Agrana und der Klimaschutz, oder:
Der Agrana-Konzern fordert, nach deren Ablehnung 2012, erneut die Einführung von «E10», also der zehnprozentigen Beimischung von Biosprit zu Kraftstoffen. Klingt nachhaltig, ist es aber nicht, sondern vielmehr den sinkenden Gewinnmargen der Raiffeisen-Beteiligung geschuldet.Der zum Raiffeisen-Imperium gehörende Konzern Agrana ist Monopolist in Sachen Zucker hierzulande und Weltmarktführer bei Fruchtzubereitungen. Er hält aber auch in vielen osteuropäischen Ländern hohe Marktanteile und erwirtschaftet in über fünfzig Standorten über drei Millionen Euro Umsatz. Wie im Rahmen dieser Serie bereits berichtet wurde, nutzte Agrana seine Quasi-Monopolstellung mitunter auch für deftige Preiserhöhungen. Begründet wurden diese damals mit dem Preisanstieg für Zucker am Weltmarkt. Nur dass der Zuckermarkt hierzulande de facto vom Weltmarkt entkoppelt ist – und so wundert es auch kaum, dass der anschließende Fall des Zuckerpreises keine positiven Auswirkungen auf die Endkund_innen hatte.
Essen im Tank?
Agrana ist aber auch in einem anderen, vermeintlich zukunftsträchtigeren Marktsegment unterwegs: der Produktion von Agrotreibstoffen. Der Einsatz von aus Getreide gewonnen Kraftstoffzusätzen («Bioethanol») ist aus ökologischen Gründen ebenso umstritten wie in Hinsicht auf die Forderungen nach internationaler Ernährungssouveränität. Die Umweltorganisationen Global 2000 und Greenpeace fordern gar ein Verbot der Beimischung von Bioethanol. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Sie reichen von der damit einhergehenden und nicht nachhaltigen Intensivierung landwirtschaftlicher Anbaumethoden (inklusive verstärktem Pestizideinsatz) bis zur globalen Dimension der Biosprit-Produktion (unter dem Motto «In den Tank statt auf den Teller»), die auch eng mit «Land Grabbing» (Landraub) und der damit meist einhergehenden Vertreibung von Menschen in den Ländern des Trikont verbunden ist (siehe auch das Factsheet unter http://doku.cac.at/201311_factsheet_agrotreibstoffe.pdf). Davon abgesehen ist der vermehrte Einsatz von Agrotreibstoffen eng mit dem Beharren, wenn nicht gar der Ausweitung des motorisierten Individualverkehrs verbunden. Dieser bringt ja nicht nur wegen seinem Beitrag zum Klimawandel enorme Probleme mit sich, sondern auch mit der damit einhergehenden Tendenz zur Versiegelung der Böden (durch Straßen und Parkplätze), der Zersiedlung der Landschaft wie in letzter Konsequenz auch der sukzessiven Demontage des öffentlichen Personennahverkehrs.
Nachdem im Jahr 2012 die EU-weite Anhebung der Beimischungsanteile von 5 auf 10 % («E10») verhindert werden konnte, war es für zwei Jahre still geworden um die Agrotreibstoffe. Vor kurzem aber hat die Agrana, damals wie heute ein wichtiger Player in der Biosprit-Produktion, wieder lautstark den Einsatz von «E10» gefordert. Agrana begründet die neue Offensive mit den – erraten! – veränderten Weltmarktpreisen für Getreide: Waren 2012 die Getreidepreise noch hoch, was zu höheren Getreideexporten durch unterentwickelte Länder und somit ebendort zu einer Verschärfung der Nahrungsmittelkrise führen hätte können, so ist durch die gefallenen Weltmarktpreise diese Gefahr nun gebannt, so Agrana-Chef Johann Marihart im «Online-Standard» vom 4. Jänner 2015. Diese Argumentation ist jedoch mehr als durchsichtig, ist doch kaum zu erwarten, dass die so geforderte Gesetzesänderung bei gegenteiligen Veränderungen am Weltmarkt wieder rückgängig gemacht wird.
Monopolprofit & Zwangsmitgliedschaft
Vielleicht liegen die Gründe für den neuerlichen Agrana-Vorstoß doch woanders: Der Gewinn des Konzerns ist nämlich im ersten Halbjahr 2014 deutlich zurückgegangen, das Betriebsergebnis beispielsweise um über 16 %. Begründet wurde dies im Herbst natürlich mit dem niedrigen Preisniveau auf den Weltmärkten. Die Analyst_innen von Goldman-Sachs senkten im Dezember jedenfalls das Kursziel des Konzerns. So dürfte also die neue Biosprit-Offensive primär den Grund haben, die Profite wieder in Ordnung zu bringen.
Zum Abschluss aber noch einmal zurück zum Kerngeschäft von Agrana, dem Zucker. Ähnlich wie bei der Milch wird im Rahmen der allgemeinen Neoliberalisierung der EU auch die «Zuckerquote» auslaufen. Für die Zeit danach (ab 2017) wird für die im Raiffeisen-Unternehmen «Österreichischer Zuckerrübenverwertungsgenossenschaft» (ÖZVG) organisierten Rübenbäuerinnen und -bauern allerdings bestens vorgesorgt: Die Beteiligung der ÖZVG an der Agrana wurde erhöht; damit einher ging allerdings die Umgestaltung der bislang freiwilligen zu einer Zwangsmitgliedschaft bei der ÖZVG. Außer man ist nicht auf die Agrana angewiesen, was allerdings dank deren Monopolstellung wohl nur schwer machbar ist. Willkommen am freien Markt! Wie könnte die Neuordnung des Zuckermarktes in Österreich also auch beschrieben werden: Raiffeisen beteiligt sich an Raiffeisen. Woher ich das weiß? Aus einer Raiffeisen-Zeitung.