Gespräch ohne RatzerArtistin

Harri Stojka und der reinkarnierte Geist von Gipsy Love

Stojka.jpgWenn Karl Ratzer und Harri Stojka, die zwei größten Guitarreros dieser Stadt, nach jahrzehntelanger Abstinenz wieder einmal gemeinsam auf der Bühne musikalisch aufeinanderprallen, erwartet eingefleischte Fans ein außerordentliches Ereignis. Da Karl Ratzer in seiner unkonventionellen Art generell auf Schmierfinken im Blätterwald ein fröhliches Liedchen pfeift, hat Harri Stojka kurzerhand seine Frau Valerie zum Interview mitgenommen bei dem sie freilich nur Publikum war.

Wann hast du zuletzt gemeinsam mit Karl Ratzer gespielt? Das ist jetzt schon 34 Jahre her, es war 1973 bei der legendären Gipsy Love (Karl Ratzer, Jano Stojka, Harri Stojka, Peter Wolf, Kurt Hauenstein, Richard Schoenherz, Anm.). Dann ging Karl nach Amerika, damit war die Band erledigt. Peter Wolf hat sie zwar noch ein halbes Jahr weitergeführt, aber ohne Karli wars nicht mehr die wahre Gipsy Love. Ohne solche Lokomotive hört sichs halt auf, das ist wie The Beatles ohne John Lennon

Wie würdest du eure Musik charakterisieren?

Na ja, Karlis Musik! Nicht der Hardcore-Jazz, den er früher spielte, sondern eher in Richtung R n B, tiefschwarze Musik.

Es sind ja auch die Musiker aus Karls Band dabei

Ja, es ist Karlis Band mit Edgar Meyr am Bass, Tommy Hoisa am Keyboard und Lenny Dickson am Schlagzeug.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?

Es ist neu für mich, ich hab diese Musik noch nie gespielt. Technisch ist es kein Problem, aber es ist eine Umstellung im Kopf. Ich mach schon jahrelang meine Gipsy-Swing-Musik, und mal so richtig Black Music zu machen ist eine Herausforderung, denn ich hab jetzt schon a bissal den Anschluss an diese Musik verloren, muss ich ehrlich sagen. Ich hab ja nie so echte Black Music gemacht, wies Karli getan hat. Er hat ja lange in Alabama mit Schwarzen zusammen gespielt, er war dort direkt an der Quelle, so hab ich das nie kennengelernt. So haben wir uns darauf geeinigt, dass ich meinen Gipsy-Style über seine Musik spiele, wir werden ja sehen, wies funktioniert. Eigentlich ist das ja schon Crossover.



Wird es einen Tonträger geben?

(abwehrend) Na, na! (grinsend) Wir brauchen nur a paar Träger für die Anlage



Nicht einmal einen Mitschnitt im Porgy & Bess?

Ja, das wirds sowieso geben! Aber eher fürs Archiv vom Porgy als für professionelle Aufnahmen. Es wäre zu viel Stress



Ist das gemeinsame Projekt also nur kurzfristig?

Oba na! Schau, wie sich Dinge entwickeln, kann man ja vorher nie sagen. Es kommt auf die Angebote an, aber im kleinen Tschecherl-Jazzclub um 500 Euro Gage werden wir sicher nicht spielen, dort fangen wir nicht mehr an.

Also sind keine weiteren gemeinsamen Projekte geplant?

Jeder geht halt in der Regel seine eigenen Wege. Die Idee kommt ja ursprünglich von mir, ich hab die Annäherung an den Karli wieder gesucht, weil die Familie immer kleiner wird. Die Altvordersten sterben schön langsam alle weg, mein Papa liegt seit sieben Monaten im Koma (Mongo, wir denken an dich!, Anm.), drei meiner Tanten sind verstorben, mein Onkel Karl Stojka ist weg, viele Cousins von mir ebenso

Karli, Johann und ich sind eigentlich die Einzigen, die von dieser alten Musikergeneration aus den 70er Jahren noch übrig sind. Es gibt noch einen Cousin, aber der hat mit Musik nix zu tun. Ich möchte mir einfach ein Stück Familiengeschichte zurückholen, die musikalische Herausforderung steht erst an zweiter Stelle. Für mich ist es eher ein Familientreffen, weil i auf den Karli, obwohl wir schwierige Zeiten miteinander hatten, halt irrsinnig steh!

Familie spielt in deinem Leben eine große Rolle?

Jo, natürlich! Dabei spielt viel Sehnsucht mit, weil ich ja musikalisch mit meiner Familie so lang nix mehr zu tun hatte. Ich hab immer mit anderen Leuten zusammen gespielt, die keine Roma sind. Aber jetzt will ich wieder mal das Roma-Feeling haben. Wenn man mit Roma-Musikern spielt, die dann noch dazu aus der eigenen Familie sind da steckt schon sehr viel Sehnsucht dahinter!

Wie wichtig ist dir Roma-Tradition?

