Geleit mit OrgelArtistin

Musikarbeiter unterwegs … … zu den letzten Klängen

Georg Gruber ist einer jener Musiker:innen, die auf den zahlreichen Wiener Friedhöfen spielen, wenn Menschen verabschiedet werden.

TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG

«Hat mich immer fasziniert, von Kindheit an, ich glaube es war vor ­allem der Glanz der Pfeifen», antwortet Georg auf die ­Frage, wie er zum Instrument gekommen ist. Der 1966 gebürtige Linzer, im oberösterreichischen Wilhering ­aufgewachsen, übersiedelte 1989 nach Wien, um Musik zu studieren, absolvierte ein Orgel­konzertfachstudium an der Musikakademie. Sein bis dahin vier Jahre betriebenes Studium der Theologie hat er davor abgebrochen. Dieses bezeichnet er aus heutiger Sicht als «Notstudium, obwohl es mich sehr ­interessiert hat, die ­philosophischen ­Aspekte». Die Musik war das eigentliche ­Thema, ihr galt das nach­drücklichere, leidenschaftliche ­Interesse. Da Georg erst mit 14 das Klavierspiel begonnen hatte, mit 17 erstmals an der Orgel saß, schien eine entsprechende Ausbildung vorerst out of reach.

Vom Standesamt zur Abschiedshalle.

Der Musiker und die Musikarbeiter treffen sich an einem herrlichen Herbsttag, Goldener Oktober in Reinkultur. Früher als ursprünglich geplant – an ­Georgs zweitem Einsatzort an diesem Tag war die elektronische ­Orgel kurzfristig nicht funktionabel, der ­zuständige Arrangeur der Trauerfeier musste zur Musik vom Tonträger greifen. «Ich war ­immer in kirchlichen ­Kreisen unterwegs und habe ­Hochzeiten am Standesamt gespielt, nach 14 ­Jahren habe ich mir ­gedacht, das reicht irgendwie. Ein ­Kollege ­meinte – schau dir das doch an, Friedhof.» Wo sich Ihr Musikarbeiter und Georg im Dienst begegneten. Meinerseits als Trauerredner heuer das zweite Allerseelen/Allerheiligen erlebend, so etwas wie die atmosphärische Hochsaison der Branche, wobei an Feiertagen nicht bestattet wird. Die Musik für mich als anfangs sehr gefordertem Ausübenden eine Stütze, den Trauerfeiern generell so wichtige Struktur gebend. Präludium, Postludium. Oder Georg und Kolleg:innen begleiten Sänger:innen, «Ave Maria», wie er anführt, wohl meistgespielt. Die Aufträge dabei noch kurzfristiger als jene der Redner:innen zugeteilt, am Vortag erfährt Georg Gruber von der Agentur Festklang, auf welchem der Wiener Friedhöfe er tags darauf am Instrument sitzt. Dorthin ist er öffentlich unterwegs und geht viel zu Fuß. Beim Hinweg schon Teil eines Hineinversetzens – «ich gehe immer schon ­einige Minuten vor Beginn in die ­Halle, versenke mich in die Stimmung, um nachdrücklich beitragen zu können, dass es feierlich ist» – beim Rückweg gut zur Beruhigung, zum Runterkommen.

In Tune.

«Ich richte mich nach den Menschen, meistens spürt man ein bisschen, was da passiert, wie der Verstorbene gegangen ist. Ich richte mich ein wenig danach, wie das auf mich wirkt.» So beschreibt Georg Gruber seine Sicht der speziellen Situation einer Trauerfeier. Er spricht später davon, wie es an die Substanz geht, im Verlauf eines Arbeitstages manchmal bis zu drei Lebensläufe zu hören, unweigerlich hineingezogen zu werden in Biographien, die an ihrem Ende angelangt sind. ­Dabei ­haben die Musiker:innen im Vorfeld außer bei Sonderwünschen in der ­Regel keinen Kontakt zu den Angehörigen, ­diese wählen via Bestattungsunternehmen aus einem breiten Repertoire und bei Bedarf aus einem breiten Spektrum an Instrumentalist:innen. Georg geht dieser Tätigkeit seit 2014 freiberuflich nach, übt sie bereits seit 2008 aus. Er unterrichtet auch, wobei das zunehmend und kontinuierlich wegbricht. Sowohl am Klavier, das ihm ebenso wichtig und nahe ist, als auch an der Orgel. Einen Schüler an dieser betreut er, seit dieser 13 ist, der mit 33 weiter «mit Liebe» lernt. Die wache, lebendige Liebe zur Musik hört mensch bei Georg Gruber allzeit. Etwa wenn er vom «Schwanken» zwischen Klavier und Orgel als seinem liebsten Instrument spricht, mit drei Klavieren ­zuhause. Eine Orgel – unleistbar, und schwierig den Raum dafür zu finden, außerdem im Falle einer Übersiedlung ein Alptraum. Oder von seinen ­Begegnungen mit ­Rupert Gottfried Frieberger, Augustinus Franz Kropfreiter und Balduin ­Sulzer, die allesamt in Oberösterreich für Orgel komponierten. Wie überhaupt generell weiterhin neue Literatur entsteht, andererseits die Musik der französischen Romantik, ein großes persönliches Faible, und auch Bach, der Titan. Eine erfüllte Ambition, das Spielen der Rudigierorgel im Linzer Mariendom, unmittelbar steht ein Hauskonzert mit Werken von Grubers Lieblingskomponisten für Klavier, Franz Liszt, bevor, ­Titel: «Zwischen Himmel und Hölle».

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