Gemma Garagen bauen im Parktun & lassen

Die Pensionsversicherungsanstalt lässt sich von Tschernobyl inspirieren

Die PVA plant eine Hochgarage für 442 Autos am Handelskai. Und zwar auf dem letzten verbliebenen Stück Grünland im Grätzl. Eine Initiative lässt sich das nicht gefallen. Christian Bunke fragte nach.

Illu: Much

Fangen wir mit Architekturkritik an. Kennen Sie den Sarkophag, unter dem seit 1986 das havarierte Atomkraftwerk von Tschernobyl versteckt wird? Eine Miniaturausgabe dieses Sarkophages möchte die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) auf der Ecke Haussteinstraße/Handelskai errichten. Derzeit gibt es dort Wiese und Bäume, bald einen großen Betonsarg, denn die Flächenwidmung erlaube dies. Vielleicht hat das eine symbolische Bedeutung: «Wir beerdigen den Autoverkehr» oder so. 100 Meter lang und 17 Meter hoch soll das Teil werden, wenn es denn mal gebaut werden sollte.

Jetzt ist es nicht so, dass die PVA irgendwo am Rand der Welt beheimatet ist und man deshalb nur mit dem Auto zur Arbeit kommt. Im Gegenteil ist sie sowohl mit der U1 über die Vorgartenstraße, die U6 via Handelskai und die S-Bahnen, ebenfalls Handelskai, erreichbar. Auch die Buslinien 11A und 11B verkehren in der Gegend.

Parkplätze gibt es auch schon. Für die Mitarbeiter_innen der PVA stehen über 800 Stellplätze zur Verfügung. «Sie werden aber kaum genutzt», sagt Gerhard Kohlmaier von der Bürgerinitiative Lebensraum statt Verkehrsstau. Er kann nicht verstehen, warum es die Parkgarage braucht. Vor allem, weil keine 50 Meter vom geplanten Baugebiet entfernt ein weiterer Parkplatz steht, der aber auch nicht ausgelastet sei. Die PVA argumentiert damit, die neuen Parkplätze für Reha-Patient_innen zu brauchen. Auch das kann Kohlmaier nicht nachvollziehen. «Es gibt in direkter Umgebung des Gebäudes Parkplätze in Hülle und Fülle.»

Sogar die Bezirksparteien sind dagegen.

Kohlmaier steht mit dieser Auffassung alles andere als alleine da. Im März sprachen sich alle Bezirksparteien der Leopoldstadt einstimmig gegen den Bau der geplanten Garage aus. «Die Bezirkspolitiker waren auch bei unseren Protestaktionen anwesend», zeigt sich Kohlmaier zufrieden.

Er sieht in der Auseinandersetzung eine Brisanz, die weit über die Lokalpolitik hinausgeht. Gerade der heurige Sommer habe gezeigt, mit welchen Belastungen die Bevölkerung in Zukunft durch die Klimaerwärmung rechnen müsse. «In so einer Situation die letzten Grünflächen im städtischen Bereich zuzubetonieren, halten wir für politisch unverantwortlich.»

Hinzu kommt, dass die geplante Hochgarage direkt an eine Wohnstraße grenzt. In Wohnstraßen ist der Autoverkehr nur für Anrainer_innen sowie Fahrzeuge des Straßendienstes und Rettungskräfte gestattet. Außerdem gilt in Wohnstraßen Schrittgeschwindigkeit. «Wie eine Wohnstraße mit einer neuen Hochgarage in Einklang zu bringen sein soll, kann sich mir nicht erschließen», sagt Kohlmaier.

Ob und wie die Garage gebaut wird, ist derzeit noch unklar. Eine Baugenehmigung hat die PVA jedenfalls. Für die Errichtung sind 5,25 Millionen Euro eingeplant. Allerdings möchte die PVA zunächst ihre Haupt- und Landesstelle sanieren. «Im Grätzl kursieren außerdem Gerüchte, wonach die PVA einen Abzug aus der Gegend plant. Dafür gibt es aber derzeit keinerlei Beweise oder Bestätigungen», sagt Kohlmaier.

Bei der Bürgerinitiative hofft man derweil auf den kommenden Frühling. Derzeit liegt eine Petition gegen die Hochgarage aus, die auch in den Räumlichkeiten der Bezirksvorstehung unterschrieben werden kann. Im Mittwoch soll diese dem Petitionsausschuss im Wiener Rathaus vorgelegt werden. «Wir hoffen, das Thema so auf einer höheren Ebene als nur im Bezirk ins Gespräch zu bringen, um so den politischen Druck zu erhöhen», sagt Kohlmaier. Über 700 Menschen sollen sich bereits in der Unterschriftenliste eingetragen haben.

Der Petitionsausschuss ist ein Instrument der Wiener Bürger_innenbeteiligung. In ihm sitzen Mitglieder des Wiener Gemeinderates aller Fraktionen, die sich mit den eingeschickten Anliegen befassen. Grundsätzlich kann der Petitionsausschuss Vertreter_innen von Bürgerinitiativen zu seinen Sitzungen einladen, was aber nur sehr selten, wenn überhaupt, passiert. In der Selbstdarstellung des Ausschusses heißt es weiter: «Der Petitionsausschuss kann eine Empfehlung über die weitere Vorgehensweise aussprechen, die an die zuständige Stelle weitergeleitet wird, und die Behandlung eines Petitionsthemas mit einer Begründung abschließen.»

Trostpreis.

Zahlreiche Bürgerinitiativen haben das Instrument der Petition in den vergangenen Jahren angewendet. Verhindert wurde dadurch allerdings bislang kaum ein geplantes Großprojekt. Auf gewisser Weise dient das Instrument des Petitionsausschusses der Stadt Wien als Schutzschild. Unmut aus der Bevölkerung kann so in sichere Bahnen kanalisiert werden.

Für die Intiator_innen einer Petition bleibt folgender Trostpreis: «Nach Behandlung im Petitionsausschuss wird die Petition schriftlich an die Person, die die Petition eingebracht hat, beantwortet. Diese Beantwortung wird gemeinsam mit allen Stellungnahmen auf der Petitionsplattform veröffentlicht.» Man darf gespannt sein, wie es im Fall der Hochgarage weitergeht und ob einmal mehr mit der Dampfwalze über die Sorgen einer Nachbarschaft gerollt wird.