Also zwischenmenschlich nicht so sehr, nur zum Karli persönlich. Er ist halt einfach eine wichtige Person in meinem Leben, durch ihn hab ich das Rüstzeug bekommen, um ein gewisses Niveau zu erreichen. Sicherlich hätte ich ohne ihn auch Musik gemacht, aber ich wäre ein Amateur geblieben. Aber Karli hat mir gezeigt, wie die Gitarre wirklich funktioniert. Er hat mir damals auch die Chance gegeben, bei Gipsy Love zu spielen, als 14-Jähriger durfte ich in die hipste Band von Österreich einsteigen! Das alles verdanke ich Karli, und jetzt kann ich ihm vielleicht a bissal was davon zurückgeben



Statt Karl hast du deine Frau Valerie mitgebracht, die ja auch zum Team gehört. (Valerie winkt bescheiden abwehrend).

Valerie hat mir meinen zweiten Start ermöglicht, ich war ja schon mal ganz tief unten. Das ist auch eine Riesenschuld, die ich meiner Frau gegenüber habe und die ich natürlich auch zurückzahlen will. Wir sind ein Team. Es gibt nun mal Dinge, um die kann ich mich als Musiker nicht kümmern. Was weiß ich denn schon von einer Steuererklärung? Ohne Valerie wäre ich wahrscheinlich von Steuerschulden schon ruiniert! All die Dinge, die ich nicht kann, erledigt sie, wie auch z. B. Auto fahren, ich kann ja nicht einmal Dreiradler fahren. Sie hält mir den Weg frei, dass ich mich auf meine Musik konzentrieren kann. Wir lieben uns und sind seit 23 Jahren verheiratet, es ist eine wunderbare Symbiose! Ich genieße auch den Luxus, mir meine Gigs aussuchen zu können, denn ein Manager fragt dich nicht, ob du dort auch spielen willst.

Machst du kommerzielle Zugeständnisse?

Wenn ich ein Lied schreibe und jemand bietet 10.000 Dollar, würde ich das Geld nehmen. Ich würde aber wahrscheinlich kein Humptata-Lied für eine Million Euro schreiben (lacht). Aber dieses Angebot hab ich bis jetzt noch nicht bekommen!

Du weißt, ich hab mich nie verkauft. Ich hätts zwar öfter tun können, aber das hätte sich nicht ausgezahlt, denn wenns dann kein Erfolg wird, fühle ich mich umso schlechter. Genauso, wenn ich mit Kommerzmusikern im Studio etwas aufzunehmen hätte, da würde ich mit meinem Namen nicht auf der CD stehen wollen! Nix gegen meine Kollegen, aber ich hab doch das Recht zu sagen, dass diese Musik für mich Scheiße ist. Damit meine ich nie den Menschen persönlich, sondern nur seine Musik, die er halt leider für gute Musik hält. Es gibt auch völlig schwachsinnige Texte, die Musiker mit voller Überzeugung bringen. So etwas würde ich nie machen und es würde mir mit meinem Aussehen (grinst) auch keiner abnehmen. (schelmisch) Ich gehe vielleicht höchstens als jodelnder Japaner oder Alpen-Rom durch! Ich würde auch nie, nie, nie im Leben bei Dancing Stars mitmachen. Das ist doch der vertrotteltste Schwachsinn und sollte eigentlich verboten werden, genauso wie Big Brother oder Starmania. Zum Opernball würde ich auch nie gehen, was soll ich denn dort? Dort sind am Häusl Kokainspuren nachgewiesen worden und dieselben Leute regen sich auf, wenn andere einen Joint rauchen!



Was zeigt dein Blick auf die österreichische Musikszene?

Ich finde sie gar nicht so schlecht! Ich hab eine MySpace-Seite (www.myspace.com, Anm.), da kriegt man Freund-Anfragen von Musikern, das geht von She Says, einer meiner Lieblingsbands in der Popszene, über Hip-Hop, Heavy Metal und Jazz bis zum ärgsten Avantgarde-Elektronikmusiker. Da kannst sehen, was es an großartigen Musikern gibt, die gar keiner kennt. Das untere Niveau ist sehr hoch, anders als in den 70ern, da war viel Mist dabei. Heute hat die Szene ganz andere Ressourcen, und die Qualität ist beachtlich. In New York habe ich nicht so viele gute Musiker gesehen wie hier in Wien.

Hättest du Lust, in New York zu arbeiten?

Oh ja, schon! Aber nicht um 20 Dollar am Tag. Aber mehr bekommt dort ein Musiker in der Regel nicht. Du kannst am Times Square für ein Hotdog spielen, aber ich mach das ganz anders. Ich werde vom Veranstalter eingeladen, der bucht den Roma-Gitarristen um eine ordentliche Fixgage, und wir werden wie die Stars aus Europa behandelt. So haben wir in New York, in Detroit und Syracuse beim Jazzfestival oder auch in Indonesien gespielt.

Übrigens wird für November eine Indientournee zusammengestellt. All diese Gigs sind übers Internet zustande gekommen, das ist schon super heutzutage!

Info:

11.6., 23 Uhr, Ost Klub: Harri Stojka zu Gast bei Grooveheadz

18.6., 22.30 Uhr, Kunstzone Karlsplatz: Karl Ratzer & 1. Wiener Pawlatschen AG

4.7., 20 Uhr, Goldener Löwe, Maria Anzbach: Harri Stojka mit Gipsy Swing

5.7., 23.05, 3sat: Filmdoku Harri Stojka in Indonesien

11.7., 20 Uhr, Flex: Harri Stojka mit Gipsy Swing

14.8., 20.15 Uhr, Waldviertler Hoftheater Pürbach: Karl Ratzer & Scars



www.harristojka.at

www.karlratzer.at