Schulmodelle ohne konventionelle Unterdrückung
Eine informelle Schule aus einem Aluminium-Koffer heraus, für indische Straßenkinder; eine Schule mit Mitsprachrecht für puertoricanische Kinder, die in Gangs in Chicago organisiert sind; oder eine Schule während des Zweiten Weltkrieges, die aggressive Kinder integriert und am Land sich fröhlich entwickeln lässt: Das kleine Buch «Überlebensschule» von David Gribble birgt enorm viel Hoffnung für «ausgegrenzte Kinder» – wie die nämlich in Freiheit lernen können.David Gribble sucht mit seinen Recherchen nach Beweisen, dass
nichtautoritäre Erziehung und «eine Haltung unerschütterlicher, bedingungsloser, unbeirrbarer Zuneigung» für Kinder «aus problematischen Verhältnissen» geeignet ist.
Das «Barns Hostel» in der Nähe von Edinburgh war während des Zweiten Weltkrieges für «gewisse Evakuierte» gedacht, «die so verstört oder auffällig waren, dass keine gewöhnliche Familie ersucht werden konnte, sie aufzunehmen». Als Symptome der Londoner Evakuierten galten u. a. «Stehlen, Strolchen, Betteln, Destruktivität». Bestrafung galt als nicht erfolgreiches Modell der Vergangenheit.
«Bestrafung», sagte der Schul-Verantwortliche Wills, «schiebt die Verantwortung für das Verhalten auf den Erwachsenen, anstatt sie beim Kind zu belassen.» Das war 1940!
«Es ist auch so, dass eine gute Beziehung zu den Erwachsenen zu haben und hin und wieder Geschirr zu zertrümmern nicht unvereinbar miteinander sind», meinte der «Barns Hostel»-Erzieher Kenneth
Roberton. Er sah es als Zeichen der Zuneigung, wenn ihm die schweren Jungs «Gute Nacht, alter Dreckskerl!» zuriefen. Die Jugendlichen des «Barns Hostel» gründeten eine «Versammlung der Bürger» und erarbeiteten eine Verfassung. Die Jungs hielten jeden Tag Gericht, lernten schwimmen ohne Anleitung – und «Selbstachtung ohne Unterweisung».
Kerstin Kellermann
David Gribble: Überlebensschule.
Ausgegrenzte Kinder lernen in Freiheit
Aus dem Englischen von Lotte Kreissler
Mandelbaum kritik & utopie 2016,
240 Seiten, 18 Euro