezahlen. Vielleicht kommt so etwas vereinzelt vor, aber es hat bei weitem keine gesellschaftliche Relevanz. Eine Studie der Uni Bielefeld hat gezeigt, dass es das Problem entgegen der großen medialen Darstellung so gut wie gar nicht gibt. Möglicherweise ist das eine gezielte Ablenkungsstrategie, um über die tatsächlich existierende Problematik der Mietbefristungen hinwegzutäuschen.

Sind die Befristungen auch ein Thema der Beratung?

Es gibt kaum ein rechtliches Mittel dagegen. Aber ich orte ein immer stärkeres Misstrauen zwischen Vermieter_innen und Mieter_innen, wozu vielleicht auch dieses medial aufgebauschte Schreckgespenst des «Mietprellers» beiträgt. Jedenfalls nimmt in letzter Zeit das Problem zu, dass man bei Anmietung für den Mietvertrag einen Bürgen braucht und eine Lohnbestätigung. Weiters lassen sich Vermieter_innen gerne einen Kündigungsverzicht von Mieter_innen unterschreiben. Was dazu führt, dass Mieter_innen oft ein bis drei Jahre im Mietvertrag gebunden sind und wenn sie die Mieten nicht bezahlen, wird der Bürge in Anspruch genommen. Früher hatten unsere Berater_innen andere Schwerpunkte das größte Problem waren die illegalen Ablösen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass dies während des Bosnien-Krieges seltsame Auswüchse annahm. Sehr viele Mieter_innen, insbesondere aus Ex-Jugoslawien, hatten beim Einziehen in eine Wohnung 100.000 bis sogar 300.000 Schilling hinzublättern. Aufgrund des Umstandes, dass die gesetzlichen Mieten heute viel höher sind als früher, haben es Vermieter_innen nicht mehr notwendig, sich über illegale Ablösen zu bereichen. Das geht jetzt ganz einfach über «legale» Horrormieten.

Welche Erfahrungen gibts bei der Hilfe für Mindestsicherungs-Bezieher_innen und Arbeitslosen?

Unsere Mitarbeiter_innen spüren schon stark, dass die Bevölkerung zunehmend ärmer wird. Dies merkt man ganz deutlich daran, dass Mieter_innen bereits bei typischen Reparaturen wie einer kaputten Therme oder bei Nachzahlungen für Energie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit geraten. Dies wird uns derzeit häufiger geschildert als früher. Man bedenke auch die Tatsache, dass Mietverträge normalerweise inflationsgekoppelt sind, die Löhne aber keineswegs.

Was tut sich auf dem Sektor des sozialen Wohnbaus?

Sozialen Wohnbau gibt es in Wien eigentlich gar nicht mehr. Der letzte neue Gemeindebau wurde meines Wissens vor etwa 20, 25 Jahren errichtet. Die Gemeinde geht derzeit in Wien den Weg, dass der geförderte Wohnbau den Genossenschaften überlassen wird. Sieht man sich aber die Einstiegskosten bei den Genossenschaftsbauten an und auch die durchschnittlichen Mieten, so sind diese zwar geringfügig billiger als im ungeförderten Privatbau, wo es auch keine Obergrenzen gibt. Aber dennoch ist der Genossenschaftsbau für die ärmeren Bevölkerungsschichten kaum zugänglich. Und die durchschnittliche Wartezeit für eine Gemeindewohnung in Wien ist drei bis fünf Jahre. Der anhaltende Trend zum Eigentum ist auch nicht vorteilhaft.

 

www.mieterschutzverband.at 

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