Giftcocktailtun & lassen

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In Österreich werden innerhalb eines Jahres von rund 900.000 Menschen Leistungen wegen psychischer Erkrankungen in Anspruch genommen. Damit stieg die Zahl der Krankenstände wegen psychischer Diagnosen österreichweit von 2007 bis 2009 um 22 %, die Zahl der Krankenstände wegen körperlich bedingter Krankheiten hingegen nur um 10 %. Wurden im Jahr 2009 rund 900.000 Patienten auf Kassenkosten wegen psychischer Beschwerden versorgt, waren es im Jahr 2006 noch 100.000 Versicherte weniger.

Die Entwicklung bei den Erkrankungen setzt sich in der Pensionsversicherung fort. Immerhin rund ein Drittel der jährlich rund 30.000 Neuzugänge zur Invaliditätspension erfolgt aufgrund psychischer Probleme. Das sind also 10.000 neue Fälle im Jahr. Frauen sind besonders betroffen. Bei ihnen sind psychische Erkrankungen schon der Hauptgrund für eine Invaliditätspension.

Gründe dafür könnten sein, dass sich mehr Menschen als früher wegen psychischer Probleme behandeln lassen. Sich also mehr trauen, psychische Probleme zu artikulieren. Das kann aber nicht den gesamten Effekt erklären.

Ein starker Anstieg findet bei den stressbedingten Erkrankungen statt. «Burn-out» ist zur großen Diagnose geworden. Oft versteckt sich dahinter eine Depression. Da geht es um den schlechten Stress, der nagt und quält, der lange dauert und niederdrückt.

Tätigkeiten, die hohe Anforderungen stellen und gleichzeitig mit einem niedrigen Kontrollspielraum ausgestattet sind, erhöhen diesen schlechten Stress. Die niedrige Kontrolle kann in zwei Formen auftreten. Zum einen als mangelnde Möglichkeit, über die Gestaltung der Arbeitsaufgaben zu entscheiden, zum anderen als eingeschränkte Möglichkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu nutzen. Und Jobs dieser Art gibt es ja seit einigen Jahren genügend. Dauern diese Ohnmachtserfahrungen an, lernen wir Hilflosigkeit: Lass mich erleben, dass ich nichts bewirken kann. Wer feststellt, dass er trotz aller Anstrengungen nichts bewirken kann, der wird früher oder später resignieren und aufgeben.

Der Giftcocktail besteht aus drei Zutaten: hoher Anforderung, niedriger Kontrolle und niedriger Anerkennung. Wenn ich mich anstrenge, viel in eine Sache hineinbuttere, und dann nichts herausbekomme: keine Anerkennung, kein freundliches Wort, miesen Lohn, keine Aufstiegschancen dann wird es massiv gesundheitsschädlich.

Der Giftcocktail aus Anstrengung, Ohnmacht und mangelnder Anerkennung hat sich in die Mitte der Gesellschaft gefressen. Besonders in den schlechten Jobs mit mieser Bezahlung und geringem Einfluss kommt er zur Wirkung. Und die werden mehr. Gerade auch jetzt nach der Finanzkrise sind eine große Zahl besserer Jobs in viele kleine schlechtere umgewandelt worden. Die soziale Schere geht unter die Haut. Und sie kostet. Sie kostet Lebensenergie und bringt ein schlechteres Leben. 

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