Gierflationtun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Eing'Schenkt

Was alles treibt die Inflation? Ein bisher zu wenig ­beachteter und verschwiegener Aspekt sind die heimlichen Preiserhöhungen vieler Unternehmen und Branchen. Zahlen gibt es für 2022. Da betrug die heimische Teuerung rund 10,2 Prozent. Davon flossen rund 5,6 Prozentpunkte in höhere Profite, während 4,6 Prozentpunkte in Löhne und Gehälter flossen, rechnet der Ökonom Joel Tölgyes vor. Das Baugewerbe verlangt für seine Produktion seit dem dritten Quartal 2019 um 34 Prozent mehr, die Energiewirtschaft um 42 Prozent. Deutlich erhöht auch die Landwirtschaft und die Bereiche Handel, Verkehr und Gastronomie. Ähnliche Ergebnisse in Deutschland.
Viele haben ihre Verkaufspreise deutlich ­stärker erhöht, als es durch die Entwicklung der Einkaufspreise gerechtfertigt gewesen wäre. Diese Firmen haben die Lage genutzt, um ihre ­Gewinne kräftig zu steigern. Manche nennen das «­Gierflation». Auf der jüngsten Klausurtagung der Europäischen Zentralbank wurde deutlich, dass steigende Gewinnmargen der Unternehmen der eigentliche ­Treiber der aktuellen Inflation sind – und nicht die Lohnforderungen der ­Beschäftigten. So kommen beispielsweise die europäischen Konsumgüter-Hersteller aktuell auf eine durchschnittliche Gewinnmarge von 10,7 Prozent: Das ist ein Viertel mehr als 2019, also vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie und des Ukraine-Krieges.
Der öffentliche wirtschaftspolitische Diskurs ist bis zu einem ­gewissen Grad losgelöst von dem, was da draußen tatsächlich passiert. Die Chefin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde sprach in ihrer Pressekonferenz zwar wiederholt von der Lohnentwicklung, Firmengewinne dagegen erwähnte sie nicht. Über Gewinne sprechen sie nicht so gerne. Lieber reden sie über «Wohlstandsverluste», die jetzt einfach getragen werden müssen. Gewinnsteuern meinen sie ­damit nicht. Diese wären aber gerecht, um die «Wohlstandsverluste» auf jene Schultern zu verteilen, die sie auch tragen können. Gleichzeitig heißt es jetzt immer: So viel Geld ist nicht da, deswegen soll die Not der Ärmsten mit den Anti-Teuerungsmaßnahmen gelindert werden; es soll «treffsicher» bei denen, die sie am meisten brauchen, ankommen.
In Wahrheit werden Maßnahmen, die den ­Ärmeren und der unteren Mitte zugutekommen, aber permanent verhindert. Das beginnt bei der Verbesserung in der Sozialhilfe, der Valorisierung des Arbeitslosengeldes und geht bis zur Bremse bei Mieterhöhungen. Die Mieterhöhung vom Verbraucherpreisindex zu entkoppeln, der das Wohnen in einer sich selbst verstärkenden Preisspirale immer teurer macht, ist mehr als sinnvoll. Sonst würden die Mieten um weitere 8,6 Prozent steigen.
So ernst ist es mit den Beteuerungen, dass ­besonders den Ärmeren geholfen werden soll, also nicht. Mietpreisbremse nein, aber eine Senkung der Grunderwerbssteuer für den Kauf einer Eigentumswohnung ja. Das hilft genau gar nicht den ­Ärmeren und auch nicht der unteren Mittelschicht. Die Grunderwerbssteuer ist noch dazu eine der wenigen vermögensbezogenen Steuern in Öster­reich, die es noch gibt. Sonst sind eh schon alle abgeschafft. Knapp zwei Millionen Menschen haben Angst, ihre Miete in den kommenden Monaten nicht mehr zahlen zu können. Frei nach Mahatma ­Gandhi: Wir haben genug für jedes Menschen Bedürfnisse, aber nicht für ­jedes Menschen Gier.

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