Gelegentlich siegt Gerechtigkeittun & lassen

Gastro-Ekel Plachutta: «Bekommen meine Angestellten Erdbeeren?»

Mario Plachutta ist «dynamischer Innovator», wie er sich selbst auf seiner Webside beschreibt. In seinen sechs Gastonomiebetrieben sind etwa 300 Mitarbeiter_innen beschäftigt. Betriebsrat gibt es keinen, «es hat noch keinen Bedarf gegeben», wie Plachutta-Sprecherin Knierlinger meint. Die Arbeiterkammerjuristin Vezny-König sieht das anders: «Jährlich landen 2 bis 3 Fälle von Plachutta vor dem Arbeitsgericht.» Die Fluktation der Angestellten ist hoch, derzeit sind zehn Stellen ausgeschrieben.Im Juli 2012 begann Jurai Tatara, ein weltgewandter slowakischer Kellner, der in Prag studiert und in Italien, der Schweiz und auf einigen Kreuzfahrtschiffen gearbeitet hat, bei Plachutta zu arbeiten. Im April 2013 wurde er fristlos entlassen, weil er in seiner Mittagspause seine selbstgekauften Erdbeeren mit ein bisschen Staubzucker aus einem Zuckerspender versüßte. «Mario Plachutta hat mich gesehen, ist in die Küche gestürmt, hat gefragt: «Bekommen meine angestellten Erdbeeren?» und wieder zurück und gesagt, ich bin entlassen. Fristlos, weil ich Zucker genommen habe, ohne zu fragen.»

Beim Arbeitsamt war er wegen der fristlosen Entlassung für ein Monat von allen Bezügen gesperrt, bei Bewerbungen in anderen Restaurants hatte er es schwer. «Erst nach einem Monat war ich in der Lage, zur Arbeiterkammer zu gehen. Ich wollte Gerechtigkeit, ich bin kein Dieb!» Die AK unterstützte ihn beim Gang zum Arbeitsgericht und gab ihm Rechtschutz. «Wir haben pro Jahr 2 bis 3 Fälle von Plachutta, die wir vors Arbeitsgericht bringen, und gewinnen fast immer», meint Julia Vazny-König, die in der Rechtsschutz-Abteilung der Arbeiterkammer mit dem Fall betraut war.

Nach vier Monaten fand er wieder einen guten Job in einem Wiener Restaurant. «Ich hatte Glück, die Restaurantleiterin erzählte mir, dass sie selbst mal was Ähnliches erlebt hatte. Sie war gekündigt worden, weil sie sich die Haare schneiden hatte lassen.» Im April 2014 wurde der Arbeitsprozess gewonnen. Plachutta musste Tatara 2300 Euro Gehalt nachzahlen und reagierte aber auf die Veröffentlichung des Urteils durch die AK erbost: «… Weiters möchten wir festhalten, dass es sich bei dem betreffenden Mitarbeiter um einen slowakischen Staatsbürger handelt, der lediglich zu Arbeitszwecken temporär nach Österreich kommt, und seinen Lebensmittelpunkt und Hauptwohnsitz in der Slowakei unterhält. Es verwundert uns, dass gerade diese Interessensvertretung, die dieses System so anprangert, jene Leute und deren massives Fehlverhalten unterstützt …»

Keine Spur von Schuldeinsicht, stattdessen ein nationalistisches Rechtsverständnis. Tatara schätzt, dass von den 300 Angestellten etwa 250 keine österreichischen Staatsbürger_innen sind, die, geht es nach Plachutta, weder im Betrieb noch außerhalb eine Interessensvertretung haben sollten.

Zuckergate

Die mediale Aufmerksamkeit war geprägt von Häme gegen Plachutta, der Begriff «Zuckergate» wurde geprägt. Neue politische Akteur_innen mischten sich ein, organisierten am Samstag, dem 3. Mai, einen Flashmob – «Gebt dem Plachutta Wiener Zucker». Etwa 300 Leute, jung und alt, Lehrlinge, Studierende, Kleinunternehmer_innen und Pensionist_innen, die mit einem lustigen, verhöhnenden Protest ihre Empörung zum Ausdruck brachten. Die Idee kam Irma Halilovi?, die eben erst ihr Studium in «Internationaler Entwicklung» abgeschlossen hat. «Vor allem die Reaktion von Plachutta hat mich entsetzt. Ich hab slowakische Arbeitskolleg_innen, da musste ich was tun!» Bisher hat sie als Freiwillige beim Versöhnungsbund ein Friedensprojekt in Bosnien organisiert, bei der Aids Conference in Washington als Supervisor gearbeitet und vieles mehr. Zwei Freunde haben spontan Unterstützung für den Flashmob zugesagt. «Ist gar nicht schwer. Als nächstes schreib ich einen Forderungsbrief an Plachutta.»

Solidarisch dabei war auch die Gewerkschaftsjugend der VIDA, deren Vertreter Mario Drapela meinte, dass die VIDA darum kämpfen wird, einen Betriebsrat bei Plachutta zu etablieren. Seit Plachutta vor zwei Jahren mit der Aussage, «Österreichs Lehrlinge sind Analphabeten und Ausdruck einer verrotteten Gesellschaft, die zwar bis vier Uhr in der Disco rumhängt, aber nicht bis nach 11 Uhr arbeiten kann» aufgefallen ist, hat VIDA ihn auf dem Radar. Drapela gratulierte Tatara und der Arbeiterkammer für den Erfolg beim Arbeitsgericht und den Organisator_innen des Flashmobs, die das Thema Arbeitsverhältnisse in den Fokus der Öffentlichkeit rückten.

Tatara will in Wien bleiben, vielleicht mal ein eigenes kleines Lokal eröffnen. «Zwei Tage die Woche fahr ich in die Slowakei, meine Freundin und ihr 14-jähriger Sohn bleiben lieber dort.» Das Kapitel Plachutta ist für ihn abgeschlossen. Der Protest hat ihm gut getan. Und vielleicht hat er auch einen kleinen, nicht unwesentlichen Beitrag geleistet, dass mit neuen, zufällig wirkenden, Allianzen auch anderen Unternehmer_innen ein bisschen Angst gemacht wurde, die Entfesselung der Wirtschaft nicht allzu locker anzugehen.

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