Über Stiftsgründe, Seegründe und gute Gründe, mit dem Widerstand zu beginnen
Am liebsten würden Immobilienhaie naturgemäß auf der Donauinsel investieren. Für das gestopfte Klientel nicht nur «Wohnen am Wasser», sondern sogar «Wohnen auf der Insel» anzubieten, wär‘ das Nonplusultra immobilienkapitalistischer Träume.
Noch ist es nicht so weit. Noch verteidigt die Stadtplanung eine relative Unabhängigkeit gegenüber Investorenträumen. Zur Zeit jedenfalls kann der Immobilienhai Glorit nur am nördlichen Ufer der Alten Donau Wohnen am Wasser realisieren, oder «Wohnen wie am Wörthersee», wie auf einer Werbetafel zu lesen ist. Weil aber dieser Uferstreifen kein Überschwemmungsgebiet, keine Stadtbrache und keine menschenleere Wüste ist, ergibt sich ein Problem. Die Traumlage ist bevölkert. Die kleine, schrebergartenähnliche Bebauungsstruktur an der «Riviera der armen Leut’», wie der Streifen entlang der Alten Donau auch genannt wird, ist aus der Sicht der Liegenschafts-Verwertungsbranche unerwünscht.
Detto aus der Perspektive des Stadtmanagements, das zum Teilnehmer am internationalen Städtewettbewerb geworden ist und Mühe hat, die Vorteile der Konkurrenzstädte auszugleichen, die Investoren ohne Anstrengung attraktive wassernahe Innenstadtareale anbieten können, wie etwa die ehemaligen Hafenareale in Hamburg, London und anderen Metropolen.
«Zentrumsnah, viele Projekte mit direktem Blick auf die Alte Donau und die moderne Skyline von Wien – das ist Wohnen mit bester Aussicht.» So bewirbt die Firma Glorit das Top-Wohngebiet an der Alten Donau. Was von Soziolog_innen die «Herausbildung von Gesellschaften in der Gesellschaft» genannt wird, nimmt an der Alten Donau Konturen an. Die schmutzigen Vorarbeiten zur «sozialen Säuberung» der schönen Lage, zur Verdrängung des Sozialen aus den besten Adressen, übernimmt ausgerechnet ein zum economy player gereifter ehemaliger christlicher Armuts-Orden. Das Stift Klosterneuburg ist größter Grundeigentümer in dieser Region, die Häuslbauer_innen habe als Pächter von Stiftsparzellen keinerlei Rechte, die Gentrifizierung ihrer «Riviera» zu beeinflussen. Das erleichtert den ersehnten Bevölkerungsaustausch, erklärt Arno Aigner, Sprecher der Bürger_innen-Initiative Alte Donau / Kaiserwasser. So genannte Superädifikats-Verträge machen die Häuslbauer ziemlich ohnmächtig. Bei diesen Verträgen erfolgt keine Eintragung ins Grundbuch. Die Vertragsdauer ist Verhandlungssache. Ein geregeltes Erb- bzw. Weitergaberecht ist nicht existent. Alles muss beim Anlassfall individuell mit Vertretern der Liegenschaftsverwaltung in Klosterneuburg ausgedealt werden. Die Resultate dieser Deals sind sehr unterschiedlich. «Eben bei dieser Superädifikats-Variante hat der Nachbar keine Parteistellung im Bauverfahren und muss so jeder Bauverhandlung, die die angrenzenden Grundstücke betreffen, erzwungener maßen fern bleiben. Dies wird von Glorit und diversen kleineren Bauträgern wie bau4you, Hart Haring, Terrassenhaus etc. extrem ausgereizt, da keine nachbarschaftlichen Einsprüche zu erwarten sind», meint Arno Aigner.
Stift Klosterneuburg: Leichte Profite mit Gottes Segen
Nahezu jedes frei werdende Grundstück in dieser Gegend werde an die Firma Glorit vergeben, sagt Aigner. Und es werden viele frei, etwa dank der unbezahlbaren Belastungen im Fall der Weitergabe der Pachtparzellen an die nächste Generation. Über die Art des Naheverhältnisses zum Stift könne sich jeder selbst seinen Reim machen. Dazu ein kleiner historischer Exkurs: Weltliche Herrscher haben vor vielen hundert Jahren dem Stift Klosterneuburg, einer Gründung der Augustiner Chorherren, große Gründe entlang der Donau geschenkt. Weil sie aus Sümpfen und Auwildnis bestanden, war ihr Wert winzig. Die Wertsteigerung ist mit der Donauregulierung gekommen.
Das geschah jedoch in einer Zeit, in der der Ethos der Ordensleute sich längst erschöpft hatte. Hätte die Ordensmoral überlebt, hätte das Stift die Wertsteigerung, für die es keinen Handgriff machen musste, der Öffentlichkeit zurückgegeben. Stattdessen teilt es den Gewinn, der aus den Stiftsgründen entsteht, mit Immobilienhaien wie Glorit.
Die Familie Glockenstein, die sich hinter dem Titel Glorit verbirgt, muss auch beste Beziehungen zum Wiener Rathaus haben. Alte Donau-Anrainer_innen müssen diesen Schluss spätestens dann ziehen, wenn sie das Privatbad der Familie direkt am Wasser sehen. «Ein Normalsterblicher hätte keine Chance gehabt, das Ufer so zu verbauen», lautet der Konsens auf den Stammtischen des Uferwirtshauses Birner.
Die Vernetzung der Glockensteins wird komplettiert durch das Naheverhältniss zum Fürsten von Niederösterreich. Zur «besten Firma des Landes» soll Glorit von Erwin Pröll gekürt worden sein. Firmensitz ist Großenzersdorf, Gloritstraße 2.